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Katholiken nach dem 6. März

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Die „Furche” hat bereits ausführlich das Wahlergebnis vom 6. März kommentiert und dieses Ergebnis vom Standpunkt des Katholiken behandelt. Was in dieser neuen Situation aber noch interessanter erscheint, ist — vor allem für die jungen Katholiken in unserem Land — die Frage, wie es weitergehen soll.

Die sogenannten „3 P”

Die katholischen Laien haben im vergangenen Wahlkampf erstmals etwas völlig Neues getan: sie haben als einzelne, in eigener Verantwortung und ohne Berufung auf die Kirche, die Katholiken zur Wahlabgabe für diese oder jene Partei aufgerufen. Während die sozialistischen Katholiken im Wahlkampf praktisch überhaupt nicht aufgetreten sind, hat das „Wahlkomitee österreichischer Katholiken” für die ÖVP geworben. In einer Aussendung des Wahlkomitees hieß es:

„Wir wählen die ÖVP und empfehlen allen Katholiken in Österreich, die ÖVP zu wählen, nicht weil sie eine katholische Partei ist und weil sie eine christliche Politik macht, sondern weil wir auf Grund ihres Programms, ihrer Männer und ihrer Praxis überzeugt sein können, daß sie eine gute Politik macht. Wir empfehlen die ÖVP den Katholiken, weil in ihr katholische Männer wirken und die Chance haben, christliche Grundsätze anzuwenden und christliche Gedanken zu verwirklichen.”

Diese Laieninitiative berief sich also auf die sogenannten „3 P”, die zur Beurteilung einer politischen Partei für den Katholiken notwendig sind, nämlich „Programm, Praxis, Personen”. Das „Wahlkomitee österreichischer Katholiken” konnte auf prominente Namen hdnweisen.

Laienverantwortung in den Parteien

Zurück zur Ausgangsstellung: Wie soll es weitergehen?

Das Konzil hat in seinem Dekret über das „Apostolat der Laien”, das ( in der letzten Sitzungsperiode verkündet wurde, einen ganzen Katalog ,von Verpflichtungen für den Katholiken als einzelnen wie auch für die Organisationen, Gliederungen und Vereinigungen aufgestellt.

Daß es nicht allein Aufgabe der Kirche ist, im seelsorglichen Raum allein wirksam zu werden, ist heute auch bei theologisch ungebildeten Laien bekannt. Das Konzil räumt aber erstmalig einer zweiten Aufgabe dieselbe Stellung ein. Es sagt: „Das Erlösungswerk Christi geht an sich auf das Heil des Menschen, es umfaßt aber auch die Ausrichtung der gesamten zeitlichen Ordnung. Darum besteht die Sendung der Kirche nicht nur darin, die Botschaft und Gnade Christi den Menschen nahezubringen, sondern auch darin, die Ordnung der zeitlichen Dinge mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen und zu vervollkommnen (2. Kap., 5).”

Diese klaren Worte des Konzils sind um so klärender, weil sich gerade in der letzten Zeit, vor allem in gewissen Kreisen der jüngeren Katholiken, eine weitverzweigte „Politikmüdigkeit” bemerkbar gemacht hat. Schließlich und endlich tut es unserer staatlichen Gemeinschaft nur gut, wenn die Katholiken die „Ausrichtung der zeitlichen Ordnung” wieder stärker als die gerade ihnen zukommende Verpflichtung ansehen.

Freilich hat das Konzil sowohl in der Konstitution über „die Kirche in der Welt von heute” als auch im Dekret über das „Apostolat der Laien” nur Richtlinien dafür gegeben, wie in der Praxis die Beziehung des katholischen Laien zur staatlichen Gemeinschaft aussehen kann. Wie die Haltung — in concreto — der österreichischen Laien zur „Ausrichtung der zeitlichen Ordnung” erfolgen muß, hat weder das Konzil noch die Kirche in Österreich ausgesagt. Denn es ist, so sagt das Konzil, nur die Aufgabe der Hirten, „die Grundsätze über das Ziel der Schöpfung und den Gebrauch der Welt klar zu verkünden …, damit die Ordnung der zeitlichen Dinge auf Christus ausgerichtet werde.

