Institution hat sich sehr bewährt

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Alois Schwarz, Bischof von Gurk-Klagenfurt, lobt im furche-Gespräch die Pfarrgemeinderäte als Versuch, das synodale Prinzip der Kirche zu stärken.

die furche: Wie hat sich die Institution Pfarrgemeinderat bewährt?

bischof alois schwarz: Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es sie nicht gäbe. Ich habe als Pfarrer einige Wahlen selber mitgestaltet. Es war der Aufbrauch nach dem Konzil, das synodale Prinzip zu stärken. Bei den Diözesansynoden ist das dann sehr forciert worden: Dort wurden die Leute eingeladen, sich mitgestaltend zu äußern. Es hat sich sehr bewährt, dass in den einzelnen Pfarren gewählte Vertreter des Volkes Gottes Mitverantwortung tragen.

die furche: Der große Aufbruch nach dem Konzil ist aber vorbei. Im Arbeitspapier zum "Dialog für Österreich", bei dem vor vier Jahren über Österreichs Kirche diskutiert wurde, kann man gerade in Bezug auf die Pfarrgemeinderäte lesen, dass sich Ernüchterung, Frustration, Resignation breit gemacht haben.

schwarz: Etwa die Hälfte bis zwei Drittel in den Pfarrgemeinderäten sind Leute, die schon mehrere Perioden tätig sind. Gewisse Müdigkeiten sind da irgendwie logisch. Aber mit jeder Wahl kommt mindestens ein Drittel Neue; ich erwarte mir auch mit der diesjährigen Wahl einen neuen Aufschwung in den Pfarrgemeinden.

die furche: Man hört aber Klagen, es würde immer schwerer, Leute für den Pfarrgemeinderat zu gewinnen.

schwarz: Das ist ganz unterschiedlich. In meiner Diözese war ich in Pfarren, da haben die Pfarrgemeinderäte gesagt, wir kandidieren alle wieder, in anderen Pfarren bin ich wieder auf Menschen gestoßen, die gemeint haben, ich höre jetzt auf, ich lasse anderen diesen Platz...

die furche: ... aber ein generelles Lamento ist Ihrer Meinung nach nicht am Platz?

schwarz: Ich konnte das in meiner Diözese jedenfalls nicht feststellen.

die furche: Was für Highlights haben Sie mit Pfarrgemeinderäten erlebt?

schwarz: Als ich Pfarrer war, waren für mich die Klausuren, die wir gehalten haben, ein Höhepunkt. Es war selbstverständlich, dass alle Pfarrgemeinderäte zwei Tage mitgefahren sind, um ein Pfarrprogramm zu erarbeiten. Als Bischofsvikar in Wien haben mich dann auch die Bildungsveranstaltungen beeindruckt, auf die sich Pfarrgemeinderäte eingelassen haben. Durch die Pfarrgemeinderatsarbeit haben sich Leute schulen lassen - nicht nur in Konferenzführung, sondern auch in Teilbereichen der pfarrlichen Arbeit. Es gab da Hunderte, die sich in Liturgie weitergebildet haben, andere wieder im Bereiche Verkündigung, andere wieder im Bereich der Diakonie, der Pfarrcaritas.

die furche: Durch die Institution Pfarrgemeinderat wurde also die Bildung von Laien in verschiedenen Bereichen der Kirche erst ermöglicht?

schwarz: Zuerst kamen in den Pfarrgemeinderat Leute aus den Erneuerungsbewegungen - von der "Bewegung für eine bessere Welt" oder von der Cursillo-Bewegung, manche kamen aus der Katholischen Aktion und haben sich aus diesen Apostolatsbewegungen heraus innerlich motiviert und der Pfarrgemeinderatsarbeit zur Verfügung gestellt. Als Pfarrgemeinderäte haben sie dann ein Bildungsprogramm absolviert, das sie sehr qualifiziert gemacht hat. Wenn ich nur an den Bereich der Finanzen denke: Es gibt Frauen und Männer, die sind ausgebildete Finanzchefs in den Pfarren, die Pfarrer können sich zurücklehnen, weil die Finanzen so kompetent gemacht werden.

