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SELBSTKONTROLLE

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(Eine Stellungnahme der Katholischen Filmkommission für Österreich)

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(Eine Stellungnahme der Katholischen Filmkommission für Österreich)

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In die österreichische Filmsituation, in der seit der „Sünderin“ Ruhe geherrscht hat, ist über Nacht Bewegung gekommen. An die Seite der Bemühungen um die Förderung guter Filme, wie sie seit Jahren die kirchlichen Vilmstellen, neuerdings auch die vom Unterrichtsministerium ins Leben gerufene Aktion „Der gute Film“ pflegen, ist nun auch, ausgelöst durch die Häufung krimineller Vorfälle besonders bei Jugendlichen, von Regierungsseite eine Selbstkontrolle der Filmwirtschaft angeregt worden: eine Kommission, in der die Filmleute das erste Wort haben sollen, soll bedenkliche Filme freiwillig vom Programm absetzen. Das schon vor Jahren einmal diskutierte Vorhaben ist verheißungsvoll, aber auch voll Schwierigkeiten, zumal uns für diese neue Art einer demokratischen „freiwilligen Zensur“ so gut wie keine ausländischen Erfahrungen zur Verfügung stehen. Die Arbeiten des vorbereitenden Komitees, die noch in dieser Woche in ein entscheidendes Stadium treten dürften, sind weit fortgeschritten. In diesem Zusammenhang gewinnen die nachstehenden Anregungen und Vorschläge der Katholischen Filmkommission für Oesterreich als der autorisierten kirchlichen Filminstitution ihre besondere Bedeutung. Die Furche.

Die Katholische Filmkommission für Oesterreich als die nach den Weisungen der Päpste von den österreichischen Bischöfen als offizielles Filmreferat eingerichtete kirchliche Institution war in den vergangenen zehn Jahren ihres Bestandes im Bewußtsein, daß es im zeitgenössischen Filmwesen um eine ernste kulturelle Angelegenheit geht, stets bemüht, den guten Film zu fördern, dessen geistige und sittliche Werte an breitere Kreise der Bevölkerung heranzuführen und diese zu einer richtigen Aufnahmebereitschaft zu erziehen. Sie war aber auch im Sinne ihres Auftrages gezwungen, fallweise auf den verderblichen Einfluß bedenklicher Filme im Volke und insbesondere bei der Jugend hinzuweisen und die Gläubigen davor zu warnen.

Sie begrüßt daher die Initiative der Bundesregierung, in Form einer „Freiwilligen Selbstkontrolle“ ein wirkungsvolles Instrument zu schaffen, das Auswüchse der Filmproduktion wegen ihrer mitunter verheerenden Folgen aus unseren Lichtspieltheatern verbannen und uns eine regelrechte Zensur ersparen soll. Die Hoffnungen, die sie in diese Bemühungen mit allen Gutgesinnten, Volks- und Jugendfreunden setzt, können aber nur erfüllt werden, wenn wirklich ausreichende Maßnahmen getroffen werden und die Richtlinien sowie die Funktionsform dieser neuen Stelle klare Entscheidungen ermöglichen.

Zu diesem Vorhaben kann die Katholische Filmkommission im Einklang mit den langjährigen Erfahrungen katholischer Filmarbeit feststellen:

1. Es muß davon ausgegangen werden, daß der Film heute zu einem Volksbildungsmittel ersten Ranges für die breiten Massen geworden ist und es — in gutem Sinne — noch mehr werden müßte. Dies gilt auch für die an sich durchaus zu bejahenden reinen Unterhaltungsfilme. Die Filmwirtschaft möge sich mehr als bisher darüber Rechenschaft geben, daß heute mehr als je zuvor gute Filme nachweisbar Kassenerfolge und Spitzengeschäfte sein können.

