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Jugend vor den Toren der Kirche

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Der Widerhall der Diskussion über unsere lugend, begonnen mit dem Aufsatz von Paul Blaha in der „Furche“ (Nr. 44, 2. November 1957), hat im In- und Ausland Ausmaße angenommen, die alle Erwartungen übertreffen und die berechtigte Hoffnung erwecken, daß sich alle Betroffenen — Jugend und ihre nicht mehr ganz juifge Umwelt — hier und dort in guter Begegnung finden werden. Es gereicht uns ebenso zur Ehre wie zur Freude, diese Aussprache nunmehr in einen festlichen Ausklang münden lassen zu können: in der vollinhaltlichen Wiedergabe der international vielbeachteten Rede des Wiener Erzbischofs Dr. Franz König in Paris, im Institut Catholique, über „La jeunesse autrichienne devant I'eglise“, vor einem erlesenen Publikum, dem unter anderem Kardinal Feitin, der ständige Vertreter des Heiligen Stuhles bei der UNESCO, Mon-signore Pirozzi, Robert Schuman, Gabriel Le Bras und viele Vertreter des diplomatischen Korps in Paris beiwohnten. Diese Rede vom 22. länner 1958 oll als eip Zeugnis österreichischer Weltgeltung, als ein Zeugnis des Vertrauens der Kirche in die Jugend und ein Beweis für den Glauben der Jugend in der Kirche und an die Kirche unsere Aussprache abschließen. Die Redaktion

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Der Widerhall der Diskussion über unsere lugend, begonnen mit dem Aufsatz von Paul Blaha in der „Furche“ (Nr. 44, 2. November 1957), hat im In- und Ausland Ausmaße angenommen, die alle Erwartungen übertreffen und die berechtigte Hoffnung erwecken, daß sich alle Betroffenen — Jugend und ihre nicht mehr ganz juifge Umwelt — hier und dort in guter Begegnung finden werden. Es gereicht uns ebenso zur Ehre wie zur Freude, diese Aussprache nunmehr in einen festlichen Ausklang münden lassen zu können: in der vollinhaltlichen Wiedergabe der international vielbeachteten Rede des Wiener Erzbischofs Dr. Franz König in Paris, im Institut Catholique, über „La jeunesse autrichienne devant I'eglise“, vor einem erlesenen Publikum, dem unter anderem Kardinal Feitin, der ständige Vertreter des Heiligen Stuhles bei der UNESCO, Mon-signore Pirozzi, Robert Schuman, Gabriel Le Bras und viele Vertreter des diplomatischen Korps in Paris beiwohnten. Diese Rede vom 22. länner 1958 oll als eip Zeugnis österreichischer Weltgeltung, als ein Zeugnis des Vertrauens der Kirche in die Jugend und ein Beweis für den Glauben der Jugend in der Kirche und an die Kirche unsere Aussprache abschließen. Die Redaktion

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Wenn ich heute die Ehre habe, zu Ihnen hier in Paris zu sprechen, so tue ich es im Bewußtsein der Dankbarkeit, die wir in Oesterreich gegenüber dem katholischen Frankreich empfinden. Ich denke hier vor allem an die französischen Theologen, die, durch ihre Bücher und Zeitschriften vor allem, in den vergangenen Jahrzehnten es verstanden haben, christliche Tradition und zeitaufgeschlossene Gegenwart zu einer fruchtbaren Begegnung zu bringen. Sie haben damit unserem theologischen Denken wie unserem kirchlichen Leben starke Impulse gegeben. Ich erinnere mich einer Bemerkung eines Innsbrucker Theologieprofessors, der mir einmal sagte, wenn Sie für ein theologisches Thema neue Ideen und Anregungen benötigen, so müssen Sie nach Werken greifen, die von Franzosen geschrieben sind.

Wenn ich über das Thema „La jeunesse Autrichienne devant l'Eglise“ sprechen soll, so bin ich mir des begrenzten Interesses für ein solches Thema bewußt. Aber die Tatsache, daß Oesterreich den Eisernen Vorhang unmittelbar zur Grenze hat, macht mir Mut, auf einiges Interesse für solche Fragen bei Ihnen rechnen zu dürfen. Außerdem ist es für mich dabei ermutigend, zu wissen, welch große Anteilnahme Frankreich immer an Oesterreich genommen hat.