die furche: Oft gibt es Kritik an den fehlenden tatsächlichen Entscheidungsmöglichkeiten - abgesehen von den Finanzen. Wie kann ein Pfarrgemeinderat aber darüber hinaus tatsächlich mitentscheiden?

schwarz: Bei den Finanzen ist es klar: Die Kirchenrechnung muss von Pfarrer und Pfarrgemeinderat unterschrieben werden. Zu den anderen Bereichen muss ich sagen, dass es in vielen Pfarren eine gute Zusammenarbeit gibt. Daneben treten Konfliktpunkte auf. Dafür haben wir aber in Österreich die Gemeindeberatung: In den letzten Jahren wurden Gemeindeberaterinnen und -berater ausgebildet, Frauen und Männer, die den Pfarren Konfliktberatung anbieten. Daneben haben wir beim Pastoralseminar im Bildungshaus St. Virgil in Salzburg eine "Arbeitsstelle für Gemeindeentwicklung" angesiedelt. Auch diese Arbeitsstelle arbeitet hervorragend und führt die Leute weiter, wenn es Probleme gibt. Sie führt aber auch die Laien zu einem neuen großen Selbstbewusstsein, was ihre Mitverantwortung fürs pfarrliche Leben betrifft.

die furche: Dennoch: Wenn Entscheidungen anstehen, kann der Pfarrer auch gegen den Willen des Pfarrgemeinderats handeln.

schwarz: Der Priester leitet die Pfarrgemeinde. Das ist von der Kirchenordnung her so, weil wir die Pfarrgemeinde als Kirche am Ort verstehen: In der Kirche ist der Altar der Mittelpunkt - und den Vorsitz am Altar hat der Priester. Also hat der Priester auch den Vorsitz in der Pfarrgemeinde.

die furche: Bei den meisten Entscheidungen im Pfarrgemeinderat geht es aber nicht um Glaubensfragen, wo das, was Sie sagen, nachvollziehbar ist. Aber der Pfarrer hat immer das letzte Wort.

schwarz: In der Kirche gibt es das hierarchische Prinzip und das synodale. Die ergänzen einander. Es kann nicht das eine auf Kosten des anderen aufgelöst werden. Das Konzil hat das sehr deutlich gesagt: Die Kirche ist eine Communio hierarchica...

die furche: ... doch bei der Letztentscheidung kommt - auch im Pfarrgemeinderat - das hierarchische Prinzip zum Tragen. Wenn man sich dies jetzt aber unter dem Aspekt des großen Priestermangels anschaut: Es gibt ja viele unbesetzte Pfarren, und da ist ein Pfarrgemeinderat, der wichtige Leitungsaufgaben übernehmen muss, und es gibt einen Priester, der für viele Pfarrgemeinden zuständig ist.

schwarz: Die Priester, die mehrere Pfarrgemeinden haben, sind sehr dankbar, dass es in den einzelnen Orten Pfarrgemeinderäte gibt, die vor Ort das Leben der Pfarre mitgestalten. So ist dem Priester möglich, mehrere Pfarren zu übernehmen.

die furche: Eine der Forderungen beim "Dialog für Österreich" war, die Pfarrgemeinderäte mehr in die Neubestellung eines Pfarrers einzubinden.

schwarz: Wenn ein Pfarrer nur eine Andeutung macht, dass er wechseln möchte, dann kommen die Pfarrgemeinderäte in der Regel schnurstracks zum Bischof und sagen, wen sie als Nachfolger haben möchten, oder dass der Pfarrer bleiben soll. Manchmal fordern sie den Wechsel, manchmal verhindern sie ihn. Mir ist wichtig, dass ich gerade bei so sensiblen Vorgängen wie den Wechsel des Pfarrers mit den Pfarrgemeinderäten darüber rede, sie informiere, dass das bevorsteht, oder sie bitte, eine Zeitlang eine unbesetzt Pfarre mitzutragen: Da leisten die Pfarrgemeinderäte doch sehr kostbare Arbeit.

