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15 Jahre Filmerziehung

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Weil Filmerziehung und kirchliche Filmarbeit noch immer nicht für alle Verständigen eine Selbstverständlichkeit ist — anderen erscheint sie als Tautologie —, mögen einige Überlegungen vorausgeschickt sein: Angenommen, es wäre nie eine Filmenzyklika „Vigilanti cura” oder „Miranda prorsus” erschienen; es hätte nie ein Pius XII. seine überraschende Kenntnis vom Filmwesen und die daraus resultierenden Folgerungen in den beiden Ansprachen über den idealen Film geboten; es hätten sein Nachfolger und alle kirchlichen Oberhirten zusammen kein Wort je über den Film verlauten lassen: auch dann müßte es eine Filmarbeit und Filmerziehung im kirchlichen Bereich geben. Aus der Wesenserkenntnis der Kirche und der Einsicht in die ihr vom Stifter übertragenen Aufgaben sowie aus der Beachtung des Phänomens Film mit dessen immanenten Wirkkräften ergibt sich von selbst eine Beziehung, die mitten durch das geistige und emotionale Spannungsfeld führt, das im engsten und weitesten Sinne als Seelsorge verstanden werden muß. Ob diese Tatsache gesehen oder erkannt wird oder nicht, sie steht als Ursprungsidee aller Filmbemühung vor uns — wie die aus einem Kraftfeld wirkende Dynamik, die sich in radialer Ausbreitung auf den Menschen zu bewegt und zugleich Tiefenstrahlung aussendet.

Sind noch andere Prämissen für die Filmerziehung notwendig als: erfüllt vom Wissen, vom Gewissen gedrängt?

Die bischöflichen Hirtenworte, die päpstlichen Erklärungen und die kirchlich gebotenen Verhaltensmaßstäbe schufen den Boden für das Ausbreiten des Verständnisses und formten Wesen und Grundsätze der kirchlichen Filmerziehungsarbeit aus dem allgemeinen bis ins einzelne.

In der Diözese Linz begann wie anderswo mit der Gründung der Katholischen Filmkommission nach dem Kriege eine geplante Filmarbeit, um die sich zunächst eine kleine Gruppe unter den Fittichen des Seelsorgeamtes annahm. Gutachten zu den Filmen des Kinoprogrammes wurden besorgt, das Brachfeld der Kritik beackert; der Improvisation folgte mit der Berufung einer geeigneten Person die Organisation und Verbreiterung der Gutachtenvermittlung. Anschlagkästen füllten sich mit den kirchlichen Filmgutachten, Kurzreferate für den Mitarbeiterkreis rangen um Verständnis und Klärung prinzipieller Wertungseinstellung und taktischen Vorgehens.

Für die Entwicklung der Filmerziehung in der Diözese und des damals schon bestehenden diözesanen Filmreferates wurde der Sommerkurs der Katholischen Filmkommis- sion in Batschuns 1951 besonders bedeutungsvoll. Der von dieser ersten und grundlegenden Studientagung ausgehende Impuls und die nachwirkende Erkenntnis verlangten: Wenn katholische Filmarbeit richtig verstanden wird, kann sie nur entsprechend der Vielschichtigkeit und Mannigfaltigkeit des Problems Film eine umfassende Erziehungstätigkeit und ein Bemühen um Wirken und Einflußnahme auf mehreren Gebieten sein; gewissermaßen ein peripheres Fußfassen und von dort Vordringen zum Zentrum: Integration des Films.

Nadi diesem Kernrezept wurde die Arbeit aufgenommen, die sich im Sinne der Magna Charta aller Filmarbeit umfangmäßig von selbst auf viele Bereiche erweiterte und mit. viel Geduld und Zähigkeit manche im Wege stehende Hürde der Feindschaft und des Mißverstehens (leider nicht alle) aus dem Wege räumte.

