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Wandlung der Seelsorge

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Das Burgenland von heute hat ein wesentlich anderes Gesicht als das Burgenland der Vorkriegszeit Aus einem Agrarland ist ein Land der Bauern und Arbeiter geworden. Die Entwicklung geht rapid vor sich. Noch 1951 lebten 47% der Bevölkerung aus den Einkünften der Land- und Forstwirtschaft, während es zehn Jahre später nur mehr 33% waren und 1965 wohl nur mehr 30/ sind.

Mit der soziologischen Struktur hat sich aber auch ein starker geistiger Wandel vollzogen, der sich auch im religiösen Leben immer deutlicher zeigt. Die Geschlossenheit des einheitlichen Bauerndorfes gehört der Vergangenheit an. Ein von der Tradition stark geprägtes Christentum, das im geschlossenen Dorf von gestern noch bestehen konnte, ist den Belastungen dieser Zeit nicht mehr gewachsen. Es ist auch im Burgenland keine Selbstverständlichkeit mehr, am Sonntag das hl. Meßopfer mitzufeiern und die Sonntagsruhe zu halten. Während vor 20 Jahren auch noch an Sonntagen nachmittags die Kirchen voll waren, ist dies heute nur mehr selten der Fall. Bei den Wallfahrten, an denen einst auch die Männer in großer Zahl teilnahmen, fehlt heute weithin das männliche Element. Der neue Lebensrhythmus der Industrie und der Freizeitgesellschaft ist auch hier deutlich spürbar.

Das Problem der Seelsorge ist zuerst ein Problem des Seelsorgers. Wenn man in der Diözese Eisenstadt auch nicht von einer Priesternot im eigentlichen Sinn des Wortes sprechen kann, so würde gerade eine moderne Seelsorge doch eine größere Anzahl von Priestern notwendig machen. Wohl können gerade noch die Pfarren besetzt werden, doch fehlen die Priester für zeitnotwendige Aufgaben, etwa für die Seelsorge für die burgenländischen Arbeiter in Wien, die Pendler- und Betriebsseelsorge, die Berufsschulen, die seelsorgliche Betreuung der Akademiker, Hochschüler, Lehrer und Studenten, für eine intensivere Jugendseelsorge usw.

Der Priesternachwuchs ist nicht gerade schlecht, doch wäre eine Steigerung durchaus wünschenswert. Das Knabenseminar in Mat-tersburg zählt derzeit 146 Studenten, dem Priesterseminar gehören 33 Theologen an. Diözesanbischof DDr. Stefan Läszlö tut alles, um den Priesternachwuchs zu fördern. Seiner Initiative ist es zu verdanken, daß alljährlich eine Gebets- und Werbewoche um Priester-und Ordensnachwuchs durchgeführt wird. Diese Einrichtung hat sich bisher segensreich auf den Priesternachwuchs ausgewirkt.

Auch der theologischen Fortbildung der Seelsorger wendet die Diözese ihr besonderes Augenmerk zu. Wenn der Klerus den heutigen Aufgaben gewachsen sein soll, braucht er eine entsprechende Ausbildung. So fand im Vorjahr erstmalig in der Diözese ein Jungpriestertreffen statt, zu dem der Bischof die drei letzten Weih Jahrgänge einlud. Nach gemeinsamen Exerzitien wurden etwa acht Tage der theologischen Fortbildung gewidmet. Im nächsten Jahr ist wieder eine Jungpriesterwoche geplant.

Neben der alljährlich stattfindenden Seelsorgertagung wurde heuer auch eine theologische Fortbildungswoche durchgeführt, an der 42 Priester teilnahmen. Auch diese theologische Fortbildungswoche soll ihre Fortsetzung finden. Daneben werden die Seelsorger immer wieder zu Konferenzen und Tagungen eingeladen, um seelsorgliche und theologische Probleme zu behandeln. So fanden erat vor kurzem ganztägige Seelsorgerkonferenzen statt, die der katechetischen Ausbildung dienten.