Die Laien aber müssen die Ausrichtung der zeitlichen Ordnung als die gerade ihnen zukommende Aufgabe auf sich nehmen und dabei unmittelbar und entschieden handeln; sie sollen als Bürger mit ihren Mitbürgern, aus ihrer spezifischen Sachkenntnis heraus und in eigener Verantwortung Zusammenarbeiten. Dieses Handeln wird durch Zeit, Ort und Macht verschieden sein.

Und wie steht es darum in Österreich nach dem 6. März?

• Man kann guten Gewissens sagen, daß der überwiegende Teil der praktizierenden Katholiken Österreichs im Lager der ÖVP steht. Programm, Praxis und Personen in dieser Partei haben bisher für den überwiegenden Teil der bewußten Katholiken unseres Landes als Grundlage für ihren politischen Heimatschein entsprochen. Freilich haben sich Tendenzen in der ÖVP gezeigt, die im Einzelfall nicht immer ganz entsprechen konnten.

Aus diesem Grund werden vor allem die in der ÖVP bereits mitarbeitenden praktizierenden Laien zu einer Verstärkung ihrer Arbeit finden müssen. Sie sollen nicht „kle- rikalisieren” oder Sachfragen „kon- fessionalisieren”, denn das Konzil spricht ausdrücklich davon, daß die politische Ordnung „aus spezifischer Sachkenntnis” heraus zu gestalten ist. Aber auch alle jene Laien, die ihrer staatsbürgerlichen Pflicht mit einem Stimmzettel für die ÖVP nachgekommen sind, werden sich zu einem verstärkten Engagement bereitfinden müssen. Dies gilt ganz vor allem für die jüngere Generation, die wohl diesmal in der ÖVP noch nicht zum Zuge gekommen ist, die aber doch die nächsten Jahrzehnte der österreichischen Innenpolitik beherrschen wird. Gerade deshalb sollten die katholischen Jugendverbände ein Umdenken zeitgerecht einleiten, weil es keine Konkurrenz męhr zynischen der Aktivität des einzelnen im katholischen Jugendverband und ip einer politischen Bewegung geben sollte.

• Der so vielversprechend begonnene „pluralistische Weg des Sozialismus” der Zeit des Parteiprogramms von 1958 hat einen Still-1 stand erfahren. Damals empfahl Dr. Zechmeister seinen katholischen Genossen in der SPÖ: „Bekennen Sie sich in der Partei als Katholik und in der Kirche, in der Pfarre, in den kirchlichen Organisationen als Sozialist. Bilden Sie Gemeinschaften von Gleichgesinnten.” (A. Zechmeister, „Kirche und pluralistischer Sozialismus in Österreich”, Wien 1961.)

War schon die Tätigkeit der „Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Katholiken” immer deshalb umstritten, weil diese „Vereinigung” nicht ihre primäre Aufgabe darin sah, die SPÖ katholisch zu machen, sondern vielmehr die Aufgabe verfolgte, die Katholiken zur SPÖ zu bringen, gewannen neuerdings die Dogmatiker, Marxisten und Freidenker Einfluß und lehnten jede „Aufweichung” — wie sie es nannten — ab. Der Sozialismus in Österreich ist vor dem 6. März wieder eine „Weltanschauung” geworden, die er nach dem Parteiprogramm von 1958 nicht mehr sein wollte.

Die Katholiken Österreichs können nur hoffen, daß das Wahlergebnis vom 6. März eine neue SPÖ erkennbar machen wird, die nur eine politische Bewegung sein will, deren Aufgabe in der Lösung der Probleme unseres Landes und seiner Menschen liegt. Das freilich schließt unmißverständlich mit ein, daß in der SPÖ ein klarer Trennungsstrich zur KPÖ — deutlich sichtbar und auch praxisnah —i gezogen wird. Denn die österreichischen Kommunisten haben, zum Unterschied zu Kommunisten in anderen Ländern, weder Legitimation noch Chance, ein konstruktives Brückenglied zu einer mit Vernunft gezielten Annäherung von Christentum und Kommunismus zu bilden.

