Träger Neuer verantwortung

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Gut, dass es Pfarrgemeinderäte gibt: Am 18. März werden in der katholischen Kirche die Pfarrgemeinderäte neu gewählt. In der pluralen Gesellschaft muss sich die Kirche neu bewähren. Das bedeutet, das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen endlich ernst zu nehmen. Pfarrgemeinderäte können ein sichtbarer Ausdruck davon sein.

Österreichs katholische Kirche hat schon einfachere Zeiten erlebt. Während wir auf das 50-Jahr-Jubiläum des Zweiten Vatikanums zugehen, müssen sich die Diözesen mit vielfältigen Herausforderungen herumschlagen: Die Missbrauchsfälle haben zu einer in dieser Form noch nie dagewesenen Austrittswelle geführt; der Priestermangel zwingt zur Veränderung jahrhundertealter pastoraler Strukturen; die katholische Kirche ist nicht mehr der einzige Anbieter am spirituellen Markt und viele Getaufte nehmen die Angebote in den Gemeinden nicht mehr in Anspruch.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die zentrale Frage, in welcher Form die Kirche ihrem Grundauftrag zur Verkündigung des Evangeliums in dieser Zeit und in diesem Land nachkommen kann. Denn um nichts weniger geht es. Nicht die Rettung von Strukturen oder das Aufrechterhalten von Traditionen (so wichtig und gut sie sein mögen) darf im Mittelpunkt des kirchlichen Interesses stehen, sondern die Mitarbeit an dem Auftrag, für den Kirche in ihrem Wesen da ist: "Zeichen und Werkzeug“ zu sein für einen Gott, der "die Welt so sehr geliebt hat“, dass er seinen einzigen Sohn zu ihrer Rettung gesandt hat, wie es der Hymnus im Brief des Paulus an die Philipper bezeugt.

Für die Menschen und ihr Heil

Dieser grundsätzliche Auftrag ist für mich der Maßstab zur Beurteilung der Strukturen der Seelsorge, zu denen auch die Pfarrgemeinderäte gehören. Denn auch diese sind nichts Selbstverständliches, sondern müssen von diesem Auftrag her begründet werden. Meine Grundthese lautet dabei: Die Pfarrgemeinderäte stellen in der Struktur der katholischen Kirche in Österreich eine unverzichtbare Verwirklichung des kirchlichen Auftrags dar, "für die Menschen und ihr Heil“ da zu sein - oder in Anlehnung ans Motto der Pfarrgemeinderatswahlen: Es ist gut, dass es Pfarrgemeinderäte gibt, und zwar gut für die Menschen vor Ort, in den Gemeinden - aber auch gut für die Kirche ins- gesamt. Dafür gibt es verschiedene Gründe.

So ist es zunächst wichtig, dass es Personen vor Ort, in den konkreten Lebenswelten der Menschen gibt, die dafür sorgen, dass der christliche Glaube verkündigt, gefeiert und im Dienst am Nächsten bezeugt wird. Das letzte Konzil hat festgelegt, dass die Kirche nicht mehr (wie in den Jahrhunderten davor) von ihren Amtsträgern her zu bestimmen ist, sondern von allen Christen, den sogenannten "Laien“. Die Kirche ist als Institution zwar weiterhin hierarchisch geordnet - theologisch ist sie aber "Gemeinschaft“ und "Volk Gottes“. Diese gemeinsame Würde und Verantwortung der Christen hat das Konzil mit dem Ausdruck "Gemeinsames Priestertum aller Gläubigen“ festgestellt. Die Rede von diesem gemeinsamen Priestertum, das dem Dienstpriestertum vorgeordnet ist, ist in der Praxis immer noch erst einzuholen. Das gilt sowohl aufseiten vieler Kleriker wie auch aufseiten vieler sogenannter Laien. Denn das Kirchenvolk wurde zu lange daraufhin geformt, dass nur das wirklich zählt und etwas "Geistliches“ ist, was durch einen geweihten Amtsträger erfolgt: nicht nur die Messe, sondern alle Sakramentenspendungen und Segnungen bzw. allgemein gesprochen die "Seelsorge“. Gemeinsames Priestertum bedeutet aber eine Würde von der Taufe her, die jeglicher Differenzierung in Ämtern und Diensten vorgeordnet ist. Und es bedeutet zugleich einen Auftrag von der Taufe her, nicht nur für sich selbst zu leben, sondern sich in den Dienst einer Gemeinschaft und in den Dienst Gottes zu stellen.

