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Nochmals „Ärgernis Nenning”

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Die Nummer 1 (Neujahrsnummer 1966) Ihrer Wochenschrift enthäll einen Beitrag „Katholische Kirche und SPÖ” Anton Krenns, der von katholischer Seite eine Ergänzung erfordert.

Zu dem richtigen Hinweis satz, daß „in jedem Land das Verhältnis SP und katholische Kirche anders gelagert” sei, ist erläuternd zu sagen, daß zum Beispiel der holländische oder der englische Sozialismus völlig anders sind als der österreichische, weswegen gegen diese beiden Sozialismen von katholischer Seite keine Bedenken bestehen. Übrigens ein Beweis dafür, daß „die katholische Kirche” „den” Sozialismus nicht bekämpft. In Holland ist es eine Selbstverständlichkeit, daß gläubige Katholiken Mandatare der Holländischen Arbeiterpartei sind und Ansprüche der Kirche durchbringen. Im Parteiprogramm der Holländischen Arbeiterpartei ist ausdrücklich festgelegt, daß die Religion auch politische Aufgaben hat. Historischer Materialismus und Klassenkampf sind von den holländischen Sozialisten über Bord geworfen worden. Sie haben sich aus den festgefahren- nen Spuren des Marxismus und Antiklerikalismus nicht nur theoretisch befreit, sondern auch in der praktischen Politik, was man vom österreichischen Sozialismus nicht immer sagen kann. Wohl anerkennt dieser neuestens auch, daß religiöse Überzeugung kein „Hindernis” für die Mitarbeit in der Sozialistischen Partei sein kann, wozu aber zu sagen ist, daß nicht nur für die Christen, sondern auch für die Sozialisten das Wort der Schrift Geltung hat: „An den Früchten werdet ihr sie erkennen.” Eine ganz allgemeine Formulierung ohne nähere Angabe, wie man konkret zur Religion steht, von Rechten oder Forderungen der Religion ganz zu schweigen, soll dem christlich denkenden Menschen die Zugehörigkeit zur SP ermöglichen und alle Befürchtungen aus der Vergangenheit verstummen machen. Im Kulturprogramm der SPÖ ist kein Wort von Religion enthalten, geschweige denn von katholischer Religion, die doch auch ln Österreich wie anderswo weitgehend die Trägerin der Kultur ist, auch wenn sich ihre eigentliche Aufgabe damit nicht erschöpft.

Es fehlt etwas

Im Programm des österreichischen Sozialismus vermißt man auch eine deutliche und offene Stellungnahme zum Kommunismus, welche Tatsache weitgehende Schlüsse zuläßt.

Wo bleibt trotz verbriefter Toleranz gegenüber der Religion im Parteiprogramm der Sozialistischen Partei die Zustimmung zu verschiedenen gerechten Forderungen der Kirche gegenüber dem Staat zum Beispiel in Sachen Ehe und Geburtenregelung? Es ist bezeichnend, daß auch die im österreichischen Sozialismus tätigen Katholiken diesen Forderungen verständnislos gegenüberstehen. Es ist jedenfalls eines katholischen Landes unwürdig, daß kirchlich geschlossene Ehen ohne staatliche Rechtsfolgen bleiben.

Anton Krenn gibt dann zu, daß Leo XIII. in seiner Sozialenzyklika „Rerum novarum” zur schlechten Lage der Arbeiter Stellung nahm und Lösungen für die soziale Frage Dracnie. uieicnzeiug aoer wirrt e: ; der Kirche vor, eine erklärte Fein i din der Sozialdemokratie zu sein i Herr Krenn müßte aber als ehemali : ger Theologe wissen, mit weichet Mitteln der Sozialismus früher geger i die Kirche zu Felde zog. Er müßte auch wissen, daß in der Sozialdemo- kratie zwar dem Arbeiter der Plat; an der Sonne erkämpft wurde, diese • aber demselben Arbeiter sein Ewiges Heil zu vermauern bestrebt war Herr Krenn müßte, wenn er von der im Herrenhaus sitzenden Bischöfer spricht, wissen, daß es auch einer Bischof Ketteier gegeben hat unc katholische Sozialreformer wie Vogelsang und Orei, die sich um die Lösung der sozialen Frage mühten Mit 21 Jahren legte Wilhelrr Emmanuel Freiherr von Kettelei zwar das juristische Examen ab, gal aber dann eine glänzende Beamtenlaufbahn auf, um sich dem Studiurr der Theologie zu widmen. 1948 hieli Ketteier im Frankfurter Parlameni eine aufsehenerregende Rede übet die Not der Arbeiterklasse und verlangte in flammenden Worten energische gesetzliche Mittel zu ihrer Änderung. Schon während des Theologiestudiums beschäftigte er sich mit der sozialen Frage in ihrem Zusammenhang mit der Neuordnung der Gesellschaft.

