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Keine Kirche in der Kirche bilden!

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Nach Rom weitergeben sollten österreichs bischöfe, die gerade in vorau tagen, manche wünsche des kirchenvolkes, meint innsbrucks bischof stecher.

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Nach Rom weitergeben sollten österreichs bischöfe, die gerade in vorau tagen, manche wünsche des kirchenvolkes, meint innsbrucks bischof stecher.

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DIEFURCHE: Liegt in Sachen Kirchenvolksbegehren jetzt nicht der Ball bei den Bischöfen?

Bischof Beinhold Stecher; Sie haben recht: Der Ball liegt bei den Bischöfen. Das eine oder andere liegt sicher in der Kompetenz der Bischöfe, sei es des einzelnen Diozesanbischofs, sei es der Bischofskonferenz. Eine ganze Reihe essentieller Bitten geht aber an die Adresse der Weltkirche. Ich kann natürlich der Bischofskonferenz nicht vorgreifen, aber ich persönlich wünsche mir, daß manches von den Bischöfen auch weitergegeben wird. In unserer Diözese Innsbruck war ein Diözesanforum, das repräsentativ die Sehnsüchte und Wün-sehe von Klerus und Volk formuliert hat. Manches davon deckt sich mit dem Kirchenvolksbegehren, einiges hat das Kirchenvolksbegehren schärfer formuliert. Ich habe Anliegen des Diözesanforums, die mir dogmatisch unbedenklich erscheinen, mit der Bitte um Behandlung an Rom weitergegeben - auch die Frage des Diakona-tes der Frau, auch die Frage der Erweiterung der Vollmacht der Kran-kensalbung für Diakone, eventuell auch für Frauen und Männer, die im unmittelbaren Krankendienst stehen.

Ein Kirchenvolksbegehren ist für mich vergleichbar mit einer Bürgerinitiative. Keine Bürgerinitiative ersetzt einen Stadtrat, Landtag oder ein Parlament, Wünsche, die von einer Gruppe vorgebracht werden, müssen durch die Gremien. Deswegen ist für mich ein Diözesanforum entscheidender als eine Initiative, was nicht heißt, daß ich die Initiative nicht ernst nehme. Aber es würde mir gefährlich erscheinen, wenn sich eine Kirche in der Kirche bildete, die nur auf die wunden Punkte hinweist. In der Kirchengeschichte kam die Erneuerung der Kirche im letzten immer aus spirituell dominierten Bewegungen - ob Sie jetzt die franziskanische Erneuerung nehmen oder die ignatianische.

Mir ist ganz klar, daß das Volksbegehren eine Vorgeschichte hat. Eine' der lange nicht berücksichtigten Ortskirchen. Ich denke nur an die Frage von Bischofsernennungen.

DIEFURCHE: Fehlt hier nicht die Transparenz? Genügt es, wenn nun der Nuntius mehr Leute als früher befragt? Stecher: Ich glaube, daß das nicht nur über die Nuntiatur gehen kann, es sollten in der Ortskirche selbst solche Formen der Erhebung gemacht werden. Die Transparenz in Personalfragen ist eine heikle Sache. Ich habe in der Diözese diejenigen befragt, von denen ich annehme, daß sie einen gewissen Uberblick haben - mit einem persönlichen Brief, der Darlegung der objektiven Voraussetzung des Bischofsamts und der Bitte, nach Gebet und guter Überlegung drei Namen hinzuschreiben, daß ich aber ausdrücklich bitte, keine Parteigespräche oder irgendwelche Fangruppen zu bilden, die dann in der Öffentlichkeit Propaganda machen. Es sind 600 Briefe zurückgekommen, die ein eindeutiges Bild ergeben. Vorne liegt eine Gruppe von Priestern, die auch nach meinem Urteil alle die Eignung haben und überdies ein hohes Vertrauen in Volk und Klerus. Diese Leute nominiere ich, und daraus kann Born auswählen - eigentlich ein Normalvorgang, vorausgesetzt, daß es in einer Diözese eine gewisse Einheit gibt. Nur wenn sich kraß Parteien auf-tun, glaube ich, im Sinne der Subsidiarität, daß dann die päpstliche Gewalt jemanden von außen nehmen muß, um Polarisierungen zu verhindern.