Die Pfarrgemeinderäte sind nun eine sichtbare und zentrale Weise, wie die Verantwortung, die aus dem gemeinsamen Priestertum wächst, wahrgenommen werden kann und soll. Waren sie anfangs nur dazu da, dem Pfarrer "mit Rat und Tat“ zur Seite zu stehen, so macht das Konzil deutlich, dass es um ein gemeinsames Handeln aller im Dienste Gottes und für das Volk Gottes geht. Es müsste daher noch viel deutlicher werden, dass die "Hauptamtlichen“ (vornehmlich Priester und Pastoralassistenten) ebenfalls Dienst-ämter innehaben - und dass die Mitarbeiter(innen) in den Pfarren Rechte und Pflichten haben, die es gemeinsam wahrzunehmen gilt.

Worin liegt nun diese genuine Verantwortung der Pfarrgemeinderäte? Zum einen darin, die Präsenz der "Kirche vor Ort“ zu garantieren. Christlicher Glaube ist wesentlich ein Glaube in Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist aber nicht nur eine weltumspannende Glaubensgemeinschaft, sondern eine ganz konkrete: Es ist die Gemeinde, die sich am jeweiligen Ort (einer Pfarrgemeinde, einer Kirche, eines Krankenhauses …) trifft.

Gemeinschaft braucht Charismen

Jede Gemeinschaft braucht aber Strukturen: Sie braucht Leitung, Ansprechpersonen für neu Hinzukommende; sie braucht jene, die Traditionen weiterführen, die das Gebet anleiten, die für den karitativen Ausgleich zwischen Armen und Reichen sorgen. Bei Paulus werden diese Tätigkeiten als "Charismen“ bezeichnet - also als jene Fähigkeiten, die (vom Heiligen Geist verliehen) dem Aufbau einer Gemeinde dienen. Sie sind nicht dem Priester untergeordnet, sondern der Gemeinde zugeordnet. Und sie garantieren, dass Kirche das wird, was sie ist: eine Gemeinschaft, die sich um den Herrn versammelt.

Die Bildung dieser Gemeinschaft erfolgt heute aber nicht mehr selbstverständlich und automatisch durch die territoriale Zugehörigkeit zu einer Pfarrgemeinde. Die Formen, wie Christen heute ihr Christsein leben, sind vielfältiger geworden. Viele engagieren sich nicht mehr in den klassischen Pfarrgemeinden, sondern in diakonischen Projekten oder in Initiativen. Daher besteht eine wichtige neue Aufgabe der Pfarrgemeinderäte darin, für eine Vernetzung der unterschiedlichen Gruppen und Projekte zu sorgen, die es innerhalb und außerhalb der Kerngemeinden gibt. Ich sehe dies nicht als Konkurrenz oder Aushöhlung der Pfarrgemeinden, sondern als wichtige Ergänzung.

In der pluralen Gesellschaft Kirche sein

Nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Kirche wird pluraler. Als eine Institution mit dem Anspruch, eine weltumspannende, offene Gemeinschaft zu sein, benötigt sie die Fähigkeit, die Pluralität von Menschen und ihren Lebensentwürfen als etwas Bereicherndes, Gutes anzusehen. Gerade die Pfarrgemeinderäte können Anwälte einer solchen Pluralität sein - in der Unterschiedlichkeit der Geschlechter, Generationen, Milieus und Lebenserfahrungen.

Pfarrgemeinderäte sind aber selbstverständlich auch das, was ihr Name verspricht: Sie sind Räte. Dieser Begriff wird in der Praxis sehr unterschiedlich ausgelegt. Doch während immer wieder der "Rat“ gegenüber der "Entscheidung“ ausgespielt und gering bewertet wird, sehe ich doch auch eine große Chance in der Tätigkeit des Ratens: Damit sind die Pfarrgemeinderäte nämlich gewissermaßen die Stimme des Volkes Gottes in Richtung der Kirchenleitung - die gut daran tut, diesen Rat nicht nur pro forma einzuholen, sondern jenen Menschen auch etwas zuzutrauen, die in unterschiedlichsten Lebenssituationen versuchen, den christlichen Glauben zu leben und weiterzugeben. Pfarrgemeinderäte haben damit eine wichtige Scharnierfunktion in einer hierarchischen Kirche - die übrigens auf der anderen Seite der Hierarchie Männer als "Kardinäle“ auszeichnet, was übersetzt nichts anderes bedeutet als "Türangel“. Personen in Leitungsverantwortung sind zumeist nur so gut wie die Berater, denen sie vertrauen. Den Christen und Christinnen in unserem Land ist zu wünschen, dass sich viele gute Räte finden - und dass ihr Rat und ihre Verantwortung ernst genommen wird.

* Der Autor ist Professor für Pastoraltheologie an der Universität Wien

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