Die Anpassung der Kirche an die Erfordernisse der Zeit ist das große Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Wenn eine Diözese dieses Grundanliegen des Konzils wahrnehmen will, muß zuerst eine Bestandsaufnahme gemacht werden, um aus der genauen Kenntnis der Situation die notwendigen Folgerungen ziehen zu können. Aus diesem Grund gab Bischof DDr. Läszlö den Auftrag zu einer soziographischen Aufnahme der Diözese, die vom Kirchlichen Sozialforschungsinstitut durchgeführt wurde. Die Ergebnisse werden zur Erstellung eines diöze-sanen Seelsorgeplanes ausgewertet.

Vor mehr als einem Jahr gründete der burgenländisohe Oberhirte einen Fonds zur Förderung zeitgemäßer seelsorglicher und laienapostolischer Initiativen. Priester und Laien wurden aufgerufen, über bereits be-schrittene Wege in der Seelsorge und im Laienapostolat zu berichten sowie neue Vorschläge zu unterbreiten. Dieser Aufruf fand ein erfreuliches Echo.

Was die vom Konzil beschlossene Liturgiereform anbelangt, so ging die Diözese Eisen-stadt mit Elan, ja mit Begeisterung an ihre Verwirklichung. So wurden in Vorbereitung auf den 7. März dieses Jahres, an dem ein neuer Schritt in der Liturgiereform getan wurde, die Priester zweimal zu eigenen Tagungen eingeladen und mit den wichtigsten Anliegen der Liturgiereform vertraut gemacht. Auch die Ausbildung von Lektoren wurde aus diesem Anlaß durchgeführt und die Kantoren für ihre neue Aufgabe vorbereitet. Da die Liturgie zum großen Teil in der Volkssprache gefeiert wird, mußten viele Texte erst ins Kroatische und Ungarische übersetzt und auch neue Melodien für diese Texte geschaffen werden. Im allgemeinen fand die erneuerte Liturgie im Volk eine gute Aufnahme.

Ein neuer Versuch in der Durchführung von Volksmissionen wird gegen Ende dieses Jahres in Eisenstadt und Umgebung gemacht werden. Eine Gebietsmission mit dem Ziel, nicht nur in den einzelnen Gläubigen das religiöse Leben zu fördern, sondern auch die Verchiistlichung des Milieus zu sehen, ist geplant Bemerkenswert ist, daß in der Bischofsstadt, die ja nur etwa 7500 Einwohner zählt, 34% aller verpflichteten Katholiken die Sonntagsmesse besuchen. Der Gottesdienstbesuch steigt mit der höheren Bildung. Von den katholischen Akademikern besuchen 40% die Sonntagsmesse, von den Katholiken mit Matura 35%, von den Gläubigen ohne Matura 28%. Der Durchschnitt der, Sonntagsmeßbesucher in der ganzen Diözese liegt bei 48% der verpflichteten Katholiken.

Zu den wichtigsten seelsorglichen Problemen der Diözese Eisenstadt gehört die Pendlerfrage. Schon 1961 wurden etwa 24.000 Burgenländer als sogenannte Pendler registriert, von denen über 18.000 außerhalb des Landes ihren Arbeitsplatz haben, die größtenteils nur zum Wochenende heimkommen!

Die seelsorglichen Probleme liegen auf der Hand: die Trennung von Mann und Frau, von Vater und Kindern, die Gefahren für die Jugend in der Großstadt. Es ist wohl selbstverständlich, daß die Diözese auch an die Lösung dieses entscheidenden Seelsorgeproblems herangeht. Die Katholische Aktion, vor allem die Katholische Arbeiterbewegung, darf das Verdienst in Anspruch nehmen, wesentlich dazu beigetragen zu haben, daß das Pendlerproblem in der Öffentlichkeit immer mehr Beachtung findet Durch zahlreiche Veröffentlichungen, Versammlungen und Tagungen wurden die öffentlichen Stellen immer wieder auf die vielschichtigen Probleme aufmerksam gemacht. Eine von der KAB herausgegebene Zeitung, „Der Pendler, findet überall große Beachtung.

