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„Alte Probleme“ werden gelöst

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Das waren Männer in den Zentralen. Es war nicht überall in Österreich gleich. Es ist ja bekannt, daß der Wiener Erzbischof die Achtung der Sozialisten genießt. Dennoch ist es notwendig, diese Zeilen zu schreiben, weil klare Verhältnisse und eine geklärte Situation die Voraussetzung dieses Vertrauens sind.

Am schlimmsten war es, wie mitgeteilt wurde, in Vorarlberg, Tirol und Salzburg. Es wurde über Priester berichtet, die ihre Tätigkeit mit dem Eifer fanatischer Parteifunktionäre betrieben. Das ist außerordentlich bedauerlich. Die Priester müßten doch Kenntnis davon haben, daß man mit den Sozialisten über Probleme, die Staat und Kirche betreffen, erfolgreich reden und verhandeln kann. Die Diözese Innsbruck-Feldkirch wurde gebildet, und die sogenannte Salzburger Frage zur Zufriedenheit der Kirche gelöst, und zwar anderthalb Jahrhunderte nach der Säkularisierung. Weder in der alten Monarchie noch in der Ersten Republik war man an die Lösung dieser Probleme herangetreten, aber in der Zweiten Republik unter einem Sozialisten als Außenminister. Das mußten doch wohl auch die Geistlichen der westlichen Bundesländer gemerkt haben, und sie mußten wissen, daß Sozialisten ebenso gute Österreicher sind wie andere, die es sehr oft aussprechen, denn gerade in den schweren Oktobertagen 1950 haben die Sozialisten Ostösterreich vor dem Ansturm, der damals bedrohlich war, gerettet.

Bischof Paul Rusch kommentierte 1957 den sogenannten Sozialhirten-

brief. In einer Fußnote anerkennt er den englischen Sozialismus, der eine andere Geschichte hat als der Sozialismus des Kontinents und „christlich geöffnet“ blieb. Ein Jahr später, im Jahre 1958, beschloß die Sozialistische Partei Österreichs das Wiener Programm, in dem es heißt:

„Der Sozialismus ist eine internationale Bewegung, die keineswegs eine starre Gleichförmigkeit der Auffassung verlangt. Gleichviel, ob Sozialisten ihre Überzeugung aus den Ergebnissen marxistischer oder anders begründeter sozialer Analysen oder aus religiösen oder humanitären Grundsätzen ableiten, alle erstreben ein gemeinsames Ziel: eine Gesellschaftsordnung der sozialen Gerechtigkeit, der höheren Wohlfahrt, der Freiheit und des Weltfriedens.

Von den großen Religionsgemeinschaften erkennen insbesondere die christlichen Kirchen die Notwendigkeit von sozialen Reformen an. Sozialismus und Christentum als Religion der Nächstenliebe sind miteinander durchaus vereinbar. Zwi schen dem auf einer sittlichen Gesinnung beruhenden Sozialismus und den Religionsgemeinschaften kann es keine Konflikte geben, wenn diese es vermeiden, für die Durchsetzung konfessioneller Forderungen oder in der Auseinandersetzung mit anderen Weltanschauungen staatliche Machtmittel anzuwenden.

Sozialismus und Religion sind keine Gegensätze. Jeder religiöse Mensch kann gleichzeitig Sozialist sein.“

Das sind Grundsätze, die dem Sozialismus der Labour Party gleichen. Natürlich gibt es in einer Zeit des weltanschaulichen Pluralismus Funktionäre und Mandatare, die konfessionslos sind, als Ergebnis der Zeit, wie sie der katholische Gelehrte Marcel Redingin seinem Werk über den politischen Atheismus dargelegt hat. Jeder aber, dem das Problem Kirche und Sozialismus ein inneres Anliegen ist, weiß, wie tolerant diese Konfessionslosen sind. Wer sich ferner die Mühe nimmt, zu untersuchen, ob es unter den sozialistischen Funktionären und Mandataren Katholiken gibt, der wird staunen, wie groß die Zahl der Katholiken unter den Vertrauensleuten der SPÖ ist, die so gute Katholiken sind wie die der politisch anderen Seite, ohne ihren Katholizismus zur Schau zu stellen, um damit politisch zu werben.

Gegensätze ausgleichen

' ie soll es weitergehen? Soll der Ungeist der Ersten Republik wieder auferstehen? Die Geschichte wiederholt sich nicht. Es wird und kann keinen Kulturkampf geben, weil mit den Sozialisten unter einem sozialistischen Außenminister das Schulkonkordat mit dem Heiligen Stuhl abgeschlossen worden ist. Die Reibungsflächen, wie sie in der Ersten Republik bestanden haben, sind verschwunden. Es wird natürlich auch keine Austrittsbewegung geben, denn in der Zweiten Republik ist alles anders geworden, als es in der Ersten Republik war. Aber viele Sozialisten sind von Unwillen über das Verhalten einzelner Priester erfüllt, und aus diesem Unwillen entsteht oft eine wachsende Gleichgültigkeit gegenüber der Religion und den religiösen Werten.

Wir leben in einer Zeit, in der man sich bemüht, Gegensätze auszugleichen. Wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche mit dem Patriarchen von Konstantinopel Frieden und Freundschaft schloß, so ist dies ein Symbol der Erneuerung des Christentums. Kann man denn in einer solchen Epoche in unserem kleinen Österreich Haß und Zwietracht säen zwischen Kirche und Sozialisten?

Kontakt und Gespräche

Kardinal Dr. Franz König hat in einem Vortrag über die Bilanz des Konzils die heutige Aufgabe der katholischen Kirche so umrissen:

„Die Kirche schließt sich nicht mehr selbstgenügsam und selbstgerecht ab, wie man ihr vorgeworfen hat, sie will mit den anderen reden, mit den getrennten Christen, mit den gläubigen Nichtchristen, aber auch mit jenen, die nicht glauben, die den Glauben ablehnen, ja ihn vielleicht sogar bekämpfen. Der Katholik, so ist das weiter zu verstehen,. ist nicht bloß ein Antiprotestant, ein Antimohammedaner, ein Antibuddhist, er ist aber auch nicht bloß ein Antiatheist. Aus den

Positionen des Kampfes, des Gegensatzes, der feindlichen, rein negativen Haltung ist die Kirche in die Position des Gesprächspartners getreten, der Fragen stellt, der verstehen und helfen will. Die Welt ist für die Kirche nicht etwas Feindliches, von dem man sich isolieren, von dem man sich bewahren, das man notfalls bekämpfen soll. Die Welt, dds hat die Kirche erkannt, ist etwas Eigenständiges, vor der die Kirche nicht fliehen, die sie auch nicht überwältigen, sondern bewältigen soll mit Verständnis, mit Einfühlung, mit Hilfs- und Dienstbereitschaft.“

Der Kontakt, die Gespräche, die Kooperation sind wertvolle und echte Aufgaben, die dem Staat Nutzen bringen.

Wir vertrauen den Kräften der katholischen Kirche in Österreich, die aus der Vergangenheit gelernt haben und die sich bemühen, die Kirche, vor allem die Priester, aus dem parteipolitischen Kampfe herauszuhalten. Die Kirche hat immer nur Schaden genommen, wenn sie mit einer politischen Partei gemeinsame Sache gemacht hat. Der Kirche darf es doch niemals um äußere Macht gehen, sondern um ihren geistigen und sittlichen Einfluß.

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