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Das religiöse Thema im Film

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„Der Weg, der zum Himmel führt“ (Himlaspelet) nennt sich ein neuer schwedischer Film, der wohl eingehenderer Betrachtung wert ist. Das Volk des Nordens zeigt hier ein Werk von märchennaher, naiver Unbekümmertheit, das an die besten Vertreter des einstmals berühmten „Schwedenfilmes“ erinnert. Es ist die allbekannte Geschichte vom „Jedermann“, die mit allen Möglichkeiten moderner Filmtechnik neu erzählt wird, die Geschichte vom armen Reichen, der Gold um sich häuft und an der Seele verarmt, am Ende aber doch ins Himmelreich eingeht. Denn jener Reiche muß durch eine Hölle voll Qualen gehen, ehe er zu Gott findet. Das Legendenhafte dieser Episode steht so selbstverständlich inmitten unserer heutigen Welt, daß niemand sich seiner starken und mahnenden Wirkung 'zu entziehen vermag. Wir begegnen Maria und Joseph, den Aposteln, König Salomon, ja sogar Gott selber unter den Menschen der Gegenwart und empfinden solche Begegnung weder unwirklich noch lächerlich. Also ein Film, der als Kunstwerk gewertet werden darf. Er ist zeitlos und von einer natürlichen Spannung. Auf plastische Weise bekundet er, daß ein gesundes Maß an Frömmigkeit keineswegs vor Filmateliers, Jupiterlampen und Drehbuch haltzumachen braucht.

Ein amerikanischer Filmfachmann traf einmal folgende Feststellung: „Es ist Unsinn zu behaupten, die Filmindustrie verbilde den Geschmack der Massen. Das Publikum erhält genau jene Filme, die es verdient, das heißt, nach denen es verlangt. Die Kasseneinnahmen sprechen hier eine deutliche Sprache.“ Nun, der Film ist ein Erzeugnis des kapitalistischen Zeitalters. Seine wirtschaftliche Auswertung ist eine Frage der Rentabilität. Auf einen einfachen Nenner gebracht, verlangt die große Masse seiner Konsumenten vom Kino eine Befriedigung von Bedürfnissen, die ihr im wirklichen Leben meist unerreichbar ist.

Dieser Charakter des Gebrauchsartikels der Phantasie, der für die Hersteller um jeden Preis rentabel sein muß, ist wohl der tiefere Grund, warum die Kirche religiösen Filmthemen mit einer gewissen Zurückhaltung gegenübersteht. Eine grundlegende Stellungnahme der Kirche zum Film ist in einem Rundschreiben von Pius XL, der „V i g i 1 a n t i Cur a“, niedergelegt. Darin werden im wesentlichen die Voraussetzungen beschrieben, die sowohl der Film als auch die Gläubigen in ihrer Haltung zu ihm erfüllen sollen. Darüber hinaus fordert der Papst eine Kontrolle aus grundsätzlicher katholischer Schau über alle erscheinenden Filme.

Die Weltfilmproduktion hat nur ganz wenige Beispiele aufzuweisen, in denen religiöses Gedankengut echt, tief und lebendig zur Darstellung kam. Obwohl gerade filmischen Ausdrucksmitteln, wie der Symbolik des Bildes, in hohem Maße eigen ist, das Unsichtbare, Übernatürliche durch Vergleiche dem Verstände näherzubringen. Ein bekanntes Beispiel hiefür bot der amerikanische Film „Ben Hur“ oder der Tonfilm „Green Pastures“, der die biblische Geschichte in der Anschauungswelt von Negerkindern wiedergibt.

Allerdings wirkt bei solchen Themen auch jeder Mißton, jede süßliche, unechte Note als unerträglicher Kitsch. Nur wirklich guter Geschmack und viel Fingerspitzengefühl können Entgleisungen vermeiden. Der Stummfilm „König der Könige“ verletzte infolge seines revuehaften Pomps, seiner berechnenden Theatralik und der mit der Religion betriebenen geschäftlichen Spekulation das Taktgefühl und wirkte abstoßend. Zum Zwecke der Bekämpfung schlechter Filme religiösen, aber auch allgemeinen Inhalts gründeten die Bischöfe der Vereinigten Staaten im Jahre 1934 die „League of Decency“, Etwa 16 Millionen amerikanische Katholiken, die diesem Bund angehören, legen alljährlich in der Woche nach dem 8. Dezember in den Kirchen das feierliche Versprechen ab, nur gute Filme zu besuchen und minderwertige zu meiden. Der systematische Boykott bestimmter Filme und die positive Förderung anderer, als wertvoll anerkannter, üben einen beträchtlichen Einfluß auf die Industrie aus. Außerdem besitzt die ,;League of Decency“ eine neuzeitlich eingerichtete Filmstelle mit eigener Bewertungskommission, deren Urteile den Mitgliedern als Richtlinie für ihre Einstellung gegenüber allen vorgeführten Filmen maßgebend sind. Ähnliche Einrichtungen bestehen auch in anderen Ländern, die Fäden laufen in dem Internationalen katholischen Filmbureau als Zentralstelle in Brüssel zusammen.

Die dankbarste und zweifellos auch erfolgversprechendste Gattung religiöser Filme ist das Mysterienspiel, das eine bestimmte religiöse Wahrheit durch eine symbolische Geschichte zu veranschaulichen sucht. Diese kann so spannend und modern wie ein Gesellschaftsroman sein; entscheidend ist nur, daß sie nicht Selbstzweck ist, sondern eine allgemeingültige, höhere Erkenntnis demonstriert. Darunter fällt zum Beispiel der genannte schwedische Film, vor allem aber der amerikanische Film „Pe ter Ibbetso n“, der leidenschaftliche Debatten hervorrief. Er bewegte sich in jenen seelischen Bezirken zwischen Licht und Schatten, die mit dem Verstand allein nie ganz zu ergründen sind und deren Betreten immer die Gefahr von Fehldeutungen und abergläubischen Auswirkungen mit sich bringt. Das ist namentlich in einer Zeit in Betracht zu ziehen, in der die Nekromantie ohnehin der Tummelplatz kundiger Geschäftemacher ist.

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