Die seelsorgliche Betreuung der burgenländischen Wanderarbeiter ist dem Bischof der Diözese ein so großes Anliegen, daß er persönlich dreimal jährlich die burgenländischen Arbeiter in Wien zu einer Zusammenkunft, an der er auch selbst teilnimmt einlädt Kirche und Pfarrheim St. Anton im 10. Wiener Gemeindebezirk stehen für die Zusammenkünfte der burgenländischen Arbeiter zur Verfügung. Außerdem finden regelmäßig wöchentlich Aktivistenrunden für Männer, Burschen und Mädchen aus dem Burgenland in Wien statt. In verschiedenen Bezirken, in denen die Arbeiter aus dem Burgenland wohnen, werden diese immer wieder zu Vorträgen und Diskussionen eingeladen. Die Errichtung eines Wohnheimes und geistigen Zentrums der burgenländischen Arbeiter in Wien bleibt auch weiterhin ein wichtiges Anliegen der Diözese. Diesbezügliche Verhandlungen konnten leider noch nicht abgeschlossen werden.

Seelsorge und Katholische Aktion können nicht voneinander getrennt werden, wenn auch die Katholische Aktion nicht bloß eine seelsorgliche Aufgabe zu erfüllen hat. Im Burgenland darf die Katholische Aktion das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, wesentlich zur religiösen Erneuerung im Lande beigetragen zu haben. Zahlreiche Initiativen gingen von ihr aus, so daß sie zum großen Teil auch zum Träger der religiösen Erneuerung wurde. Die Bibelarbeit wurde vor allem durch die Katholische Aktion in ihrer Bedeutung erkannt und auch praktisch durchgeführt. Auch in der liturgischen Erneuerung hat sich die Katholische Aktion vom Anfang an stark engagiert. Die Schola wird in den Pfarren zumeist von ihren Aktivisten und Mitgliedern gebildet, die Lektoren und Vorbeter stammen fast durchwegs aus den Reihen der KA. Die liturgische Bildung und ein vertieftes Schriftverständnis bildeten immer ein besonderes Anliegen der Gliederungen der KA. Dasselbe gilt von den Exerzitien.

Die Katholische Jugend hat Jahre hindurch in der Vorbereitung der jungen Menschen auf die Ehe wertvolle Arbeit geleistet. Zahlreiche Ehevorbereitungskurse auf Diözesan- und Dekanatsebene wurden durchgeführt. Die Katholische Frauenbewegung hat sich in der geistigen und religiösen Formung der Frauen und Mütter große Verdienste erworben. Schon ein Jahrzehnt hindurch werden die Frauen in eigenen Mütterschulungskursen in den Pfarren mit der christlichen Bewältigung der Probleme in Ehe und Famüie befaßt und vor allem mit den Erziehungsaufgaben vertraut gemacht. Auch die Katholische Männerbewe-gung führte in vielen Pfarren Vortragsreihen über Ehe- und Familienprobleme durch. Brautleutetage und Kurse für junge Eheleute ergänzten diese umfangreiche Tätigkeit in der Ehevorbereitung und für die Verchiistlichung von Ehe und Familie. Die Caritasarbeit wurde weithin von der Katholischen Frauenbewegung in den Pfarren geleistet.

In den letzten Jahren entfaltete auch das Katholische Bildungswerk der Diözese Eisenstadt eine umfangreiche Tätigkeit Über 25.000 Personen besuchten im letzten Arbeitsjahr die 307 Veranstaltungen des Katholischen Büdungswerkes der Diözese, die in 89 Gemeinden des Landes durchgeführt wurden.

In den letzten Jahren wurden mit der Durchführung von Schulentlaßtagen und Schulentlaßlagern durch die Katholische Jugend und Jungschar neue Initiativen entwickelt, die gerade für dieses Alter vor dem Eintritt ins Berufsleben von entscheidender Bedeutung sind.

