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Es bedarf keiner Machtproben

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Bischof Johann Weber hält zwar keine Volkswahl, aber die viel stärkere Einbeziehung der Gläubigen in den Prozeß der Bischofsbestellung für notwendig.

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Bischof Johann Weber hält zwar keine Volkswahl, aber die viel stärkere Einbeziehung der Gläubigen in den Prozeß der Bischofsbestellung für notwendig.

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DIEFURCHE: Herr Bischof, Sie haben vor Ihrer Rom-Reise gehofft, daß sich das Schweigen nicht auf höherer Ebene fortsetzt Warum erfährt man nicht, was in Rom besprochen wurde? DlOZESANBISCHOF JOHANN WEBER: Es ist mein grundsätzliches Kirchenverständnis, daß das, was ich zu verantworten habe, in Einheit mit dem Petrusamt geschieht. Es ist so, daß ich aus Rom von den Leuten, die im Auftrag des Papstes arbeiten, den strikten Auftrag habe, derzeit keine Auskünfte zu geben, und daran will ich mich auch aus Uberzeugung halten. Das heißt aber keinesfalls, daß jetzt einfach die Dinge abgelegt werden. Ich weiß, daß das Bedürfnis nach Information sehr groß und berechtigt ist.

DIEFURCHE: Das Schweigen wird also in absehbarer Zeit aufgehoben? WEBER; Es gilt sicher nicht auf unbestimmte Zeit

DIEFURCHE.- Sie sind ständig in Kontakt mit den römischen Behörden? WEBER: Selbstverständlich. Ich halte das für eine dringende Pflicht. Es muß jede Möglichkeit vermieden werden, daß Leute, die Verantwortung haben, sei es in einer Diözese, sei es in Rom, an der Wirklichkeit vorbeileben.

DIEFURCHE: Sie haben vor der Presse gesagt, bis zur nächsten Bischofskonferenz mußte etwas geschehen sein. WEBER: In diesem Zusammenhang habe ich gemeint, daß sich jetzt Leute zusammentun sollen und einfach an dieses Phänomen herangehen, das sicher viele überrascht hat, diese explosionsartige Entzündung, die ja viel mehr berührt als den Anlaß, den sogenannten Fall Groer, und daß man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen möge. Das war mein Ziel, und jetzt kommt es zum gemeinsamen Arbeiten der österreichischen Pastoralkommission, die ja für diesen Zweck gegründet worden ist. Dort habe ich das Ziel Herbstkonferenz gesetzt. Dazu kommen auch eigene Initiativen in einzelnen Diözesen.

DIEFURCHE: Mit den diözesanen Initiativen meinen Sie die Ombudsstellen? WEBER: Ja, und wie ich höre und selber auch vorhabe, werden außerdem eigene Arbeitsgruppen entstehen. Es steht ja der Vorwurf, der meines Erachtens weit überzogen wird, daß nur oder vor allem in kirchlichen Instituten negative Dinge vorkommen. Ich möchte mich auch schützend vor unsere Internate stellen. Es kann einmal böse Vorkommnisse geben, aber generell darf man es sicher nicht sagen.

DIEFURCHE: Hat bei Ihren Gesprächen in Rom auch die Frage künftiger Bischofsernennungen eine Rolle gespielt? WEBER: Das ist für mich überhaupt ein ganz ernstes Anliegen, ohne jetzt auf die einzelnen Personen einzugehen. Das hat sicher die Kirche in Österreich viel Kraft gekostet und viele Wunden hervorgerufen, weil der Eindruck entstanden ist, man ist über unsere Realität hinweggegangen. Ich träume nicht von einer allgemeinen Bischofswahl, das wäre auch unbefriedigend und undurchführbar, aber das ganz deutliche Hören auf die Leute, die die Kirche tragen, sei es als Einzelpersonen, sei es in den verschiedensten Räten, das ist für mich seit eh und je eine wirkliche Forderung.

Wir machen auch in der Steiermark nächstes Frühjahr zum zweiten Mal eine offizielle Beratung der wichtigen Gemeinschaften, Priesterrat, Diöze-sanrat, Dechantenkonferenz, Domkapitel, wo miteinander Namen erarbeitet und mir vertraulich übergeben werden, damit ich eine Richtlinie habe, welche Namen als Bischofskandidaten - die Bischofskoferenz muß ja alle drei Jahre welche nennen - bei uns bedacht werden. Wir haben das schon einmal gemacht, und für mich war es überaus hilfreich.