Ich gestatte mir, drei Gesichtspunkte vorzulegen für das eingangs genannte Thema. Ich will zuerst eine allgemeine Charakteristik der österreichischen Jugend geben, soweit dies überhaupt möglich ist. Dann möchte ich einige Feststellungen anfügen über die Einstellung unserer Jugend gegenüber Religion und Kirche, und schließlich will ich kurz zeigen, wie die Kirche, die kirchliche Führung ins Leben der jungen Gtneratfoas-jn Oesterreich mgrejft und Eiftßjufc ausübt;;. -i*Ä Ufon .it,s .Y?fcsiAww nsb ai

Wenn ich von Jugend spreche, so meine ich in der Hauptsache die in der Berufsausbildung stehende Jugend und die Jahrgänge, die heute etwa zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr stehen. Wenn ich von Religion und Kirche spreche, so meine ich die katholische Kirche, der 89 Prozent der Oesterreicher angehören.

I.

In den letzten Jahren ist es auch in Oesterreich Mode geworden, sich mit der Jugend zu beschäftigen, und in zahlreichen Zeitungs- und Zeitschriftenaufsätzen sind Veröffentlichungen über das Gesicht, die Situation der jungen Generation erschienen. Eine österreichische Tageszeitung nannte ihren Bericht eines Meinungsforschungsinstituts über die Situation der Jugend „Diagnose ins Herz der Jugend“. — Man hat in verschiedener Weise und mit verschiedener Begründung feststellen wollen, daß die Jugend heute ganz anders denke und fühle, als es die Jugend vor etwa 50 Jahren getan habe. Sowohl die Pessimisten wie die Optimisten haben sich in den letzten zwei Jahren mit der Frage der Halbstarken beschäftigt und haben untersucht, ob die Ausweise der Jugendkriminalität eine steigende oder fallende Tendenz haben. Schließlich ist man auch bei uns übereingekommen, daß man Einzelfälle nicht verallgemeinern darf, daß das Schlechte immer mehr ins Auge fällt als das Gute und daß die Verantwortung für diese Dinge vielleicht noch mehr den Erwachsenen, den gescheiterten Familien, dem reizüberfluteten Milieu zuzuschreiben sei als der Jugend selbst. Immerhin dürfen wir in solchen Diskussionen ein Zeichen der Beunruhigung sehen, die ihre Wurzel in der Erkenntnis hat, daß die Autorität der Familie, des Staates, die Werthierarchie der Gesellschaft unsere Jugend nicht mehr in dem Maße wie früher engagiert, daß die Kontinuität der gesellschaftlichen und geistigen Entwicklung nicht mehr wie früher eine Selbstverständlichkeit ist. Während die geographische Distanz zwischen den Völkern und Nationen immer kleiner wird, scheint es fast so, als ob die sogenannte Distanz der Generationen größer würde. Während wir in Oesterreich durch eine zehnjährige Besetzung, die in Niederösterreich und zum Teil in Wien eine russische gewesen ist, gelernt haben, ohne Angst und mit Gelassenheit die Entwicklung der Dinpe abzuwarten, ist in der Beschäftigung mit der Situation der Tugend eine Unsicherheit und leichte Nervosität bei den älteren Jahrgängen bemerkbar

geworden. In zahlreichen Untersuchungen über die junge Generation in Oesterreich sind einige Merkmale besonders hervorgehoben worden, die man als bezeichnend für Oesterreich hingestellt hat. Ich will hier offen lassen, wieweit solche Feststellungen auch für andere Länder Geltung haben oder nicht. Ich will hier eine kurze Zusammenfassung dieser Merkmale versuchen:

1. Man sagt unserer Jugend nach, daß die Passivität stärker hervortritt und die Aktivität geringer geworden ist. „Die heutigen Jungen sind keine Rebellen mehr“, heißt es in einem etwas pessimistischen Aufsatz „Jugend ohne Gesicht“ („Furche“, 20. November 1957). Sie sei eine „Generation ohne Programm“. Sie sei

selbstzufrieden und begnüge sich mit der wirtschaftlichen Konsolidierung.

2. Sie habe kein Interesse an der Politik. Bei einer Befragung von Mittelschülern in den Jahrgängen der Oberstufe wußten von zehn Schülern nur drei den Namen des österreichischen Innenministers. Einer nur wußte, wer Staatssekretär Gschnitzer ist. Es wäre aber, so heißt es, bezeichnend, daß von den gleichen zehn Studenten sechs die Auffassung vertraten, der österreichische Finanzminister sei ein tüchtiger Mann. Dies wird als ein Zeichen verstanden, daß für das materialistische Interesse der Jugend vor allem der Finanzminister von Bedeutung ist.

