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Jugend vor den Toren der Kirche

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II.

Wir wenden uns dem zweiten Aspekt unseres Themas zu: Die religiöse Situation unserer Jugend und ihre Einstellung gegenüber Kirche und Religion. Mit dem Jahre 1945 ist die aus den Katakomben der Verfolgungszeit gestiegene Kirche frei geworden; nicht nur frei von der Verfolgung, sondern frei auch von jeder staatlichen Stütze. Die Kirche in Oesterreich war bisher gewohnt, vom Kaiserhaus oder von einer Partei gestützt zu werden. Bis 1918 war es das Kaiserhaus und später die Christlichsoziale Partei, die gewissermaßen diese Verpflichtung der Kirche gegenüber aus der Kaiserzeit übernommen hatte. Die im Leid gereiften und gestärkten religiösen Widerstandskräfte hatten fast über Nacht ihre Minderwertigkeitskomplexe vergessen und regten sich allenthalben, um den geistigen Aufbau der Heimat zu beginnen. Viele Heimatlose, Heimkehrer, enttäuschte und verführte Menschen blickten da-

mals auf die Kirche wie auf ein hocherhobenes Zeichen der Hoffnung, die aufrecht und ungebrochen im Trümmerfeld des Nationalsozialismus und Materialismus, des Liberalismus und Positivismus die Blicke vieler auf sich gezogen hatte. Die Kirche hat im Jahre 1945 die Rache an den Nationalsozialisten abgelehnt, und viele Seelsorger hatten sich in selbstloser Weise der verfemten und eingesperrten Mitglieder der NSDAP - angenommen Eine'/ nicht i geringe*! A** zaHnehemaliger Nationalsozialisten und Gegner der Kirche haben in der Not und der Erschütterung des Zusammenbruches ehrlich revertiert. Dazu kam noch, daß die Kirche in Oesterreich dank auswärtiger Unterstützungen eine großzügige Caritasarbeit entfalten konnte und durch bedeutende Siedlungsprojekte hervortrat. Das alles hat zusammengewirkt, daß die vor den zertrümmerten Götzen stehende Jugend voll Erwartung auf die Kirche blickte als die einzige Macht, welche aus dem furchtbaren Krieg als Siegerin hervorgegangen war.

Bezeichnend hierfür ist das Bekenntnis eines jungen Mannes, der vor einigen Wochen in eine Diskussion über das Thema „Katholik und Sozialist“ eingriff und als ein der,Kirche Fernstehender folgendes Urteil über die Kirche abgab (vgl. „Die Furche“ vom 14. Dezember 1957):

„Ich bin katholisch getauft, und das ist vielleicht auch schon alles, was mich an den Katholizismus bindet. Dessenungeachtet aber sehe ich in der Kirche doch so etwas wie eine feste Burg, nicht zuletzt gegen die Schrittmacher des Kommunismus ... Zumindest erwies sich die Kirche als eine solche beim tatsächlichen oder auch nur scheinbaren, aber besonders für unsere Jugend nicht minder gefährlichen Zusammenbruch aller Werte im Jahre 1945. Und deshalb fühle ich mich ihr zugetan, gewissermaßen dankbar, im Namen der ganzen jungen Menschheit.“

Eine Bereitschaft und Erwartung wurde der Kirche entgegengebracht wie nie zuvor. Dieser ungeheuren Aufgabe, den in sie gesetzten Erwartungen zu entsprechen, war die noch etwas verwirrte und zaghafte Kirche in Oesterreich nicht ganz gewachsen, dafür auch nicht gerüstet. Während viele sich der Kirche ehrlichen Herzens als gläubige Menschen anvertrauten, haben aber auch nicht wenige ihr enttäuscht wieder den Rücken gekehrt und sind fortgegangen.

Man hat es aber seitdem bei uns kaum gewagt, Religion und kirchliches Bekenntnis offen anzugreifen. Theologiestudenten und Priester haben als Soldaten, als Kriegsgefangene und KZ-Kameraden, als Arbeitskameraden beim Aufräumen des Schuttes durch menschlichen Kontakt viele Vorurteile beseitigen können; in ihnen hat sich die Kirche oft handgreiflich als Helferin und Trösterin erweisen können.

