Was sollen Laien dürfen?

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Seit dem Zweiten Vaticanum gibt es für die Laien eine tolle Theologie und eine nicht ganz so tolle Praxis.

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Seit dem Zweiten Vaticanum gibt es für die Laien eine tolle Theologie und eine nicht ganz so tolle Praxis.

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Die "Laien in der Kirche - nur Lückenbüßer" ist theologischer Nonsens, denn ohne Laien, ohne Volk gibt es keine Kirche, das ist mein Ausgangspunkt. Zu diesem Ausgangspunkt gibt es einen Zwiespalt, denn es gibt zu den Laien eine sehr tolle Theologie und Theorie, aber eine mangelnde oder nicht ganz so tolle Praxis.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat für die Stellung der Laien eine ganz grundlegende Wende gebracht. Nach 2.000 Jahren Kirchengeschichte ist das eine relativ junge Wende, denn während noch 100 Jahre zuvor die Laien als passive Mitglieder gesehen wurden und in dem damals repräsentativen Kirchenlexikon die Idee vom allgemeinen Priestertum als Zeichen großer Geschmacklosigkeit abgewiesen wurde, hat das Konzil diese Lehre aufgegriffen und die Teilnahme aller Christen am Grundauftrag der Kirche betont.

Aber man wird erst dann von einer kompletten Rezeption des Konzils reden können, wenn sich die Rede vom Volk Gottes in einem ganz neuen Verhältnis von Laien und Klerikern manifestiert.

Daß die Lage so ist, wie sie sich derzeit darstellt, liegt nicht nur an den Klerikern: daß die Rolle der Frau in der Kirche weiterhin wenig stark gewahrt ist, daß die Frage der Gemeindeleitung seit 40 Jahren intensiv diskutiert wird - das hat schon auch mit den Laien selbst zu tun. Ich denke, daß die Laien auch selbst dafür verantwortlich sind, daß ihnen diese theoretisch zugestandene Subjekthaftigkeit auch in der Realität zugestanden wird. Man könnte schon fragen, ob sich Laien nicht auch gerne von den Klerikern leiten lassen.

Die zweite Seite der Medaille ist allerdings, daß, wenn es in der katholischen Kirche unter allen eine Gleichheit in Würde und Tätigkeit gibt, es dann in der Praxis nicht plötzlich wieder (wie Bischof Kurt Koch sagt) niedere und höhere Würden geben kann, schon gar keine Hochwürden, sondern prinzipiell nur eine Würde, und dann kann nicht die Ordination des einen sofort die Subordination der anderen nach sich ziehen.

Ich denke, dieser Zwiespalt zwischen der Theologie einerseits und der Praxis andererseits wird auch in der Laieninstruktion, die uns im Herbst überrascht hat, deutlich. Natürlich haben wir als Laien keine Freude damit, für uns besteht aber kein Grund zur Hysterie, vor allem auch deswegen, weil in Österreich die Bischöfe sehr schnell signalisiert haben, daß es die österreichische Situation wenig betrifft. Was uns mehr als der Inhalt gestört hat, ist der Stil des Papiers, der ganz sicher für viele demotivierend wirkt, und der wieder einmal mündige Christen unterschätzt, was mich fragen läßt, ob nicht diesem Papier auch eine mangelnde Kenntnis der Situation der Arbeit der Laien in den verschiedenen Ländern zugrunde liegt.

Was ich mit diesem Papier teile, sind zwei berechtigte Sorgen: Die eine ist die Sorge um den Priestermangel. Ich denke aber, mit Verboten und Reglementierungen darauf zu reagieren, ist Zeichen einer defensiven Theologie und Praxis. Ich denke, daß es darum geht, die kritische Lage hinsichtlich des Priestermangels zur Kenntnis zu nehmen, Ungleichzeitigkeiten zu akzeptieren, regionale Lösungen zu suchen, aktiv zu verändern, Modelle zu riskieren. Ich meine damit Modelle wie den Einsatz von Laien in der Gemeindeleitung, es gibt ja da unterschiedlichste Versuche.

Die andere Sorge ist die um die Priesteridentität. Es ist theologisch wirklich nicht sinnvoll, ungeweihten Laienpriestern auf Dauer hier eine Position zu geben, nur löst man dieses Problem nicht durch die Ausgrenzung der Laien. Das Problem scheint mir die Identität, die Rolle des Priesteramtes zu sein. Für mich geht es darum, eine Option für das Amt zu treffen. Ich glaube, daß die Kirche von heute sehr viel an Amt brauchen würde, was jetzt für mich nicht gleichzusetzen ist mit dem Schlagwort "Kleruskirche". Das würde heißen, das Priesterbild attraktiver zu machen, lebbarer zu machen.

Ich frage mich, warum nach 40 Jahren Debatte nicht etwa eine Problemlösung für deutschsprachige Gemeinden zustandekommt. Das wird nicht nur an der Sturheit Roms liegen, sondern auch an den Bischöfen vor Ort. Ich befürchte, daß die Kirchenleitungen dazu neigen, sich um organisatorische und finanzielle Fragen zu kümmern, anstatt die volle sakramentale Power der Bischöfe zu nützen. Ich kann es mir nicht vorstellen, daß bei Kooperation mit den Theologen, den verschiedenen kirchlichen Organisationen und unter den Bischöfen selber, modellhafte Lösungen, die nicht für alle Bereiche der Kirche auf der ganzen Erde die gleichen sein müssen, erzielt werden können.

Kirche kann nicht auf die Polarität zwischen geweihtem Amt einerseits und Gemeinde andererseits verzichten.

Von Egon Kapellari Ich möchte zu bedenken geben, daß sich in der gesamten Christenheit keine Kirche in den letzten 30, 40 Jahren so verändert hat, wie die katholische Kirche. Manches könnte schneller gehen; es hängt vom Thema ab, was schneller gehen sollte und wohin, und was nicht schneller gehen kann und wohin nicht.

Sie haben Bischof Koch genannt, den ich sehr schätze, ich möchte aber nicht personalisieren, ich möchte zur Sache reden, nicht zu Personen. Bischof Koch hat mir im Sommer erzählt, daß er zu seinem Vorvorgänger gesagt hat: "Wenn Sie nicht wissen, Herr Bischof, daß Sie in zehn Jahren Laien-Theologen die Weihe erteilen können, dann geben Sie ihnen diese Vollmachten nicht, die Sie sich anschicken zu geben." Das ist aber geschehen, in der deutschen Schweiz, und das hat zu Konsequenzen geführt, an denen der zum Bischof gewordene Professor Koch zu tragen hat. Er lebt nicht leicht damit, und er hat mir und einer Gruppe von 20, 30 Leuten das geklagt, so einfach geht das nicht mit dem Rollenverteilen.

Mein Generalvikar hat diese Instruktion gelesen und hat gesagt, daß er die Aufregung nicht versteht. Man kann mit Ignatius sagen, es ist mir ein wichtiges Prinzip, die Aussage eines anderen nach Möglichkeit zu retten, statt das Gegenteil rasch herbeizuführen. Wenn er diese Doktrin auf dieses Papier anwendet, versteht er die Aufregung nicht. Es heißt, daß man neue Grenzen zieht; man zieht aber keine neuen Grenzen. Er meint, daß man unter den großen Diagnosewörtern für unsere Gesellschaft auf das Vokabel "Empörungsgesellschaft" nicht vergessen sollte: Man empört sich außerordentlich schnell, die Reizschwelle für Empörungen ist sehr nieder.

Zweimal wird in diesem Text ausdrücklich gesagt, es sollen keine Klerikalprivilegien damit gefördert werden. Man kann sagen, das ist ehrenwert, aber sie machen es trotzdem. Es ist die Frage, ob sie es trotzdem machen, ich glaube, so ist es nicht. Die Dinge, die im zweiten Teil des Dokuments vorkommen, sind unterschiedlich in ihrem Rang: die Laienpredigt ist von einer anderen Qualität, als die Frage der Gemeindeleitung überhaupt, denn da kommen wir ins Herz der Amtstheologie der Kirche, eine ganze Wolke von deutschen Theologen wird uns sagen, es ist unideal die Leitung einer Gemeinde von der Leitung der Eucharistie zu entkoppeln. Das ist auch meine Überzeugung. Wenn es trotzdem Tendenzen gibt, die darauf hinzielen, ist es ein Ausdruck eines Notstandes. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Da gibt es zwei Typen von Reaktionen, entweder man weitet das Amt aus, das heißt aber dann Weihe, man schafft einen erweiterten Kreis von Weihkandidaten, oder man schafft Provisorien. Wenn man Provisorien schafft, dann ist man in Gefahr, in den Dschungel der Mehrdeutigkeit hineinzugeraten. Man ist am zweiten Weg und versucht, ziemlich realistisch auch in der Kurie, die Hauptgefahr des zweiten Weges nicht nur zu erkennen, sondern auch etwas zu reduzieren indem man sagt, die Konsequenz der besten Amtstheologien ist: es soll nicht sein, daß wir die Gemeindeleitung jemandem geben, der nicht die Eucharistievollmacht hat. Wenn man so "a" sagt, kann man nur so "b" sagen. Das gehört entkrampft und vom Horizont der Empörungsgesellschaft weggenommen.

Das andere ist kleineres Geld, die Frage der Homilie (Predigt, Anm.) in der Eucharistiefeier. Da wird gesagt, daß die Homilie ein integraler Teil der Eucharistieliturgie sei, nicht einem anderem als dem Teilhaber am Weihesakrament, sprich Priester oder Diakon, zuweisbar. Es wird aber auch gesagt, daß bei Wortgottesdiensten Laien ohne weiteres Homilien halten können. Außerhalb der Eucharistie wird auch die Kategorie Homilie dem Laientheologen durchaus ausdrücklich konzidiert. Die Vorwürfe hier stimmen also so nicht.

Dann kommen kleinere Dinge, beispielsweise daß man nicht den Vollzug der Eucharistiefeier, dieses dialogische Prinzip nach dem Eucharistie aufgebaut ist, durchbrechen und die Gemeinde dadurch stören darf. Das Konzil kann man nicht preisgeben. Wenn Kirche identisch bleiben will, dann kann sie nicht verzichten auf die Polarität des geweihten Amts in der Eucharistieleitung hier und Gemeinde dort. Ich weiß, daß nach dem Konzil in nicht wenigen Pastoralzeitschriften der Schweiz und auch in Österreich Vorschläge gemacht wurden, das Amt zu entideologisieren, der Realität anzunähern, den Mythos zu zerstören ... Das hat man alles gehört, oft gelesen, ich halte es für nicht akzeptabel. Es gibt eine breite Allianz von Theologen die nicht die schlechtesten sind, aber nicht mehrheitlich sind.

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