Die bereits genannte Wochenschrift „Die Furche“ hat in ihrer Nummer vom 7. Dezember eine Reihe von Briefen veröffentlicht, die auf das Thema „Jugend ohne Gesicht“ Bezug nehmen. So schreibt zum Beispiel ein Angehöriger des Jahrganges 1936 und bestätigt damit den materialistischen, egoistischen Zug einer Jugend ohne Ideale. „Wir sind bescheidener als die Generation vor uns . . wir sind ehrlicher .. . wir brauchen nicht die verlogenen Konstruktionen einer 150prozentig sicheren Weltanschauung... Wir brauchen nicht d'-e Krücken des eigenen

Gewissens. Wir entscheiden uns in jedem Einzelfalle neu und lassen uns von keiner Parteilinie etwas vorschreiben. Wir glauben an die Freiheit des Individuums und an seine Fähigkeit, ohne vorbestimmte Marschroute politischer, .weltanschaulicher' Natur seinen Weg zu gehen “

3. Diese Jugend, so heißt es weiter, wisse von dem, was in Europa vor zwölf Jahren zusammengebrochen ist, so gut wie nichts, das heißt, sie reiche mit ihrem Bewußtsein kaum über die biologische Existenzweise hinaus; vgl. die eben zitierten Sätze des Jungen aus Jahrgang 1936.

4. Verschiedene Rundfragen, Testfragen, haben ergeben, daß 30 Prozent sich vorwiegend für technische Dinge interessieren, 20 Prozent

haben vorwiegend Sportinteressen, und nur 10 Prozent haben erklärt, daß sie den kulturellen Interessen den ersten Platz einräumen.

5. Philosophen werden von dieser Jugend nicht gelesen, und es mangle ihr an geistigen Richtlinien und an einem geistigen Standort für Literatur, Musik und Malerei.

Daß die Schwierigkeiten des Milieus und der Massenbeeinflussung (Film, Fernsehen, Ilustrierte) der Jugend sehr zu schaffen machen, ist wohl kein österreichisches Spezifikum. Ein bekannter österreichischer Staatsanwalt, der sich viel mit Jugendproblemen befaßt, sagte mir unlängst: Die Jugend von heute ist nicht schlechter als früher, sondern nur mehr gefährdet durch das Milieu. Das dürfte eine treffende Feststellung sein, die aber nicht nur für Oesterreich zutrifft.

In einer Untersuchung, die sich in einer in Deutschland erscheinenden Monatsschrift für Wirtschaftspädagogik, „Die deutsche Berufs- und Fachschule“ (Heft 4, April 1957, S. 233 ff.), findet und die betitelt ist: ..Warum ist unsere heutige Jugend anders?“ kommt der Verfasser O. Kahl für den Bereich der deutschen Bundesrepublik zu folgendem Ergebnis: „Aus dem Zu-

sammenspiel der einzelnen Faktoren kristallisiert sich das äußere Erscheinungsbild der gegenwärtigen jungen Generation: sie ist nüchtern und sachlich, vorsichtig und zurückhaltend, unpersönlich und unverbindlich. Sie nimmt die Gegebenheiten wie sie sind und versucht nichts zu ändern; sie vermeidet feste Standpunkte und Entscheidungen. Sie ist nicht gemeinschafts-strebend, sondern distanziert und nur schwer zugänglich. Im Arbeitsbereich ist sie fleißig, verantwortungsbewußt und willig.“

Wenn wir damit das eben Gesagte vergleichen, so ist damit auch in etwa die Situation in Oesterreich getroffen. Wir müssen uns allerdings dabei vor Augen halten, daß manche Bemerkungen dieser Sätze zum charakteristischen Kennzeichen der Jugend schon immer gehört haben und damit nicht nur auf das Konto der heutigen Jugend ausschließlich zu setzen sind.

Leider hat man es bei den Untersuchungen gerade der letzten zwei Jahre unterlassen, auch die positiven Merkmale dei Jugend aufzuzählen und sie den negativen gegenüberzustellen. Ich möchte es im folgenden versuchen und hinzufügen, daß es sich hier um einige nicht unbedeutende Feststellungen handelt

1. Der .Nationalsozialismus und sein Ideengut, von dem man 1945 fürchtete, daß es sich tief in das Herz unserer Jugend eingesenkt hätte (es handelt sich hier vor allem um die heute lebenden Jahrgänge zwischen dem 20. und 3 5. Lebensjahr), war nach 1945 wie weggewischt. Ich habe selber drei Jahre nach 1945 an den Oberstufen von Mittelschulen Religion unterrichtet und war überrascht, wie willig und lenksam diese Jugend war und wie sie, von ganz vereinzelten Ausnahmen abgesehen, nicht rückwärts, sondern nur vorwärts blickte.

