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Der religiöse Film in der Programmgestaltung der Lichtspieltheater

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Die Behandlung eines so heiklen Themas, wie die Stellungnahme der Lichtspieltheater zur Frage des religiösen Filmes vom absatztechnischen Standpunkte aus, könnte dazu verführen, einen billigen Ausweg in ebenso freundlichkeitsverbrämte wie leere und unverbindlich bleibende Phrasen zu suchen, zumal dann, wenn der Anlaß, wie die V. Internationale Festwoche des religiösen Films, ein festlicher ist. Ich glaube aber, daß wir es unseren Gesprächspartnern auf kirchlicher Seite und dem trotz sachlicher Gegensätze guten Verhältnis zwischen den kirchlichen Filmstellen und der Fachorganisation der Lichtspieltheater schuldig sind, das Thema dennoch in voller Offenheit zu behandeln, und zwar selbst auf die Gefahr hin, daß die Offenheit hier wie dort schokierend wirken kann.

Die Problematik unseres Themas ist in ihren Ursachen vielfältig, im ganzen genommen stellt sie sich als der außerordentlich geringe Anteil des religiösen Films am Programm der Lichtspieltheater dar. Von dieser von keiner Seite aus bestrittenen Feststellung ausgehend, halte ich es für zweckmäßig, zunächst die Ursachen hierfür der Reihe nach zu behandeln, tim daraus vielleicht Möglichkeiten und Wege ,für eine Besserung zu finden.

Ich darf voranstellen, daß das Problem des Absatzes religiöser Filme ein Sönderfall des Absatzes .schwieriger und problematischer Filme überhaupt ist. Nun ist es aber doch so, daß der in seiner Gestaltung und vor allem seinem Inhalte nach problematische Film an und für sich schwer an die breite Masse des Publikums heranzubringen ist. Eine Feststellung wie die, daß der Film einen Massenartikel darstellt, ist so selbstverständlich, daß sie mitunter in Vergessenheit gerät. Wir müssen uns aber dessen erinnern, daß jeder Film, der auch nur mittlere Herstellungskosten erfordert hat, zur Amortisation derselben einen überaus großen Bevölkerungskreis ansprechen und aus diesem Grunde Konzessionen an den Geschmack der breiten Masse machen muß. Der problematische Film hingegen darf von vornherein nur auf einen beschränkten Besucherkreis zählen, und insoweit sich der religiöse Film als schwieriger Film schlechthin darstellt, was die Regel ist, gilt auch für ihn, rein absatztechnisch »gesprochen, dasselbe. Hierzu kommt, daß bisher, von wenigen Ausnahmen abgesehen, der substantiell religiöse Film stets auch ein ausländischer Film war, und hier gilt mutatis mutandis dasselbe insoferne, als der ausländische Film den Mentalitätsvorsprung des original deutschsprachigen Films nur in seltenen Ausnahmefällen ausgleichen kann. Hierzu kommt, daß, sich der Mentalitätsunterschied selbst zwischen den europäischen Völkern auf dem Gebiet des religiösen Films noch viel stärker auswirkt als bei den in dieser Beziehung indifferenten normalen Geschäftsfilmen. Die bis zu einem gewissen'“Grad' noch' immer und'vorwiegend bei der Landbevölkerung anzutreffende barocke Frömmigkeit des Oesterreichers entspricht so gar nicht der Auffassung vom religiösen Film, wie sie beispielsweise die Frarfzosen haben. Die uns fremd anmutende Religiosität etwa französischer Filme steht daher ihrem Masseneinsatz in Oesterreich hindernd im Wege. Vom Gesichtspunkt der Lichtspieltheater aus betrachtet, fällt ferner auf, daß eine sehr beträchtliche Diskrepanz besteht zwischen dem, was die kirchlichen Filmstellen von einem religiösen Film fordern, damit er diese Qualifikation für sich in Anspruch nehmen kann, und dem, was das Publikum bereit ist anzunehmen. Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen, ob kirchlicherseits der Film in dieser Beziehung überfordert wird. Wenn ich aber beispielsweise an gewisse Schau- und Geprängefilme, vornehmlich amerikanischer Provenienz, denke, die zwar nicht substantiell religiös sind, so glaube ich doch, daß diese geeignet sind, der breiten Masse auf eine für sie verständliche und akzeptable Weise religiöse Themen zumindest nahezubringen. Es schiene mir bei aller Wahrung grundsätzlicher Standpunkte erwägenswert, die bisherige Einstellung zu solchen Filmen zu überprüfen.