Mit der wirtschaftlichen Erstarkung der letzten Jahre trat allerdings iuch der abend-

* Vgl. „Die Furche“, Nr. r, 1. Februar 1958.

ländische Säkularisierungsprozeß bei uns wieder stärker in Erscheinung. „Es geht uns heute bereits wieder zu gut“, hört man oft sagen. Ich glaube aber, darauf hinweisen zu dürfen, daß das Jahr 1945 einen tiefgreifenden Einschnitt in die Geschichte der österreichischen Kirche bedeutet. Der gesamtösterreichische Katholikentag des Jahres 1952 hat in überzeugender Weise gezeigt, daß neue Kräfte einer religiösen Erneuerung von der jungen Generation getragen werden. Manches, was in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg gesät wurde, scheint jetzt Früchte zu tragen. Die Bibel, die Volksliturgische Bewegung des Pius Parsch von Klosterneuburg, die Anregungen, die vom Wiener Seelsorgeinstitut ausgegangen sind, das theologische Laienjahr, die konzentrierte Arbeit der Katholischen Aktion und das Wiedererstarken katholischer Verbände haben zu einer Stärkung des Kirchenbewußtseins, des Apostolatsgedankens und der christlichen Verantwortung, vor allem auch in der jungen Generation, geführt.

Zunächst wenig beachtet, aber um so wichtiger, ist die an den Universitäten und Hochschulen eingetretene Wandlung. Der politische Zusammenbruch des Jahres 1945 hat den bisher vorherrschenden militanten Nationalliberalismus auf akademischem Boden tief getroffen und zum erstenmal den jungen katholischen Assistenten und Dozenten den Weg frei gemacht zu Lehrstühlen, von denen bisher gläubige und praktizierende Katholiken ausgeschlossen waren. An der juristischen Fakultät der Wiener Universität sind heute wenigstens 75 Prozent der Professoren praktizierende Katholiken. An der philosophischen Fakultät lehrt heute niemand offiziell einen Atheismus oder Marxismus. Die sogenannte Hochschulmission in Wien im Herbst 1945, ein erster Versuch in diesem Ausmaß, brachte einen überaus guten Erfolg und eine sehr große Beteiligung. Die Hochschulseelsorge konnte gegenüber der Zeit vor dem Weltkrieg bedeutend erweitert und ausgebaut werden. Der

katholisch orientierte „Wahlblock österreichischer Akademiker“ konnte in den vergangenen Jahren bei den Hochschulwahlen etwa 70 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Bei den letzten Hochschulwahlen ist allerdings der „Ring freiheitlicher Studenten“, zu dem die schlagenden Verbindungen getreten sind, wieder stärker hervorgetreten.

An den allgemeinen Mittelschulen, die für die Hochschulen vorbereiten, sowie an den sogenannten berufsbildenden Mittelschulen wird von Priestern oder von Laien mit eigener katechetischer Ausbildung und Missio canonica zweimal wöchentlich je eine Stunde Religionsunterricht erteilt. Es besteht aber die Möglichkeit, sich vom Religionsunterricht abzumelden. Es ist eine erfreuliche Tatsache, daß sich an diesen Schulen in ganz Oesterreich nur ungefähr ein Prozent der jungen Katholiken abgemeldet hat.

Eine zweite erfreuliche Tatsache ist das Eindringen der Katholischen Arbeiterjugend in die

der Kirche fernstehende Arbeiterschaft. Im Jahre 1954, am 1. Mai, hat sich die nach 1945 gegründete Katholische Arbeiterjugend zum erstenmal im Wallfahrtsort Mariazell versammelt. Man zählte damals 6500 junge Arbeiter als Teilnehmer. Das war für Oesterreich ein großes Ereignis und ein denkwürdiger Tag. Diese jungen Menschen mußten damals viele persönliche Opfer und 'Strapazen auf sich nehmen; aber sie hatten damit den Beweis erbracht, daß die scharfe, einst antikirchliche und antireligiöse Einstellung eines Großteils der österreichischen Arbeiterschaft nach 1945 nicht mehr aufleben wird. Seit dieser Zeit ist es in den Pfarren der Industriegebiete zum erstenmal möglich geworden, daß Jugendseelsorger auch junge Leute aus kirchlich fernstehenden sozialistischen Kreisen betreuen konnten. In dem schon zitierten „Furche“-Aufsatz „Die Jugend zeigt ihr Gesicht“ meint ein junger Mann des Jahrganges 1936:

„Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, wie junge Leute am Altar ministrieren! Bei Eurer Generation hat man das den SechS- bis Zehnjährigen überlassen. Und um die Kommunionbank sammeln sich Mädchen und Burschen, die erfüllt sind von ■ einem neuen Ideal: dem Ideal des christlichen Arbeiters. Eine Bewegung ist im Gange — die Kirche, die in früheren Generationen von alten ,Weiblein' gefüllt war, wird Zentrum einer riesigen Jugendbewegung.“

Soweit man die Einstellung gegenüber den religiösen Pflichten, der Sonntagsmesse zum Beispiel — die österreichische Jugend ist ja fast 90 Prozent katholisch —, einer Kontrolle unterziehen kann, so ist eine Untersuchung interessant, die vom „Oesterreichischen Institut für Markt- und Meinungsforschung“ (Dr. Walter Fessel) vor etwa zwei Jahren über die österreichische Jugend angestellt wurde. Man stellte dabei unter anderem die Testfrage: „Wann haben Sie das letzte Mal eine Messe in einer Kirche gehört?“ Auf diese Frage haben 49 Pro-

zent der Jugendlichen zwischen 16 und 26 Jahren geantwortet: „Am letzten Sonntag.“ 17 Prozent gaben zur Antwort, daß sie vor zwei oder drei Wochen eine Messe besucht hätten. 12 Prozent erklärten, daß sie diese Frage nicht beantworten wollten. Von den 49 Prozent, die am letzten Sonntag eine Messe besucht haben, gaben 64 Prozent an, politisch der Oesterreichischen Volkspartei anzugehören und 20 Prozent bekannten sich zur Sozialistischen Partei. — Zusammenfassend ergibt das also, daß fast 70 Prozent der Jugend zwischen 16 und 26 Jahren regelmäßig oder wenigstens öfter an Sonntagen die Kirche besuchen.

Alles in allem dürfen wir sagen, daß die große Verfolgung von außen, der die österreichische Kirche durch den Nationalsozialismus ausgesetzt war, auf weite Sicht zum Segen geworden ist. Die Anfeindungen durch den ungläubigen Liberalismus und atheistischen Materialismus in der Presse und Literatur sind bis heute stark zurückgedrängt. Damit ist in d r

öffentlichen Meinung noch immer ein deutlich erkennbarer Respekt der Kirche gegenüber vorherrschend. Das verhindert allerdings nicht, daß sich bei steigendem Wohlstand ein religiöser Indifferentismus auch in der jüngeren Generation breitmacht. Als Positivum dürfen wir für die junge Generation nach dem Kriege buchen, daß sie in den Hochschulen keinem kirchenfeindlichen Geist begegnet (viele Professoren sind gläubige und praktizierende Katholiken); durch eine gute seelsorgliche Betreuung an Mittelschulen und Hochschulen ist eine gute Verbindung zur Kirche hergestellt. Eine starke katholische Jugend mit mehr Selbstvertrauen hat die Aufgabe des Laienapostolates erfaßt. Zu schönen Hoffnungen berechtigt die junge Arbeiterbewegung in den Kreisen der Arbeiterschaft selber. Der offensive Geist der organisierten katholischen Jugend läßt -uns immer noch optimistisch sein.