2. Die junge Generation ist heute fast ausnahmslos antikommunistisch. Das gilt auch für die sozialistische Jugend. Wenn bei den letzten Nationalratswahlen in ganz Oesterreich drei bis vier Prozent kommunistisch gewählt haben, so ist dabei der prozentuelle Anteil der älteren Generation vermutlich höher gewesen als der der jungen Wähler. Oesterreich hat den Einmarsch der Russen im Jahre 1945 und anschließend zehn Jahre lang russische Besetzung erlebt, die keine Werbung für den Kommunismus waren. Die junge Generation ist diesbezüglich sehr nüchtern und ohne Illusionen in ihrem Urteil. Die verschiedenen Formen der kommunistischen Werbung, die G'ündung eirer „Freien Oesterreichischen Jugend“ als kommunistische Tarnorganisation unmittelbar nach Kriegsende sind praktisch erfolglos geblieben. Der Oesterreichische Bundesjugendring, der vor zwei Jahren gegründet wurde und alle politischen und kirchlichen Jugendverbände zusammenfaßt, hat von sich aus die kommunistische Jugend in seine Arbeitsgemeinschaft nicht aufgenommen.

3. Die österreichische Jugend ist seit dem ersten Weltkrieg zum erstenmal wieder staatsbejahend geworden, das heißt, die junge Generation glaubt an die Zukunft Oesterreichs und bekennt sich zu Oesterreich. Die pangermanistischen Ideen aus der Zeit vor 1938 haben ihre Anziehungskraft vollkommen verloren. Es ist kaum anzunehmen, daß sich diesbezüglich in der Zukunft etwas ändern wird. Die Erlebnisse von 193 8 bis 1945 waren bitter, aber heilsam. In den Jahren 1920 bis 193 8 hatte ein großer Teil der jungen Generation den Glauben an Oesterreich verloren. Das Land war von Parteienkämpfen zerrissen und von politischen Spannungen erfüllt. Die wirtschaftliche Stellung Oesterreichs war nicht gefestigt, und die Jugend glaubte daher selber nicht ganz an die Existenzmöglichkeit des eigenen Staates. Diesen Wandel

zum Besseren dürfen wir nicht zuletzt den leidvollen Jahren der Zeit nach 1945 und den zehn Jahren Besetzung zuschreiben, in denen Oesterreich durch die Not zusammengeschweißt, zur Eintracht erzogen und eine seltene Stabilität der Regierung begründet wurde. In den Wintermonaten der Jahre nach 1945 haben Hochschüler und Mittelschüler in den ungeheizten Hörsälen und Klassenzimmern gefroren. Sie haben aber nicht gemurrt, sondern mit Fleiß gearbeitet. Die jungen Arbeiter haben in den ausgeplünderten Fabriken sich mühsam wieder ihr Werkzeug schaffen müssen und anfangs mit primitiver Handarbeit die Maschinen zu ersetzen versucht. Sie haben dabei ebenfalls gehungert und gefroren, aber nicht vor den Schwierigkeiten kapituliert. Durch die innere Einheit und Geschlossenheit auch die östliche Besatzungsmacht zum Staatsvertrag im Jahre 1955 bereitgemacht zu haben, hatte eine unbeschreibliche Freude auch bei der Jugend im ganzen Land ausgelöst. Und als nach dem Abzug des letzten Besatzungssoldaten die Freiheit und Unabhängigkeit des Landes gefeiert wurde, standen auch in den Augen der jungen Generation Tränen. Diese zehn Jahre von 1945 bis 1955 haben in der österreichischen Jugend Selbstvertrauen und Selbstbewußtsein im schönen Gegensatz zur Zeit vor 1938 wachsen lassen. — Die wirtschaftliche Prosperität, die in den allerletzten Jahren erfreulicherweise so stark in Erscheinung treten konnte, läßt leider bei den jüngsten Jahrgängen die heldenhaften Jahre der jungen Generation nach dem Krieg zu rasch vergessen. Die Aufstellung eines neuen österreichischen Bundesheeres vor eineinhalb Jahren ist — im Gegensatz zu Deutschland — in Oesterreich ohne Schwierigkeiten erfolgt. Von Seiten der Jugend war keine Opposition gegen den Militärdienst vorhanden, obwohl man sonst dem Oesterreicher nachsagt, er sei kein begeisterter Soldat. Von seiteil der

Offiziere und der Militärseelsorger des neuen Bundesheeres wird immer wieder darauf hingewiesen, daß die jungen Soldaten einen guten Eindruck machen.