DIEFURCHE: Man sammelt nun Unterschriften in der Kirche. Ziehen Sie das steirische Modell „WeizerPfingstvisi-on ” vor, oder können Sie auch dem von Innsbruck ausgehenden „Kirchen-volks-Begehren ” etwas abgewinnen? WEBER: Ich möchte ganz deutlich sagen: Die Weizer Pfingstvision ist aus der sehr regen Jugendarbeit in diesem Dekanat entstanden. Das war überhaupt nicht von denen so gedacht: „Jetzt unterlaufen wir etwas, jetzt stellen wir eine Konkurrenz”, sondern sie wollten einfach ihre Vorstellungen, welche Linien eine Erneuerung der Kirche haben müßte, artikulieren. Ich halte das für ein gutes Recht, daß andere Leute auch andere Formulierungen haben als dieses eine „Volksbegehren”, das von Innsbruck ausgeht. Für mich ist am wichtigsten, daß wir in diesem Augenblick, der voll ist mit Unruhe, Schmerz und Ratlosigkeit, die Chancen nicht übersehen. Vielleicht will Gott uns mit dieser Situation etwas sagen.

Wenn etwas hineinlaufen würde in ein Abtrennen (wo man aussperrt oder sich selber wegwendet von der gesamten Kirche), dann hätten wir eine große Chance versäumt. Denn mir scheinen Konturen einer neuen Gestalt der Kirche bereits sichtbar zu werden. Ich glaube, daß in der letzten Zeit die Bischöfe vielleicht zuviel betont worden sind, auch im Zuge des Zweiten Vatikanums. Man soll es aber auch nicht umgekehrt machen - eine bk

schofslose Kirche. Wir dürfen einander nicht lassen.

DIEFURCHE: War nicht ein Problem der letzten Jahre, daß die Bereitschaft zum Dialog, den Sie stets verfechten, und zu Kompromissen gefehlt hat? WEBER: Es gibt derzeit zwei große Ängste. Die eine heißt: es wird das uns übergebene Glaubensgut verschleudert, es bleibt nichts mehr übrig. Die andere heißt, wir gehen am Leben der Menschen vorbei. An beiden Ängsten ist etwas dran, vor allem diese zweite Angst, daß Menschen sich sagen, meine Sorgen, meine Hoffnungen, meine Lebenssituation wird nicht ernst genommen. Ich glaube diese Angst ist in einem hohen Ausmaß derzeit berechtigt und ist zu heilen. Wir nehmen Jesus Christus ganz ernst, wir verbilligen ihn nicht zu einem netten Burschen, sondern als Erlöser, Heiland, Herr nehmen wir ihn ganz ernst und wir nehmen dieses Leben ganz ernst. Das braucht keine Machtproben.

Dorthin ist manches gekommen, verkommen zu Machtproben: Was ist stärker? Es braucht den Dialog und die Aufmerksamkeit und auch den Mut, daß man nicht immer alles schnell lösen kann, daß man ansteht und sagt: Leben wir miteinander, mit Unvollkommenem. Es muß nicht alles llOprozentig sein, wir müssen auch mit 80-, 90prozentigem leben können. Jetzt gibt es deutliche Zeichen von Unbehagen, Schmerz und Zorn, und das darf man nicht abschmettern.

DIEFURCHE: Treten Sie persönlich für eine baldige gesamtösterreichische Kirchenversammlung (Synode, Synodaler Forgang oder dergleichen) ein? Weber: Wir sollten uns noch nicht auf einen bestimmten Begriff festlegen. Aber ich bin dafür, daß wir etwas in Gang setzen, um gemeinsam die neue Gestalt der Kirche in dieser sich rapid ändernden Zeit zu suchen und darzustellen. Unser „Tag der Steiermark” 1993, vor allem die Vorbereitung darauf, hatte jenes Klima, das ich mir dafür erhoffe.

DIEFURCHE: Das Liberale Forum stellt derzeit massiv das Konkordat in Frage, konkret die Theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten... Weber: Ich möchte derr Status der Theologischen Fakultäten mit aller Kraft verteidigen. Ich glaube, daß bei allen konkreten Schwierigkeiten die es immer wieder geben kann, hier doch etwas Gutes erzielt ist. Auf der einen Seite wird dort nicht Religionskunde betrieben, sondern es ist Aufbau des Glaubens, wie ihn die Kirche kennt, deshalb halte ich es nicht für ein Privileg, sondern für eine Selbstverständlichkeit, daß die Verantwortlichen der Kirche ein Recht haben, zu schauen, welche Personen dort sind. Auf der anderen Seite sind sie dann im Gefüge der staatlichen Universität nicht ununterbrochen am Gängelband, es wird auch viel Neues gesucht und gefunden. Ich halte das an sich für einen sehr guten Zustand.

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