Gleich vielen anderen Katholiken mühte er sich später um die Recht der Arbeiter, um die Abschaffung der Kinder- und Frauenarbeit, um Arbeitszeitverkürzung, Lohnerhöhung, Wohnungsfürsorge, Invaliden- und Krankenversicherung. All dieses forderte Ketteier in einer Zeit, in der Marx die Gesellschaft auf den Kopf zu stellen versuchte und das Bürgertum vor der sozialen Frage die Augen verschloß. Ketteier rief nicht nur die Arbeitgeber auf, sich ihrer Verantwortung dem Arbeiter gegenüber bewußt zu sein, sondern bat auch die Arbeiter, ihre Forderungen nicht zu übertreiben und in einen blinden Radikalismus zu verfallen.

Klare Unterscheidung

Herr Krenn berührt auch das Thema „Katholische Aktion und Politik” und will die Katholische Aktion von jeder politischen Beeinflussung gewahrt wissen. Hiezu ist zu sagen, daß zwar Tagespolitik niemals Gegenstand der Katholischen Aktion sein kann, wohl aber Politik, soweit es sich um Verchristli- chung der Institutionen handelt. Es kann zum Beispiel der KA, aber auch den Bischöfen nicht gleichgültig sein, wer die Geschicke des Staates lenkt. Kardinal König hat In seiner vieldiskutierten und viel miß- • verstandenen Rede am Christl-Him- . melfahrts-Tag 1965 in Krems dies deutlich ausgesprochen. Sowohl die . Bischöfe als auch die KA haben neu- . erdings zu politischer Duldung und ! Fairneß aufgerufen, niemals aber zu . politischer Abstinenz, auch niemals . zur Abstinenz vor der Mitarbeit in ; einer von Forderungen des Christentums aufgeschlossenen Partei. Dies muß einmal klar und deutlich ausgesprochen werden.

Man gestatte mir hier ein offenes Wort: Die Katholische Aktion ist kein Ableger der ÖVP, aber die Katholiken, die mit offenen Augen durch die Zeit gehen, wissen, daß es in Österreich nur eine Partei gibt, welche die Interessen der Kirche wahrnimmt. In keiner anderen Partei schöpfen so viele Menschen ihre Überzeugung aus der Religion.

Und Kirche ist auch dort, wo sich Laien in christlicher Verantwortung für das öffentliche Wohl mühen. Noch nie hat es in Österreich ein Kabinett gegeben, in dem so viele katholische Minister in der Regierung saßen als heute. Nennen Sie mir, Herr Krenn, einen einzigen Minister von der anderen Seite, der erklärter Katholik ist! Das will nicht sagen, daß es in der ÖVP nicht auch Menschen gibt, die nicht aus christlicher Überzeugung in ihr tätig sind. Daß die Katholiken in der Sozialistischen Partei nichts zu reden haben, bewies kein Geringerer als der ehemalige Justizminister und nunmehrige Landeshauptmannstellvertreter von Niederösterreich, Dr. Tschadek, der sagte, er habe es satt, immer als Sozialist zweiter Güte behandelt zu werden, nur weil er Katholik sei.

Herr Krenn fürchtet, daß in katholischen Männerrunden politische Dinge zur Sprache kommen könnten und dies nicht in der Tendenz der Kirche läge. Vielleicht weiß Herr Krenn, daß die Kirche nicht nur aus den Priestern besteht, die sich in Österreich von der Politik zurückgezogen haben, sondern auch aus Laien, die einen politischen Auftrag in der Welt haben. Wir kennen nur zu gut diejenigen, die die Kirche auf die Sakristei zurückdrängen wollen, um sie an die Kette zu legen.

Zum Schluß möchten wir Herrn Krenn jenes Wort zurufen, mit dem er seinen Beitrag geschlossen hat. „Wie wäre es, wenn wir Gott geben würden, was Gottes ist, und dem Staat, was des Staates ist.” Möge Herr Krenn dieses Wort auch seinen sozialistischen Freunden zurückgeben.

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