Schließlich will ich versuchen, das Eingreifen der Kirche, der Kirchenführung in die Jugend durch eigene Jugendorganisationen kurz darzustellen. Abgesehen von einer individuellen und standesgemäßen Seelsorge greift die Kirche durch kirchlich geführte Jugendorganisationen in starkem Ausmaß in das Leben der jungen Generation ein. Bevor ich auf die Jugendführung der Kirche oder die kirchlichen Jugendverbände zu sprechen komme, möchte ich einen kurzen Ueberblick geben über die in Oesterreich vorhandenen Jugendorganisationen in politischer und weltanschaulicher Hinsicht. Ich beginne mit dem Bundesjugendring. Im Herbst 1953 haben sich alle in Oesterreich existierenden Jugendverbände und Jugendorganisationen zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen unter dem Namen „Oesterreichischer Bundesjugendring“. Dieser umfaßt alle kirchlichen, alle politischen und gewerkschaftlichen Verbände, soweit sie gesamtösterreichisch sind. Der kommunistischen Jugend wurde, wie schon gesagt, die Aufnahme in den Bundesjugendring verweigert. Der Jugendring formuliert sein Arbeitsprogramm folgendermaßen:

„Wir wollen im Interesse aller jungen Menschen zusammenarbeiten. Trotz aller sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, politischen und weltanschaulichen Gegensätze verbindet uns ein großes ge-

meinsames Anliegen: das Wohlergehen der gesamten österreichischen Jugend. Wir wollen einander verstehen, miteinander der jungen Generation ein weithin hörbares Sprachrohr sein. Demokratie ist Diskussion, Demokratie ist Toleranz — das sind die obersten Leitsätze unserer Arbeit. Wir werden einander nicht Meinungen aufzwingen; aber es gibt so viel, was alle jungen Menschen angeht und was von noch so unterschiedlichen Jugendorganisationen zusammen viel besser als neben- oder gar gegeneinander erreicht werden kann.“

Die Vorbereitungen für die Gründung des Jugendringes werden von der katholischen und sozialistischen Jugend gemeinsam gemacht. Der Vorsitz wurde bei der Gründung dem Bundessekretär der Katholischen Jugend übertragen. Heute hat die Stelle eines Vorsitzenden im Bundesjugendring ein katholischer Pfadfinder

lnne. Im Bundesjugendring sind 35 Prozent der Jugend zwischen 14 und 18 Jahren erfaßt. Im Jahre 1956 wurde dem Jugendring ein Jugendforum angegliedert, das heute etwas mehr als 40 Verbände umfaßt. Es sind dies Sport- und Buchgemeinschaften, verschiedene kulturelle Organisationen, in denen Jugend mitarbeitet, die aber nicht ausschließlich von der Jugend für die Jugend geführt werden.

Die österreichischen Jugendorganisationen zerfallen praktisch in zwei große Gruppen: die kirchlich organisierte Jugend und die politisch ausgerichtete Jugend. Die politisch organisierte Jugend gliedert sich entsprechend dem de facto Zweiparteiensystem in zwei Gruppen: in die Sozialistische Jugend und in die Jugend der Volkspartei. Die kommunistische Jugend, die durch den Abzug der russischen Besatzung ihre große Stütze verloren hat, existiert nur in kleinen Gruppen in den größeren Städten. Ebenso gibt es kaum eine organisierte nationalliberale Jugend, wenn wir von den wiederaufkommenden schlagenden Verbindungen auf der Hochschule und in den Mittelschulen absehen. Durch den Zusammenbruch des Nationalliberalismus hat die nationale Jugend ihre zugkräftigen Schlagworte und ein großes Ziel verloren.

Zu den rechtsgerichteten politischen Jugendverbänden im engeren Sinn zählt auf der Seite der Oesterreichischen Volkspartei die „Oester-