2. Es wird Vorsorge zu treffen sein, daß alle bedenklichen Filme, gleichgültig ob importierte oder in Oesterreich hergestellte, der zu schaffenden Stelle im Bedarfsfalle vorgelegt werden können. Es darf neben der großen Bedeutung von Filmen für Jugendliche nicht übersehen werden, daß die verderblichen Beeinflussungen auch bei Erwachsenen spürbar werden können; es geht um das Volksganze.

3. Ueberhaupt muß die Frage der Selbstkontrolle von der des Jugendschutzes absolut getrennt werden. Die auch vom Ministerkomitee vorgeschlagene Ausdehnung des Jugendverbotes auf Jugendliche bis zu 18 Jahren würde begründeten pädagogischen Tendenzen entsprechen und wäre zu begrüßen, zumal die Jugendschutzbestimmungen, wie unsere langjährigen Arbeitserfahrungen erwiesen haben, durchaus nicht überall nach den gesetzlichen Vorschriften gehandhabt werden.

4. Es wäre daher zu einseitig, wenn man die Maßnahmen nur auf Kriminal-, Gangster- und Wildwestfilme beschränken wollte; sie müßten unbedingt auf alle ernsten sittlichen, geistigen und politischen Gefährdungen ausgedehnt werden.

5. Um der kulturellen Bedeutung des Filmwesens und den positiven Bestrebungen der Filmwirtschaft gerecht zu werden, müßte die Förderung der wertvollen Filme endlich auch durch wirksame steuerliche Begünstigungsmaßnahmen seitens des Bundes, der Länder und der Gemeinden unterstützt werden.

6. Man möge zur Rechtfertigung fragwürdiger Geschäfte nicht mit den abgegriffenen Argumenten von Liberalismus und freier Meinungäußerung operieren. Ein Selbstschutz gegen seelische Erkrankung und Verderbnis ist zumindest genau so berechtigt wie der gegen die Suchtgifte, die den Körper gesundheitlich zerstören. Gegen diesen letzteren hat man noch nie mit dem Hinweis auf die menschliche Freiheit Sturm gelaufen.

Wir glauben, daß die Beachtung dieser Gesichtspunkte die Selbstkontrolle zu einem wirkungsvollen Schutz gegen einen seelischen Krankheitsherd gestalten könnte, der die positiven und wertvollen Möglichkeiten der wunderbaren menschlichen Erfindung Film oft in Mißkredit brachte.

Die Katholische Filmkommission konnte durch ihre mühevolle, nicht selten mißverstandene und auch angefeindete Tätigkeit im Kampf gegen den schlechten Film, immerhin den Erfolg erreichen, daß die übelsten Streifen (zirka 5 Prozent eines Gesamtjahresangebotes von mehr als 500 Filmen) in gut einem Viertel der etwa 1200 österreichischen Kinos freiwillig, manchmal auch unter Opfern, nicht mehr gespielt werden. Sie wird ihre ganze Kraft einsetzen, daß Schmutzund Schundfilme noch mehr als bisher aus unseren Kinos verschwinden, zumal jeder gesund empfindende Kinobesucher auf Erzeugnisse solcher Art gerne verzichten wird.

Die Katholische Filmkommission für Oesterreich wird, wenn sie von den derzeit noch notwendigen Abwehraktionen gegen den schlechten Film entlastet wird, ihre Kraft noch mehr als bisher der ihr von der höchsten kirchlichen Stelle aufgetragenen Förderung der guten Filme widmen können und auch jederzeit gerne widmen.

Sie hofft, daß ihrer Stimme, die sie zu dieser ernsten Sache im Namen von Millionen österreichischer Katholiken und wohl auch allen Gutgesinnten erhebt, von den kompetenten Stellen in erforderlichem Maße Gehör gegeben wird.

Sie erhofft sich von den behördlich angebahnten Bestrebungen eine wesentliche Ergänzung und Unterstützung ihres Bemühens, muß aber verlangen, daß sie — als kompetente Institution zur Beurteilung sittlicher Probleme in filmischer Darstellung — in einer solchen Körperschaft ständig vertreten sei.

gez. Dr. Karl Rudolf. Vorsitzender der Katholischen Filmkommission,

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