die furche: Sie sagen, die Pfarre sei immer noch die "Kirche am Ort". Doch die Menschen heute sind mobil, und ihre Religiosität setzt sich aus verschiedenen Versatzstücken zusammen, sodass sie weder örtlich noch lebenslang in einer einzigen Institution verwurzelt sind. Wie passen die Modelle von Pfarre und Pfarrgemeinderat in diese Situation?

schwarz: Grundsätzlich herrscht nach wie vor das Territorialprinzip vor. Jeder weiß: In dieser Pfarre ist der Pfarrer für mich zuständig. Natürlich leben die Leute nicht mehr nur im Territorialraum Pfarre, sondern sie leben in verschiedenen Milieus. Und sie erwarten sich, dass sie auch in ihrem Milieu seelsorgliche Betreuung erfahren.

die furche: Der Pfarrgemeinderat ist die Institutionalisierung des Territorialprinzips. Jetzt gibt es die neuen geistlichen Bewegungen - für manche Leute eine große spirituelle Heimat - und daneben diese Funktionärsgremium Pfarrgemeinderat. Wie kommt man da zusammen?

schwarz: Der Pfarrgemeinderat hat die Aufgabe, gemeinsam mit dem Pfarrer zu schauen: Welche Begabungen an geistlichem Leben gibt es bei uns? Das kann eine Ordensgemeinschaft oder eine Apostolatsbewgung sein und so weiter. Manchen Pfarrgemeinderäten gelingt es sehr gut, diese zu integrieren, manche wissen bloß, dass es sie in ihrem Territorium gibt. Die neuen geistlichen Bewegungen, die nicht pfarrlich organisiert sind, gehören unters Dach des Bischofs: Kirche ist bischöflich organisiert. Man muss nicht alles in die Pfarre integrieren, sondern man sollte aufmerksam schauen, was hier wächst.

die furche: Pfarrgemeinderäte sind eine Struktur, die der Gemeindetheologie, wie sie nach dem II. Vatikanum en vogue war, entspringen. Sind die neuen Bewegungen und Gruppen nicht eine gegenläufige Entwicklung?

schwarz: Die Mehrzahl der Katholiken lebt nach wie vor in der Territorialpfarre und nicht in Sondergruppen. Und das ist eine ganz große Kostbarkeit. Der Pfarrgemeinderat hat insofern eine große missionarische Aufgabe, als er die verschiedenen Gruppen, aber auch die Menschen, die Kirche als "Dienstleistung" an den Wendepunkten des Lebens in Anspruch nehmen, sonst aber ihr Christsein im Verborgenen leben, zu integrieren versucht.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

Zur Person: Fünf Jahre Bischof

Seit 23. Juni 2001 ist Alois Schwarz Bischof von Gurk-Klagenfurt. Schwarz wurde 1952 in Hollenthon/NÖ geboren und studierte in Wien Theologie. 1976 weihte ihn Kardinal König zum Priester, in den folgenden Jahren war er unter anderem Lehrbeauftragter für Homilektik an der Universität Wien. Bis 1992 war er Pfarrer von Krumau und Bad Schönau in der Buckligen Welt, ab 1987 leitete er zusätzlich das Pastoralamt der Erzdiözese Wien. Am 22. Februar 1997 weihte ihn Kardinal Schönborn zum Wiener Weihbischof und ernannte ihn wenige Monate später zum Bischofsvikar für das Wiener Südvikariat. 1997/98 leitete Schwarz die Vorbereitungsgruppe zum "Dialog für Österreich", die unter anderem die Salzburger Delegiertenversammlung vorbereitete. In der Österreichischen Bischofskonferenz ist Alois Schwarz für Priester und Diakone sowie für die pastoralen Institutionen, also auch für die gesamtösterreichische Koordination der Pfarrgemeinderatsarbeit, zuständig.

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