reichische Jugendbewegung“, die für Katholiken und Protestanten offen ist und die Nachwuchsorganisation für die OeVP bildet. Sie ist nach 1945 gegründet worden und besitzt keine Parallelorganisation in der Zeit vor 1934. Auf der linken Seite steht die Sozialistische Jugend, die sowohl organisatorisch wie politisch und weltanschaulich an die Zeit vor 1938 bzw. 1934 anknüpft. Kürzlich hat mir ein Führer der Katholischen Jugend mitgeteilt, daß die höhere Führung der Sozialistischen Jugend ausnahmslos aus der Kirche ausgetreten, das heißt konfessionslos ist. Es ist hier insofern eine Wendung eingetreten, als die Sozialistische Jugend seit 1945 nicht mehr offen die Kirche angreift. Die Verfolgung der Kirche in Oesterreich durch den Nationalsozialismus und ihre Standhaftigkeit haben auch der jungen sozialistischen Generation Achtung abgenötigt. Die Einführung der Kirchensteuer durch Hitler gab vielen jüngeren Arbeitern Gelegenheit, zum erstenmal wieder mit dem Pfarrer in Berührung zu kommen. Aus verschiedenen anderen Gründen bemüht sich die Sozialistische Jugend, religiös toleranter zu sein. Die scharfe Frontstellung der Sozialistischen Jugend gegen den Kommunismus führte zu einem engeren Zusammenrücken mit der bürgerlichen Jugend.

Die Katholische Jugend gliedert sich in drei Zweige: KMJ (Katholische Mittelschuljugend), KAJ (Katholische Arbeiterjugend) und KLJ (Katholische Landjugend). Die Katholische Jugend ist ein Teil der organisierten gesamtösterreichischen Katholischen Aktion und untersteht damit direkt der Leitung durch die kirchliche Hierarchie. Die Katholische Jugend ist aus der — zum Teil illegalen — Jugendseelsorge während der Hitler-Zeit herausgewachsen. Der Nationalsozialismus hatte alle katholischen Jugendverbände aufgelöst und verboten. Nur in den Räumen der Kirche, der Sakristei, wurde die religiöse Unterweisung der Kinder und Jugendlichen geduldet. Von dieser Möglichkeit hat man in Oesterreich damals eifrig Gebrauch gemacht. Die so um den Seelsorger sich sammelnde Jugend wuchs bald zu einer überaus festen Gemeinschaft, die durch Treue zur Kirche und durch Opposition gegen das Dritte

Reich zusammengehalten wurde. Die Jugendorganisation war vielleicht nie so schön wie in diesen Jahren voll Gefahr im Schatten der Gestapo. Diese mutigen Gemeinschaften der damals so genannten „Pfarrjugend“ hatten bald illegal untereinander Verbindung hergestellt. An diese Form der Jugendseelsorge und an die gemeinsamen Erlebnisse derselben knüpfte die Oesterreichische Bischofskonferenz 1945 an und beschloß zunächst, eine einheitliche gesamtösterreichische Jugendorganisation mit dem offiziellen Namen „Katholische Jugend“ zu errichten. Man wollte an Stelle der früheren zahlreichen kirchlichen Jugendverbände eine einzige starke Organisation setzen. Das Leben hat sich aber nicht ganz dem Beschluß der Bischofskonferenz gefügt und im Laufe der Jahre sind wieder die traditionellen Verbände (Marianische Kongregation, Pfadfinder, MKV, Kolping usw.) neben der Katholischen Jugend entstanden.

Die Katholische Jugend arbeitet in drei verschiedenen Zweigen, von denen die Katholische Arbeiterjugend nach dem Prinzip von Kanonikus Cardijn arbeitet. Bezeichnend für den Geist der Katholischen Arbeiterjugend dürfte sein, daß sich heute zirka hundert Spätberufene auf das Pries'tertum vorbereiten. Mädchen und Burschen arbeiten in den drei Zweigen der Katholischen Jugend getrennt, und in jeder Gliederung wird wieder unterschieden zwischen Altersstufen von 14 bis 17 und 17 bis 24 Jahren. Alle Gliederungen haben für Mädchen und Burschen getrennt eigene Zeitschriften, insgesamt sind es acht. Die übrigen katholischen Jugendverbände haben wieder ihre eigenen Zeitschriften. Der organisatorische Aufbau der Katholischen Jugend folgt dem Aufbau der Kirche in Pfarre, Dekanat und Diözese. Daher gliedert sich die Katholische Jugend von unten nach oben in Pfarrgruppen, Dekanatsgemeinschaften und Diözesanverbände mit jeweils

eigener Führung. Die Laienführer werden von der Jugend gewählt und vom Bischof beziehungsweise seinem Beauftragten bestätigt. Die Jugendseelsorger werden vom Bischof direkt ernannt. Der Unterschied zu den anderen katholischen Jugendverbänden besteht darin, daß bei der Katholischen Jugend der Einfluß des Bischofs auf die Führung unmittelbar und direkt ist.