Neue Aufgaben — neue Wege

Die nächsten Jahre werden aber auch für die katholischen Laien in Österreich eine Zeit der Ruhe darstellen. Sie werden deshalb eine „Frontbegradigung”, die notwendiger denn je erscheint, leichter ermöglichen. Denn unsere Zeit ist reif dafür, daß wir nicht nur mit Atheisten, Fernstehenden, Andersgläubigen und mit den übrigen christlichen Konfessionen das Gespräch führen, sondern auch mit den Katholiken im eigenen Land. Da haben wir die Fronten der „Links- und „Rechtskatholiken”, der „Katholischen Aktion”, der „Aktion der Katholiken”, der „Politischen Katholiken” und der „Katholiken der Seelsorger”. Diese so vielfältigen Formen wären ja an sich begrüßenswert, haben aber zu Fehden in der Vergangenheit geführt, die weder nützlich noch richtig waren.

Es scheint daher zweckmäßig, einen kleinen Katalog von Notwendigkeiten für das so vielfältige „katholische Lager” aufzustellen.

• Schaffung eines „Forums der Begegnung” in Österreich, das die intellektuelle Pluralität der Katholiken Österreichs zusammenfaßt; dieses Forum sollte die Nutzanwendung der so vielseitigen und umfassenden Äußerungen des Konzils zum Thema unserer Hauptdiskussion der nächsten Jahre erheben. Die geistige Verarbeitung des Konzils wird ja nicht allein durch die institutioneile Fixierung der zu erwartenden Diö- zesansynoden bewältigt, sondern braucht das möglichst breite und umfassende Gespräch.

• Mitarbeit der Katholiken Österreichs an den zu erwartenden staats- politischęn Problemen der kommenden Jahre: Ausgestaltung und Sicherung unserer Rechtsordnung, Auf- und Ausbau der kulturellen, wissenschaftlichen und pädagogischen Potenz unseres Landes in einer immer deutlicher vertechnisiert werdenden Welt, Sorge um den Ausbau einer guten Gesundheitspolitik in unserem Lande (die Gesundheit ist und bleibt nun einmal das höchste Gut der menschlichen Natur), das zu bewältigende Wirtschaftswachstum und die damit zusammenhängende soziale Problematik und schließlich die Hebung und Verstärkung des Ansehens unseres Landes in der Welt auf Grund seiner Brük- kenfunktion zwischen West und Ost. Außerdem wird die Lösung der Wohnungsfrage, die auch für den gläubigen Katholiken keine Frage untergeordneter Relevanz bildet, die forcierte Mitarbeit erfordern. Und nicht zuletzt sei auch noch auf das Thema „Massenmedien” verwiesen, auf deren Bedeutung das Konzil hinwies und das von vielen Katholiken noch immer nicht in seiner ganzen Bedeutung erfaßt ist. So sind Hörfunk und Fernsehen nicht Bereiche, in denen wir uns mit der Übertragung von heiligen Messen oder der Kurzpredigt eines Geistlichen zufriedengeben dürfen.

• Abbau der Konfliktstoffe im organisatorischen Feld der Katholiken. Obwohl das Konzil im Dekret über das Laienapostolat die katholischen Vereinigungen gleichberechtigt neben die KA stellt, muß noch viel Mißtrauen und Kleinlichkeit überwunden werden. Es muß daher unsere Aufgabe sein, in den nächsten Jahren auch in diesem Bereich zusammenzurücken. Heißt es doch: „Um den Geist der Einheit zu fördern, im ganzen Apostolat der Kirche die brüderliche Liebe aufleuchten zu lassen, die gemeinsamen Ziele zu erreichen und verderbliche Eifersüchteleien zu vermeiden, ist die gegenseitige Hochschätzung aller Formen des Apostolates in der Kirche und — unter Wahrung der Eigenheit einer jeden einzelnen — ihre angemessene Koordinierung erforderlich.”

Die zunehmende Verantwortung der Laien in unserer Kirche läßt es geboten erscheinen, nicht auf das Wort einer Bischofskonferenz zu warten. Anliegen der Katholiken brauchen die Aktivität des Laien. Österreich nach dem 6. März wird dafür ein Entscheidungsfeld sein.

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