Katholische Fiimarbeit muß gesehen werden als: Bildungisarbeit im unmittelbaren

Sirm, das ist als Wlissenisweitergabe an Referenten und die Allgemeinheit, durch Einfuhren in die Filmkunde mit ihren psychologischen, pädagogischen, soziologischen, ja theologischen Aspekten; im erweiterten Sinn als Hilfeleistung (Lebenshilfe) zur Bewältigung der modernen Bedrängnisse, besonders durch den manipulierten Freizeitkonsum, wie ihn Filmwirtschaft und Fernsehen anbieten; Filmerziehung im besonderen mit der Doppelbedeutung Erziehung zum Filmverstehen und Erziehung durch den Film, wobei im Hintergrund als Ziel die Objektivierung des subjektiven Erlebens, das Mündigwerden gegenüber dem Film steht. Dabei ist zu beachten, daß das Thema Film durch alle zeitlichen Veränderungen immer aktuell bleibt als Erwachsenenbildung (neben dem selbstverständlichen Einbau der Filmerziehung in die geeigneten Schultypen und Klassen), als Verantwortung für Freizeitgestaltung, als Jugendschutz, als Entwicklung des Verstehens für die künstlerischen Formen und Wandlungen der Gestaltung (um der Aussage auf die Spur zu kommen) usw; Verkündigung (Information) und Dienst, wobei der Gang aus dem Zentrum zurück zur Peripherie beginnt, um zu ernten und neuen Samen zu säen.

Auch Zahlen reden

Was vor 15 Jahren im kleinen begann, entwickelte sich im Auftrag der Diözese und des inneren Anrufes, durch Erfassen der Möglichkeiten zu einem umfangreichen Emtefeld, das ständig neu bepflanzt und von Wurzeln gespeist wird, die nie absterben können: Von der Sorge, die im Anfangswort der ersten päpstlichen Filmenzyklika genannt wird — und Sorge ist Liebe und damit zugleich Zustand und Akt.

Auch Zahlen reden, wenn hinter ihnen Leben steht. Die Filmerziehung im diözesanen Bereich hat sich um alle genannten Sparten angenommen und den kirchlichen Auftrag als Verpflichtung ernst genommen. Soweit mit Zahlen eine Erziehungsleistung gemessen werden kann, sei im folgenden das Ergebnis der letzten fünf Jahre angeführt:

Die katholischen Filmgutachten werden zur Information für alle, die sie annehmen, laufend zu den Programmen von 158 Kinos aus 118 Kinoorten an insgesamt 542 Stellen (Referenten, Ämter, Schulen, Volksbildner) geschickt. Nach einer Probezählung macht diese Aussendung derzeit pro Monat durchschnittlich 18.700 vervielfältigte Filmkritiken aus. Diese Gutachten enthalten außer dem vollen Wortlaut die Einstufung der katholischen Filmkommission und die für das Land Oberösterreich gültige Jugendeinstufung, die in sehr vielen Fällen von der in der „Filmschau” veröffentlichten Einstufung des Unterrichtsministeriums abweicht. In Linz allein gibt es elf öffentliche Anschlagstellen und 72 weitere Empfänger für unsere Filmgutachten, zu denen auch kurze Beurteilungen der laufenden Kulturfilme kommen.

Die Übersicht über die letzten fünf Jahre ergibt 116 Filmschulungen für Lehrlinge, Schüler, Bundesheerangehörige, Anstaltszöglinge, Volksbildner, Erwachsene, mit denen der Referent rund 7600 Teilnehmer ansprach. In der gleichen Zeit wurden in 138 Referaten vor Theologen, Bildungswerkleitern, in Frauenversammlungen, Mütternunden, vor Schülern und Erwachsenen Fragen der Filmbewertung und Probleme der Stellung zu Film und Fernsehen behandelt (6500 Teilnehmer). Der Referent1 hielt 315 Filmdiskussionen mit Jugendlichen und Erwachsenen, Schülern und Akademikern, Priestern und Laien, die rund 14.000 Teilnehmer aufwiesen. Im Rahmen des Landesbegutachtungsausschusses mußten 565 Filme in dieser Zeit begutachtet werden. 2027 Filme hat der Referent in dieser Zeit für Zwecke der kirchlichen Filmbewertung, für Diskussionen, als Teilnehmer und Juror bei Internationalen Filmfestspielen gesehen. Für die „Filmschau” wurden 157 Kritiken geliefert. Im Rundfunk nahm der Referent in 89 Sendungen zu 224 Filmen kritisch Stellung. Selbstverständlich wurden in der gleichen Zeit auch eine Reihe fachlicher Beiträge für Presseorgane in Österreich und in Deutschland geliefert.