Die Bedeutung der Katholischen Jugend beruht darauf, daß sie die stärkste Jugendorganisation des Landes ist und eine große Erziehungsmacht darstellt. Hunderttausende von Jugendlichen haben im Verlauf der Jahre in den Gruppen der Katholischen Jugend in Ergänzung der Familie und der Schule Formung und Bildung erhalten. Die Gruppe verlangt viel von den einzelnen Jugendlichen an Arbeit, Opfer, Bewährung und sittlicher Haltung. Die Katholische Jugend bemüht sich, alle Bereiche des jugendlichen Lebens zu. verchristlichen und die Grundlagen zu schaffen, daß immer mehr Menschen zu echten Christen heranwachsen und daß katholisches Denken nicht nur in Familie und Gemeinschaft, sondern auch im öffentlichen Leben immer stärker zur Geltung kommt. Sie hat sich auch das Motto Pius X. zur Richtschnur genommen: „Alles durch Christus zu erneuern.“

Wir erhoffen uns auch in der Frage des Priester- und Ordensnachwuchses, der in den Jahren nach dem Kriege sehr zu Besorgnis Anlaß gegeben hat, durch die Katholische Jugend eine Besserung. Während mehrere Diözesen Oesterreichs bereits über einen guten Priesternachwuchs verfügen, ist er für die große Diözese von Wien in den vergangenen Jahren viel zu gering gewesen. Es scheint, daß jetzt doch auch für Wien der Tiefpunkt überschritten ist. Das kleine Seminar ist ganz besetzt und der erste Jahrgang im Wiener Priesterseminar weist fast wieder normale Stärke auf. Es wird allerdings noch lange dauern, bis wir die

Lücken, die durch den Krieg entstanden sind, ausgefüllt haben. Besonders erfreulich ist für Oesterreich das starke Ansteigen der sogenannten Spätberufe. Augenblicklich befindet sich ein eigenes Seminar für Spätberufene in Niederösterreich in Bau.

Abschließend möchte ich sagen, daß die junge Generation in Oesterreich einerseits wie überall der großen Gefährdung durch das Milieu (Kino, Fernsehen, Illustrierte und Plakat) ausgesetzt ist, anderseits weist sie doch klar drei positive Merkmale auf: sie ist antikommunistisch, staatsbejahend und proeuropäisch. Das gilt von der gesamten jungen Generation heute in Oesterreich. Das Ansehen der Kirche ist vor allem unter der akademischen Jugend größer als früher und es ist zum erstenmal auch in der jüngeren Arbeiterschaft im Steigen begriffen. Es gibt heute keine organisierte Jugend, durch die die Kirche offiziell bekämpft wird (abgesehen natürlich von der zahlenmäßig bedeutungslosen kommunistischen Jugend). Zu Besorgnis Anlaß geben muß allerdings der oft mit Toleranz getarnte religiöse Indifferentismus und materialistische Egoismus jener Jugend, die der Kirche ferne steht. Es könnte sein — so scheint es mir wenigstens —, daß wir in der Zukunft mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß sich antikirchliche und antiklerikale Tendenzen, die noch immer im ungläubigen Liberalismus und marxistischen Sozialismus schlummern, in jenen Kreisen festigen.

Von der Kirche aus gesehen berechtigt aber zu guten Hoffnungen die Katholische Jugend auf Grund der Tatsache, daß sie zahlenmäßig die stärkste Jugendorganisation Oesterreichs ist und daß sie sich durch eine apostolische und aktivistische Gesinnung auszeichnet. Ihr ist es nicht zuletzt zu danken, daß die Kirche in Oesterreich heute mehr in der Offensive als in, der Defensive steht.

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