Neben dieseA mehr aus Sujet und Gestaltung herrührenden Schwierigkeiten für die Aufnahme religiöser Filme in das Programm der Kinos gibt es selbstverständlich auch einige sozusagen primitive Konflikte, die besondere Schwierigkeiten bereiten. Hierzu zähle ich vor allem die Filmbegutachtung durch die Katholische Filmkommission und die unbefugten Veranstaltungen. Es wird an sich schon von einem Teil der Lichtspielunternehmungen der Filmbegutachtung durch die Katholische Filmkommission Ablehnung und Unverständnis entgegengebracht. Aber auch die Gutwilligsten werden auf die Dauer verbittert werden, wenn sich diese Gutachten bei an sich harmlosen und vom ethischen sowie religiösen Standpunkt anerkanntermaßen unbedenklichen Filmen im Tonfall der Filmkritik in der Tagespresse mit dem ästhetischen Wert, der schauspielerischen und regielichen Leistung, ja sogar mit technischen Details auseinandersetzen. Ich möchte nicht das Recht der Kirche, eine Filmkritik auch in diesem Sinne herauszugeben, bestreiten. Wohl aber glaube :ch, daß die Autorität der Kirche den Gläubigen gegenüber nicht auch künstlerische und formalästhetische sowie technische Werturteile decken dürfte, zumal einfachere Menschen eine solche Zusammenfassung ethischer und ästhetischer Beurteilungen erfahrungsgemäß durchweg mißverstehen. Gutachten, die von „einer banalen und rührseligen Wald- und Wilderergeschichte“ „Heimatland“, „ein sauber angelegter, aber in der künstlerischen Durchführung auf allen Linien enttäuschender Unterhaltungsfilm“ „Der letzte Mann“, „unechtes Machwerk in schöner Umgebung und schlechten Farben“ „Wenn die Alpenrosen blühn“ sprechen, bewirken naturgemäß eine ablehnende Haltung vieler unserer Mitgliedsbetriebe zur katholischen Filmarbeit überhaupt. Eine weitere derartige' Schwierigkeit besteht darin, daß immer wieder in einzelnen Gemeinden seitens der Pfarren Filmvorführungen ohne die hierfür erforderliche Berechtigung veranstaltet werden, wobei sich das Programm selbstverständlich nicht auf einige wenige religiöse Filme beschränkt, sondern normale Spielfilme zu einem Regiebeitrag aufgeführt werden, der dem Nettopreis der Kinos durchaus entspricht und auch entsprechen kann, weil die den Nettopreis der Kinos belastenden öffentlichen Abgaben wegfallen. Solche Vorfälle sprechen sich unter den Branchekollegen naturgemäß herum und bleiben in ihren Auswirkungen daher nicht auf den Veranstaltungsort beschränkt. Ich möchte loyalerweise feststellen, daß die obersten kirchlichen Filmstellen durchaus bemüht sind, im Einvernehmen mit unserem Fachverband derartige Unzukömmlichkeiten abzustellen, muß aber anderseits betonen, daß sich die Erfolge stets erst nach unverhältnismäßig langen Zeiträumen einstellen, innerhalb deren meist sehr viel Porzellan zerschlagen worden ist.

Ich verkenne aber keineswegs, daß mancherorts auch seitens der Lichtspielunternehmungen nicht die nötige Aufgeschlossenheit und wohlwollende Einstellung zu diesen Problemen vorliegt. Ich glaube aber sagen zu dürfen, daß eine solche, wenn auch in langer und mühevoller Kleinarbeit, erzielt werden könnte, wenn sich das gute Klima und Einvernehmen, das in den Beziehungen der obersten kirchlichen Filmstellen zu unserem Fachverband herrscht, allgemein verbreitern würde und jene Hindernisse beseitigt werden könnten, die heute noch einen Großteil unserer Mitgliedsbetriebe zu ihrer mehr oder weniger reservierten Haltung dem religiösen Film gegenüber veranlassen. Auf diese Weise würde sich der Umfang der bestehenden Schwierigkeiten von vornherein auf jene reduzieren, die, wie ich eingangs ausgeführt habe, auf dem mangelnden Verständnis und dem mangelnden Interesse weiter Publikumskreise be- ruhen. Diese zu überwinden, wird freilich sehr lange dauern, was uns aber nicht hindern darf, uns dafür mit ganzer Kraft einzusetzen.

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