Man könnte meinen, daß die Katholische Aktion unserer Diözese nur eine Seelsorge-hilfe darstellt. Dies ist durchaus nicht der Fall. Schon vom Anfang an wurde die Ver-dhristlichung von Ehe und Famüie, von Beruf und öffentlichem Leben als Hauptaufgabe der KA gesehen. Im wesentlichen hat die Katholische Aktion freilich hier vor allem eine Bildungsaufgabe zu erfüllen, während die konkrete Verwirklichung dem Gewissen und der Verantwortung jedes einzelnen Katholiken überlassen werden muß. In zahlreichen Kursen und Tagungen wurden vor allem die Männer, aber auch die Jugend mit der christlichen Sozial- und Gesellschaftslehre vertraut gemacht. Kurse und Tagungen für Bürgermeister und andere Gemeindefunktionäre, für Genossenschafter, für Bauern, Gewerbetreibende und Landarbeiter fanden in großer Zahl statt. Auch die Mandatare wurden zu eigenen Tagungen und Einkehrtagen eingeladen.

Über dem eigenen Land wurde die große Welt nicht vergessen. Die Hilfe für die Entwicklungsländer galt schon immer als ein vordringliches Anliegen der Katholischen Aktion. Die Diözese konnte im Durchschnitt alljährlich etwa 2 Mill. Schilling durch die Fastenaktion und Sternsingeraktion als Entwicklung- bzw. Missionshilfe zur Verfügung stellen. Nach der Diözese Innsbruck steht damit das Burgenland an zweiter Stelle in Österreich. Die Bevölkerung dieses Landes, das selbst ein Entwicklungsland in Österreich darstellt, weiß um die Not der anderen und ist gerne bereit, von dem Wenigen soviel als möglich zu geben.

In einem Land, in dem der soziographdsche und geistige Umwandlungsprozeß so gewaltig ist, müssen immer wieder Überlegungen über das notwendige aggiornamento durchgeführt werden. Gerade hier gut es. die Zeichen der Zeit zu erkennen und daraus die Folgerungen zu ziehen. Der 3. Diözesantag der KA, der am ersten Adventsonntag 1964 in Eisenstadt durchgeführt wurde, diente diesem Anliegen. In acht Arbeitskreisen wurden Monate hindurch umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, um Vorschläge für den kommenden Weg der Katholischen Aktion der Diözese zu erarbeiten. Dabei wurde der Aufbau von missionarisch wirksamen Gemeinden als eine vordringliche Aufgabe erkannt, die auch von den Laien wesentlich mitgetragen werden muß. Als besonderes Anliegen wurde die Anwendimg neuer Methoden gesehen. Dem Auf- und Ausbau des Pendler- und Betriebsapostolates muß die Katholische Aktion in den kommenden Jahren ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden.

Die schwierigste, jedoch entscheidendste Aufgabe stellt die Erneuerung und Intensivierung der kirchlichen Jugendarbeit dar. Gerade die Jugend ist auf Wanderschaft. Das Burgenland zählt derzeit 3800 Jugendpendler. Es gibt schon viele Gemeinden, in denen die Woche hindurch keine Jugendlichen daheim sind. Uber das Wochenende ist es jedoch außerordentlich schwierig, mit den Jugendlichen in Kontakt zu kommen. Es wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, die Katholische Jugend in unserer Diözese zu einer Massenbewegung zu machen. In einer Reihe von Pfarren gelingt es noch, eine geformte Elite in der Jugend zu bilden, in anderen Gemeinden hört die organisierte Jugendarbeit auf. Gerade in der Jugendarbeit müssen neue Wege beschritten werden. Und die Zukunft der Kirche in der Diözese Eisenstadt wird wesentlich davon abhängen, ob es gelingt, auch in dieser geänderten Situation die Jugend anzusprechen und lebendige Aposto-latszentren zu schaffen.

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