Der Beratungsdienst für Programmierung, Filmauswahl sowie die Besprechungen mit Kinobesitzern, mit KA-Einrichtungen, mit Erziehern und Volksbildnern sind in kräftigem Wachstum begriffen. Für besonders wertvolle Filme wird eine eigene Werbetätigkeit entfaltet; im letzten Jahr erforderten z. B. 56 Fälle Werbebriefe, Flugzettel u. a. m.

Ein Schmalfllmverzeichnis, das 1958 zum erstenmal herausgegeben wurde, fand in ganz Österreich größte Beachtung; es wird noch heuer in 5. Auflage mit einer Kurzcharakteristik und den nötigen Angaben zu 800 Filmtiteln erscheinen. Ein weiterer wertvoller Behelf für die Filmarbeit ist ein Pro- blemfilmverzeichnis, das schon in 2. Auflage erschienen ist. Die diözesane Filmstelle leistet in steigendem Maße einen Schmalfllm- vermittlungsdienst an Schulen, Bildungseinrichtungen, in Heimen und Gruppen, für Dis- kussions- und Schulungsabende. Dieser Dienst erforderte im abgelaufenen Jahr das Aussuchen, Beschaffen, Versenden und Kontrollieren von 416 Kurz- und Problemfilmen. Naturgemäß kommen hier ein Gerätedienst und vielfache Geräteschulung hinzu.

Nicht alles ist ausdrückbar in Zahlen; vieles verbirgt sich vor einer ziffernmäßigen Erfassung. Zum Beispiel die schwierigen und nicht immer bedankten Kontakte mit der anderen Seite des Films, die der Erziehung meist entgegensteht. Vieles, das ins Gebiet einer inneren Mission fällt, kann auch nach 15 Jahren nicht gezählt werden, vielleicht aber gewogen. Ist es hervorzukehren, daß im Bereich der Filmerziehung vor mehr als 10 Jahren die ersten Filmmatineen veranstaltet wunden, sowohl für Erwachsene wie für Schüler, bei denen der Filmreferent die Einführung hielt und das nachfolgende Gespräch leitete? Daß die Diözese vor Jahren bei der Unterschriftenaktion „Wir wollen den guten Film” mehr als 110.000 an die Filmkommission schickte (das war mehr als ein Viertel des Ergebnisses von ganz Österreich)? Daß trotz unguter Erfahrungen immer wieder die Ansprache an die gutwilligen Kinobesitzer versucht wurde?

Wichtig ist allein, daß die Filmerziehung weitergeht, daß die Mündigkeit eines Laienapostolates nicht von Müdigkeit angekränkt wird. Deshalb sei vermerkt, daß die Arbeit um neue Intentionen vermehrt wird. Derzeit läuft z. B. ein Werbepreisausschreiben um ein Treatment für einen religiösen Kurzfilm „Ein festlicher Tag”, das sich an Schülerinnen und Schüler im Diözesanbereich zwischen 14 und 18 Jahren richtet. Filmarbeit würde antiquieren, kümmerte sie sich nicht um den Anruf, neue Kräfte zu wecken, die in Zukunft Neuland bearbeiten müssen.

Das Konzilsdekret erfüllt in den wenigen gedrängten Sätzen über die Verpflichtung zur Bewältigung der Massenmedien manche langjährig gehegte Forderung und wiederholt geübte Praxis der Filmerziehung in unserer Diözese.

Wenn es trotz der vielen in tiefstem Sinne positiven Erziehungsarbeit für den Film für das Erkennen seiner Bedeutung auch manchmal in Verkennung dieser Arbeit schmerzliche Stunden der Enttäuschung gab: es überwiegt im Rückblick weitaus die Freude über die Pflegemaßnahmen, die stets Früchte bringen, und der Dank für alle Wirkmöglichkeit an den Urheber.

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