4. Die österreichische Jugend glaubt an Europa und interessiert sich für alle Fragen, die mit einer übernationalen Zusammenarbeit in Europa im Zusammenhang stehen. Dieses große Interesse ist bei unserer Jugend auf Schritt und Tritt festzustellen. Bei einer Testfrage unter der Jugend der verschiedenen westeuropäischen Länder stand, nach einem mir kürzlich vorliegenden Bericht', die österreichische Jugend hinsichtlich des Interesses für Europa an erster oder zweiter Stelle. Wenn Sie sich vor Augen halten, daß durch den Friedensvertrag von Saint Germain 1919 nicht weniger als sieben Nachfolgestaaten aus dem einstigen Verband der österreichischungarischen Monarchie herausgelöst wurden, so kann man sagen, daß die Eltern und Großeltern der heutigen Jugend bereits in einer Art europäischen Staatengemeinschaft gelebt haben. Diese alten Traditionen leben vielleicht noch im Unterbewußtsein der jungen Generation weiter. Unsere Jugend reist sehr gern ins Ausland und begrüßt mit großer Begeisterung Gäste aus anderen Ländern und Kontinenten. Der große internationale Kongreß der KAJ (JOC) in Rom hat bei der Katholischen Arbeiterjugend Oesterreichs großes Interesse gefunden. Die österreichische Katholische Arbeiterjugend rangierte hinsichtlich ihrer relativen Teilnehmerzahl an zweiter Stelle noch vor Frankreich.

Daß sich aber auch die Jugend selbst gegen die schädlichen Einflüsse von außen zur Wehr setzt, zeigt ein anderer in der „Furche“ veröffentlichter Brief eines jungen Mannes vom Jahrgang 1936: „Hier klage ich euch Erwachsene an! Was zeigt ihr uns in den Filmen? ,Die freie Liebe' ist eine Selbstverständlichkeit, Ehescheidung ist kein Problem. Wer schreibt

denn diese Drehbücher? Wer filmt diesen unmoralischen Dreckhaufen? Schon das Kind wird in einen Hort gesteckt, damit Vater und Mutter zur Arbeit gehen können, für eine komfortablere Wohnung. Und wenn ihr dann endlich am Abend bei euren Kindern sitzt, dann wird Geld gezählt und werden Neuanschaffungen erwogen. Geld und Verdienst — das ist doch euer wichtigster Punkt in der Unterhaltung. Das hört euer Kind vom ersten Tag an. Und wenn es dann auf eigenen Füßen steht, dann soll es von idealen Gedanken erfüllt sein?“

In ähnlicher Weise protestiert ein Angehöriger des Jahrganges 1937: „Es dürfte nicht bekannt sein, daß viele Jugendliche auch etwas anderes zu tun wissen, als Rock 'n' Roll zu tanzen oder wilde Filme anzusehen. Viele gehen nämlich einem Studium nach, nicht wenige als Werkstudenten. Die Stehplätze in den Theatern sind — meist von jungen Leuten — gut besucht. Bei den verschiedenen Jugendkundgebungen, sei es von katholischer oder auch von anderer Seite, finden wir rege Beteiligung, nicht zuletzt haben auch die politischen Parteien junge Mitarbeiter. Also darf man die junge Generation jedenfalls nicht generell verurteilen, wie es meist getan wird. Leider trifft der Vorwurf der Passivität aber für viele zu. Doch es gibt auch Gründe dafür:

Wir leben im Jahrhundert des Kindes'. In keinem Jahrhundert sind so viele Kinder, vor allem ungeboren, gemordet worden. Abgesehen von diesen Fällen ist die ganze Atmosphäre, in der wir leben, dazu angetan, die Jugend von allem Schönen und Guten abzulenken. Wie viele Plakate sind noch anständig? In den meisten Filmen wird' alles Mögliche vorgezeigt, um die Jugend rasch zum Verbrechen hinzuführen. Was uns in der Politik vorgespielt wird, kann man bestimmt nicht als erstrebenswert bezeichnen.“

(ScUluß folgt)

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