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Die „Bürgerinitiative im Volke Gottes“ läuft
Am Anfang war das Engagement. In einem Kommunikationsausschuß des Vikariates Wien-Stadt fanden sich einige aktive Katholiken zusammen, die sich mit der Situation der Christen in der Großstadt Wien nicht zufriedengeben wollen und hoffen, durch die Erarbeitung von Unterlagen zu einem Pastoralkonzept für die achtziger Jahre auf lartge Sicht Änderungen herbeiführen zu können. Der Anfang ist gemacht, die „Bürgerinitiative im Volke Gottes“, das „Symposion Großstadt - Christsein in Wien“, ist in vollem Gange.
In der ersten Phase, die im November 1977 mit einer Sondernummer der Wiener Vikariatszeitschrift „Kirche in Wien“ gestartet wurde, ging es um ein Hineinhorchen in die einzelnen Wiener Pfarren. 4000 Exemplare dieser Nummer, die einen zweigeteilten Fragebogen enthielt, wurden ausgeschickt, 2000 Exemplare mußten noch nachgedruckt werden. Das Echo darauf war überraschend groß. Uber 600 Antworten trafen ein, wobei hinter vielen nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Gruppen (Pfarrgemeinderäte, Laienorganisationen) stehen. Besonders erfreut zeigte man sich im Vikariat Wien-Stadt darüber, daß immerhin 57 Schreiber auch zum zweiten Teil der Umfrage ausführlich Stellung nahmen, deren erster Teil sich auf Fragen über die Fernstehenden und die Erfahrungen mit dem Pfarrgemeinderat beschränkte und verschiedene Antworten zum Ankreuzen anbot.
Was die große Zahl der Fernstehenden betrifft, so werden als Ursachen
dafür in erster Linie der „Wohlstand“, der „Zeitgeist“, die „Konsum-Mentalität“ und - mit einigem Abstand - der „Kirchenbeitrag“ genannt, kaum Bedeutung messen die Befragten in diesem Zusammenhang der politischen Haltung der Kirche, der „Enttäuschung darüber, daß das Konzil nicht mehr erreicht hat“ oder der „Haltung der Kirche zur Abtreibung“ zu. Der Pfarrgemeinderat wird allgemein als „äußerst wichtig“ empfunden, auch ist den meisten „völlig klar, was der Pfarrgemeinderat will“, die Stellung des Pfarrers zum Pfarrgemeinderat wird selten neutral, sondern entweder „sehr positiv“ oder - etwas weniger oft
- „sehr negativ“ beurteilt.
Die Person des Pfarrers, mag er nun
- dem Pfarrgemeinderat gegenüber aufgeschlossen - als Animator oder Koordinator positiv wirken oder-vielleicht aus Resignation - Initiativen verhindern, prägt jedenfalls nach wie vor das Gesicht einer Pfarre am nachhaltigsten. Der Pfarrgemeinderat konnte immerhin das „Pfarrbewußtsein“ fordern, zur besseren Bewältigung von Senioren-, Kinder- und Jugendarbeit und der organisatorischen und finanziellen Fragen beitragen. Schwierigkeiten gibt es noch bei der Kooperation mit dem Priester, mit anderen Pfarrgemeinden und zwischen den einzelnen Arbeitskreisen, bei Fragen der religiös-spirituellen Vertiefung, des Seelsorgekonzeptes und der Sorge um die Fernstehenden. Zu letzterem Problem kam eine Antwort in Form der Frage, welche Fernstehenden gemeint seien, „die, die nicht
kommen, die, die manchmal kommen, oder die, die jeden Sonntag kommen?“
Mitarbeiter - im allgemeinen sind es 40 bis 70 pro Pfarre, in Einzelfällen sogar 300 - lassen sich am besten durch persönliche Ansprache und persönliches Beispiel gewinnen. Vom Vikariat erwartet man sich vor allem gute Bildungsangebote und hofft auf mehr Priester, die für die Probleme der Großstadtseelsorge besser gerüstet sind als jetzt. Der geringe Stellenwert der Kirche in der Großstadt wird - vom Priesterproblem abgesehen - auf die Größe der Pfarren, die Mobilität der Bevölkerung, die Verlagerung der Wohnviertel an den Stadtrand und das gelegentlich spürbare Konkurrenzdenken zwischen einzelnen Pfarren zurückgeführt.
Derzeit läuft im Rahmen des Symposions rjeben der vollständigen Auswertung aller Antworten eine bereits begonnene Serie von Gesprächen im Bildungshaus Neuwaldegg - mit prominenten Wien-Kennern aus Politik (Busek), Wissenschaft (Strotzka) und Kultur (Weigel). Das eigentliche „Symposion Großstadt“ wird erst um die Jahreswende stattfinden. Dabei sind Referate eines Historikers, eines Soziologen, eines Psychologen und eines Pastoraltheologen vorgesehen, Erfahrungsberichte von Gästen aus anderen europäischen Großstädten und Arbeitskreise zu bestimmten Problemen. Nach dieser zweiten Phase der gesamten Aktion soll - mit offenem Ende - die dritte beginnen: die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse in die seelsorgliche Praxis.
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