7078022-1993_25_12.jpg
Digital In Arbeit

Hirten unruhiger Herden

19451960198020002020

Mit einer Unterschriftenaktion will man den Papst zur Abberufung von Bischof Kurt Krenn bewegen. Daß mehr oder minder große Teile einer Herde ihren Hirten ablehnen, ist in der katholischen Kirche nichts Neues.

19451960198020002020

Mit einer Unterschriftenaktion will man den Papst zur Abberufung von Bischof Kurt Krenn bewegen. Daß mehr oder minder große Teile einer Herde ihren Hirten ablehnen, ist in der katholischen Kirche nichts Neues.

Werbung
Werbung
Werbung

Schon vom heiligen Klaus von der Flüe heißt es, er habe seinen Bischof „geschnitten”, weil er der Ansicht war, dieser sei durch Bestechung in sein Amt gekommen. Der Freiburger Dogmatiker Gisbert Greshake (FURCHE 30/1991) hat darauf, und auf den Umstand hingewiesen, daß Bischöfe ursprünglich von Klerus und Volk gewählt wurden, zumindest aber nicht beim Volk auf Ablehnung stoßen durften. Insofern sehen es viele Theologen als Recht des Volkes an, bei Bischofsernennungen mitzureden beziehungsweise einem Bischof die Eignung für sein Amt abzusprechen. Laut Greshake sollte heute zumindest nötig sein, daß sich ein zunächst von Teilen der Herde nicht angenommener Hirte nachträglich das Vertrauen der Gläubigen seiner Diözese erwirbt.

Beispiele dafür gibt es. In Afrika, wo bereits die Herkunft eines Bischofs von einem anderen Stamm als dem in der Diözese die Mehrheit stellenden große Probleme auslösen kann, gewann Martin Luluga, vorerst heftig bekämpfter Bischof von Gulu (Uganda), nach und nach das Vertrauen seiner Herde. „Catholic-Herald”-Herausgeber Otto Herschan hat auf den 1987 verstorbenen Erzbischof von Dublin, Kevin McNamara, hingewiesen (FURCHE 4671989), dessen Ernennung die Medien scharf kritisiert, und dessen Wirken die gleichen Kommentatoren zwei Jahre später nach seinem Tod nicht nur aus „Friedhöflichkeit” sehr gelobt hatten.

Mitunter gewinnt aber ein Bischof auch nachträglich nicht die Zustimmung der Ortskirche, und die Konflikte spitzen sich immer mehr zu. Und Rom gerät in Verlegenheit: Einem hohen Schweizer Kirchenmann wurde im Vatikan gesagt, würde man den umstrittenen Bischof Wolfgang Haas von Chur abberufen, müßte man - weltweit - 46 weitere Bischöfe zurückziehen.

Heftige Proteste aus einer Ortskirche müssen sich keineswegs nur gegen „konservative” Bischöfe richten. Dem Nuntius in den USA wurden von militanten „Pro-Life”-Gruppen hunderttausend Unterschriften mit der Forderung nach Abberufung des

„liberalen” Erzbischofs von Milwau-kee, Rembert Weakland, überreicht.

Daß Bischöfe freiwillig abtreten, weil sie sich ihrem Amt und den damit verbundenen Konflikten nicht mehr gewachsen fühlen, kommt häufiger vor, als daß Rom offen eingreift. Auch hier lassen sich „konservative” (Bischof Guy Gaucher von Meaux in Frankreich) und „progressive” Beispiele (die Bischöfe Nicolas Castella-nos und Ramon Buxarrais in Spanien) finden. Der bekannteste dieser „freiwilligen” Rücktritte, der des Erzbischofs von Seattle (USA), Raymond Hunthausen, hatte frelich eine lange Vorgeschichte. Hunthausen war von Rom zuerst ein Weihbischof mit besonderen Vollmachten und dann ein Koadjutor zur Seite gestellt worden.

In Dritte-Welt-Ländern sind auch schon Bischöfe aus politischen (Sudan), aber auch ortskirchlichen Gründen (Papua-Neuguinea, Nigeria) aus ihren Diözesen vertrieben worden.

Den wegen seiner „Heilungsmessen” umstrittenen Erzbischof von Lusaka (Sambia), Emanuel Milingo, hat Rom auf einem Kurienposten kaltgestellt. Mehr oder weniger heftig zum Rücktritt drängte Rom bisweilen schon -auch gegenüber dem später ermordeten Erzbischof von San Salvador, Oscar Romero, der sich wider Erwarten zum „Progressiven” entwickelt hatte -, aber offene Abberufungen hat der Papst meist gescheut. Insofern ist bereits die Churer Lösung - die Beistellung zweier nicht vom Ortsbischof erbetener Weihbischöfe-für Rom ein großer Schritt.

Der Kurs vieler umstrittener Bischöfe - etwa von Jose Cardoso So-brinho, der als Nachfolger des legendären Helder Camara die Erzdiözese Recife (Brasilien) konservativ umkrempelte - scheint auch den derzeitigen Wünschen Roms zu entsprechen. Aber sicher wünscht man sich auch dort weniger Konflikte und mehr Sympathie für die eingesetzten Hirten.

Die heftigsten Auseinandersetzungen erlebte in den letzten Jahrzehnten Holland, wo momentan Priester und Laien massiv den Rücktritt von Bischof Hendrik Joseph Alois Börners (Haarlem), dem jede Dialogfähigkeit abgesprochen wird, fordern. Schon jetzt sind durch Rücktritte (Hubertus Ernst aus Altersgründen, Ronald Bär wegen Homosexualität-Gerüchten, Jo Gijsen aus Gesundheitsgründen) drei von sieben Bischofsstühlen verwaist (FURCHE 13/1993). Der „erzkonservative” Jo Gijsen von Roermond, hat sich - nach zwanzig Jahren zermürbender Konflikte - als Seelsorger in ein Frauenkloster zurückgezogen. Und damit schließt sich der Kreis, denn dieses Kloster liegt unweit von Paudorf und Herzogenburg in der Diözese St. Pölten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung