Pfarrer - © Illustration: iStock/Macrovector (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

"Instruktion zur pastoralen Umkehr der Pfarreien": Wer soll denn da umkehren?

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Manches an der jüngsten römischen Instruktion „zur pastoralen Umkehr der Pfarreien“ ist bedenkenswert. In vielen Punkten sucht das Dokument aber, den Klerikalismus festzuzurren.

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Manches an der jüngsten römischen Instruktion „zur pastoralen Umkehr der Pfarreien“ ist bedenkenswert. In vielen Punkten sucht das Dokument aber, den Klerikalismus festzuzurren.

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Es gibt helle Aufregung über die neue Instruktion der Kleruskongregation „zur pastoralen Umkehr der Pfarreien“. Dabei ist zu beachten, dass Instruktionen auf der Skala der Gewichtigkeit kirchlicher Dokumente ziemlich weit unten stehen. Eine wohlwollend-kritische Lektüre lohnt sich allenthalben. Denn einige Aussagen verdienen durchaus Nach-Denken. Über andere sollte man den Mantel des verwunderten Schweigens breiten: zum Beispiel, wie wenig ein römisches Dokument die biblischen Quellen zitiert.

In wichtigen Punkten hinkt das Dokument weit hinter der Entwicklung in vielen Ortskirchen nach. So besehen hat es einerseits zukunftsfähige Aspekte, ist aber andererseits eine Art pastoral- theologisches Museum. Es ist wie in der dogmatischen Konstitution über die Kirche des II. Vatikanums (Lumen gentium), dass widersprüchliche Aussagen unbekümmert nebeneinander stehen: Hier eine Priesterkirche, dort die Kirche als Gottesvolk.

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Die Instructio bietet das Schauspiel eines ekklesiologischen Eiertanzes! Die Verantwortung des ganzen Gottesvolkes wird zwar rhetorisch beschworen („Kraft des Priestertums aus der Taufe sind alle Gläubigen dazu bestimmt, den ganzen Leib aufzuerbauen.“), auch wird der Klerikalismus in gewohnter Franziskus-Manier verdonnert (z.B. bei Diakonen), aber wenn es um die Entscheidungsmacht geht, bleibt das Dokument munter „klerikal“.

Ein ekklesiologischer Eiertanz

Kein Wunder, dass ein Aufschrei durch die große Anzahl engagierter Mitglieder des Gottesvolks geht, die man deshalb – wie auch die Priester – „Laien“ nennt. Pastoraltheologisch schmerzt der Satz, dass der Pfarrer der „grundlegende Bezugspunkt für die Pfarrgemeinde“ ist. So frei vom auferstandenen Christus die Pfarrgemeinde zu definieren, ist ziemlich kühn. Zu begrüßen ist allein, dass das Thema aufgegriffen wird.

Anlass ist wohl eine erfolgreiche Klage von Klerikern aus der Diözese Trier, welche die geplante Strukturreform ihrer Diözese ablehnen. Ähnliche Vorgänge können auch bei uns in Österreich, beispielsweise in Linz, studiert werden. Diese Klagen sind an den im Kirchenrecht festgelegten Rechten der Pfarrer orientiert. Die Instruktion gibt ihnen weithin Recht: Die Leitung einer Pfarre(i) kann nur in der Hand eines Pfarrers liegen. Zugleich wird dann diesen Inhabern der heiligen (Voll-)Macht vorgeschrieben, „gewissenhaft“ auf die Laien zu hören, sich (auch durch pastorale Räte) beraten zu lassen und zuzusehen, dass die Kirchenmitglieder das tun, wozu die Pfarren „umkehren“ sollen, nämlich die Evangelisierung und darin insbesondere den Dienst an den Armen.

Eine der Stärken des Dokuments besteht darin, die geschichtlich gewachsenen Pfarrgemeinden in Schutz zu nehmen. Das Prinzip der Einzelfalllösung, aus Amoris laetitia vertraut, wird angewendet. Pfarrgemeinden dürfen nicht Opfer flächendeckender diözesaner Strukturpläne werden. Dabei gilt im Dokument, dass pastorale Zusammenarbeit in größeren Räumen durchaus erwünscht ist: Es zeigen sich Ansätze eines „Netzwerkmodells“, in dem die Pfarrgemeinden eine Art „Knoten“ sind – neben denen es aber viele andere „Knoten“ gibt (Bildungshäuser, Caritas, Gemeinden anderer Konfessionen, Moscheen, Organisationen der Laien). Diese Zusammenarbeit allein darf aber nicht Grund für die Auflösung einer Pfarre(i) sein.

Kein Wunder, dass ein Aufschrei durch die große Zahl engagierter Mitglieder des Gottesvolks geht, die das Dokument ‚Laien‘ nennt.

Strukturreformen oder auch die Profanierung von Kirchen haben nicht der Bewältigung des Mangels an Klerikern oder finanzieller Ressourcen zu dienen, so wird ausdrücklich betont. Die einzige Begründung für Strukturreformen liege in der Frage, welche pastoralen Vorgänge strukturell sichergestellt werden müssen, damit das Kerngeschäft der Kirche, die Evangelisierung, in der heutigen Kultur gut geschehen kann. Diesen Perspektivenwechsel könnte man in der Tat als eine Art „pastorale Umkehr“ begreifen und herbeiwünschen.

Schade ist, dass diese Spur nicht konsequent verfolgt wird. Das ist die Kernschwäche der Instruktion: Sie will einerseits neue Strukturen für die Evangelisierung und bindet darin die Gemeinschaften des Evangeliums vor Ort (Pfarrgemeinden) ein. Andererseits geht es um die kirchenrechtliche Absicherung des Klerus, seiner Letztverantwortung und damit auch seiner Macht. Die Instruktion will nicht klerikal sein und ist dennoch unverkennbar kryptoklerikal.

Unverkennbar kryptoklerikal

Damit verhindert sie (durch Kränkung vieler engagierter Laien) letztlich, was sie erreichen will: die pastorale Umkehr möglichst vieler Mitglieder der vielen durchaus lebendigen Pfarrgemeinden zu einer kultursensiblen Verkündigung des Evangeliums durch den Dienst an den Armen, die Verkündigung des Wortes und die absichtslose Feier des österlichen Geheimnisses in Eucharistie, Sakramenten und Wortgottesfeiern.

Die Instruktion könnte sich aber (vielleicht ungewollt) dennoch als innovativ erweisen. Sie hält unmissverständlich fest, dass der Dienst der geistlichen Leitung einer Pfarre in Verbindung mit dem Vorsitz bei der Feier der Eucharistie und der Sakramente an die Ordination gebunden ist. Auch betont sie, dass auch die Pfarrgemeinden aus der Eucharistie als „Leib Christi“ geboren und genährt werden. Zugleich wird der Mangel an Priestern durchaus wahrgenommen. Dieser dürfe zwar bei Strukturreformen nicht als Begründung herangezogen werden – obgleich genau dies laut Studien faktisch der Fall ist, weil die längst fälligen Strukturreformen in Zeiten ohne akuten Priestermangel nirgendwo konsequent in Angriff genommen worden waren, sieht man von der Errichtung von Pfarrverbänden ab.

Ich erhielt dieser Tage Post von einem Dechant. Er ist inzwischen für acht Pfarrgemeinden verantwortlich. Als Pallottiner fördert er, dem Geheiß des Ordensgründers folgend, Laien. Es gibt in seinem Umkreis auch genug kompetente Frauen und Männer in den Pfarrgemeinden, welche faktisch Leitungsaufgaben innehaben. Noch gibt es einen zweiten Priester im Pfarrverband: vorhersehbar aber nicht auf Dauer. Es ist angesichts der geringen Weihen von Neupriestern nicht einmal sicher, dass alle bisherigen Pfarrverbände morgen noch einen eigenen Pfarrer haben werden. Angesichts solcher sehr konkreten Situationen verbleibt die Instruktion im Abstrakten: Zentral sind ihr die Evangelisierung, die Feier der österlichen Liturgien (Eucharistie, Sakramente), der Dienst an den Armen, wobei es für Leitung und sakramentale Liturgien einen Ordinierten braucht.

Es gibt nur zwei Auswege

Es gibt pastoraltheologisch aus dieser Lage letztlich nur zwei Auswege: Entweder verzichtet die Kirche auf die Bindung von Leitung und Vorsitz bei sakramentalen Feiern an die Ordination, oder sie ermöglicht das hehre Ziel der Evangelisierung in gewachsenen Pfarrgemeinden, indem pastoral „erfahrene Personen“ (Altbischof Lobinger nennt sie „personae probatae“) aus den Gemeinden selbst ausgewählt, ausgebildet und ordiniert werden. Für die Suche nach solchen Personen finden sich in der Instructio sogar Anhaltspunkte, wenn es um die „niederen Weihen“ von Laien als Akolythen und Lektoren geht: „Diese Laien müssen in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, eine Ausbildung erhalten haben, die den Diensten, die sie ausführen sollen, angemessen ist, und eine beispielhafte persönliche und pastorale Lebensführung aufweisen, die sie für die Durchführung des Dienstes geeignet erscheinen lässt.“

Es ist nicht erkennbar, dass in diesem Satz nicht auch die Frauen gemeint sind. Nimmt man zudem an, dass alle Getauften „Gottgeweihte“ (18 mal kommt dieses Wort vor; die „Laien“ 30 Mal) sind, dann könnte der Ortsbischof allen Getauften auch die Dienste Wortgottesdienste Feiern, Taufen, Beerdigen, Trauen und Predigen übertragen. Das antiquierte und praktisch auf Dauer unhaltbare Predigtverbot für Laien wäre dann unnötig. Für solche zukunftsfähige Innovationen braucht es aber keine pastorale Umkehr der Pfarren, sondern der Entscheidungsträger der Weltkirche – vor Ort (!) und in Rom. Vielleicht folgt alsbald eine „Instruktion zur pastoralen Umkehr der Ortsbischöfe wie der Kleruskongregation“. Diese würde dann nicht im (kirchenrechtlichen) Rahmen reformieren, sondern den Rahmen selbst.

Der Autor ist Pastoraltheologe und lebt in Wien.

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