DIeFüRCHE: Mitunterhaben von außen geholte Hirten erst recht polarisiert... STECHER: Ja, natürlich. Leo I. der Große, Papst, Kirchenlehrer, Heiliger, hat geschrieben, Bischof soll werden, wer das Vertrauen von Klerus und Volk hat. Dies wurde erst umgestoßen, als die Bischöfe in die politische Position kamen. Von dort ab war das Interesse derer, die Bischöfe machen wollten, ob Kaiser oder Papst, wesentlich von machtpolitischen Interessen geprägt, nicht aber von pa-storalen. Diese Entfremdung des Bischofsamtes von der pastoralen Aufgabe und von der Herde war mit ein Grund für die Beformation. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hatten die Bischöfe kaum noch eine pastorale Beziehung zu ihrer Herde. Sie waren nur Pfründensitzer. Die Loslösung der Kirche aus der Verflechtung mit Macht sehe ich als eine positive Entwicklung des 20. Jahrhunderts. Ihr entspräche auch wieder jene Vision des Bischofs, wie sie in der Urkirche gegolten hat.

DIEFURCHE: Und sollte doch ein in Ihrer Erhebung kaum Genannter zu Ihrem Nachfolger bestimmt werden? STECHER: Ich würde das nicht gut verstehen können, weil ich der Überzeugung bin, daß es heute gewisse Entfremdungen zwischen Hierarchie und Basis gibt, und die kann man nur überbrücken, wenn man Menschen nimmt, die selbstverständlich die objektive Voraussetzung haben, aber auch Vertrauen erworben haben. Ich glaube, daß ein Bischof zwei Vertrauen in sich vereinen muß, das Vertrauen des Petrus, er gehört zu den Zwölfen, aber auch das Vertrauen der Herde, denn für die ist er da.

DIEFURCHE: Es mehren sich seit Jahren die Kirchenaustritte in Österreich, wo sehen Sie die entscheidenden Gründe? STECHER: Ich glaube, daß da ein multikausaler Hintergrund ist. Ich möchte nicht genauer darauf eingehen, weil das sehr in die Breite führen würde. Ich kenne in Tirol Zehntausende von Menschen, weil ich mein ganzes Leben hier gearbeitet habe, und daher weiß ich, was die denken. Da muß ich sagen, es gibt tiefe Entfremdungen. Es gibt zweifelsohne auch innerkirchliche Gründe für Kirchenaustritte, das könnte man auch statistisch nachweisen. So zum Beispiel im Umgang der Kirche mit Skandalen. Aber das allein erklärt Kirchenaustritte ebenso wenig wie ein Unwille über den Kirchenbeitrag. Es gibt auch ein Verblassen der Botschaft in den Herzen.

DIEFURCHE: Sie vollenden demnächst das 75. Lebensjahr, womit oft der Rücktritt eines Bischofs einhergeht An welche Momente Ihrer Amtszeit erinnern Sie sich besonders gern oder ungern? STECHER: Ich weiß natürlich, daß ich vieles nicht erreicht habe, etwa in der Frage der geistlichen Berufe. Aber ich schaue auf die Zeit meines priesterlichen Lebens wie auf diese 15 Jahre Bischof mit großer Dankbarkeit zurück. Was mich am meisten bewegt hat, das war einfach die Mitarbeit, das, was mir an Vertrauen begegnet ist. Ich kann guten Gewissens sagen, daß ich in jedes Gremium der Diözese gerne hineingehe, ob das der Bischofsrat ist, der mich außerordentlich entlastet, dem auch schon zwei Frauen angehören, auf die heute niemand dort verzichten würde, der Priesterrat, der Pastoralrat, das Diözesanforum, letz-lich lauter positiv arbeitende Gruppen, die Verantwortung wahrnehmen und wo man offen sagen kann, was man sich denkt. Parallel dazu geht die ganze Bewegung der Pfarreien und ihrer Pfarrgemeinderäte und Gruppierungen: Ich habe da so viel Gutes erlebt, daß ich sagen muß, es läßt sich mit der Kirche meiner Kindheit überhaupt nicht vergleichen.

Natürlich gab es manche Krisen in meiner Zeit. Eine Krise war natürlich die meines Erachtens am Ende des 20. Jahrhunderts notwendige Auseinandersetzung in der Frage der antisemitischen Ritualmordlegende, die deswegen schwierig war, weil das bei uns tief in die Volkskultur hineingegangen ist. Ich glaube, daß es auch in Rinn ruhig geworden ist. Die Aktivitäten, die es heute noch gibt, sind zum Großteil von auswärts hereingetragen und einfach ein Kristallisationspunkt einer gewissen antikonziliaren Kirche, aber das hat an sich keine Bedeutung mehr. Und jetzt hat es der liebe Gott gefügt, daß wir einen fragwürdigen K/rlt beendet haben und zwei echte Märtyrer, Jakob Gapp und Otto Neu-rurer, bekommen. In dem Zimmer, in dem wir jetzt sitzen, hat Otto Neuru-rer gewohnt. Er war hier Religionskatechet und Kaplan und hat mir hier im Dom die erste heilige Kommunion gereicht. Das ist ein schöner Abschluß meiner Amtszeit.

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