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Der Papst und das Konzil

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Seit Papst Johannes XXIII. den Stuhl Petri bestiegen hat, häufen sich in der Weltpresse Berichte und Spekulationen über die Pläne und Ziele des neuen Pontifikats, wobei Neugier und Interesse des Publikums ebenso wie die kühne, frisch zugreifende Art dieses Papstes, heikle Probleme anzugreifen, Motive genug bilden. Wer jedoch die zahlreichen Veröffentlichungen studiert und sich durch den Blätterwald durcharbeitet, mu6 feststellen: es sind nur ganz wenige wirklich informative Veröffentlichungen bisher über die Gestalt des Heiligen Vaters, im Zusammenhang nicht zuletzt mit seinem Wunsche, ein Oekumenisches Konzil wohl ab 1962 einzuberufen, erschienen. Der bedeutendste Beitrag in letzter Zeit erschien aus der Feder Otto Karrers in der „Neuen ZUrcher Zeitung". Otto Karrer ist weit über die engere katholische Welt hinaus bekannt als Theologe, Kirchenhistoriker und geistlicher Autor von hohem Rang. Selten greifen Männer dieses Formats zur Feder, um in die Arena der Tagespresse einzutreten. Otto Karrer hat uns — Oesterreichs Katholizismus und im besonderen der „Furche“ seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden — seinen Aufsatz zum Nachdruck zur Verfügung gestellt. Die Redaktion

Was meinte Johannes XXIII., als er ein Oekumenisches Konzil ankündigte? In der westlichen Welt werden sehr viele, wenn nicht die meisten, sich bei dem Wort „Oekumenisches Konzil“ etwas höchst Ueberraschendes, in der katholischen Tradition ganz Ungewohntes vorgestellt haben: eine zwischenkirchliche Versammlung von Repräsentanten der verschiedenen christlichen Bekenntnisse zur Ueberwindung der historischen Trennung. Anscheinend ist dies auch Persönlichkeiten des Oekumenischen Rates der Kirchen so ergangen, da dessen Generalsekretär, Dr. Visser ’t Hooft, gestand, er sei bei der Ankündigung des Konzils betroffen gewesen: ob eine solche Kühnheit nicht über historisch bedingte und psychologische Wahrscheinlichkeiten hinweg das Ende einer erhofften Entwicklung an den Anfang stelle, statt mit den Elementen zu beginnen. Aber auch verschiedene römische Beurteiler, mit denen ich in diesen Tagen sprach, sind der Meinung, der Papst habe gemäß seiner impulsiven Art, unbekümmert um alle theologischen Vorbehalte und praktischen Schwierigkeiten, einfach im Bewußtsein der ungeheuren Schäden, welche die Spaltung der Christenheit in der Geschichte verursachte und in der heutigen Situation verursacht, aus spontaner Intuition das Konzil zur Sammlung der Gutgesinnten ins Auge gefaßt — ein bißchen „alla buona", wie die Italiener sagen, das heißt aus dem Handgelenk.

Vielleicht ist in all dem ein Körnchen Wahrheit verborgen. Im wesentlichen aber scheint mir die, .angeführte Meinung falsch,- Der Papst-weiß sehr ' rpli.l.jwas er wilĮ1;,ynfĮ,franst ąjRsicįjKff Gefühl für die Zusammenhänge und für den einzuschlagenden Weg zu seinem Ziel, aus „Eingebung“ in diesem Falle, nach seinem Wort. Was aber die Bezeichnung „ökumenisches" Konzil betrifft, so liegt ein terminologisches Mißverständnis vor, ein frappierendes Beispiel, wie vieldeutig die menschliche Sprache zufolge der begrenzten Ausdrucksmöglichkeiten ist und wie leicht man auch in theologischen Kreisen aneinander vorbeiredet, weil man mit dem gleichen Wort sehr Verschiedenes meint, gerade so, wie Politiker an verschiedenen Orten etwa von Freiheit oder Demokratie sprechen und dabei ungewollt oder gewollt zu Verwirrungen Anlaß geben. Dr. Visser ’t Hooft prägte zur Veranschaulichung dieses Sachverhalts einen Satz, in welchem das Wort „ökumenisch“ in jeweils Verschiedener Bedeutung vorkommt: „Der Oeku- menische Patriarch von Bvzanz stellt die Frage, ob ein Oekumenisches Konzil auch wirklich ökumenisch sei, wenn der Oekumenische Rat der Kirchen nicht eingeladen werde.“ In der ersten Wortverbindung ist „ökumenisch“ der Bestandteil eines Titels für den Repräsentanten der. Orthodoxen Kirche. Die zweite Wortverbindung „Oekumenisches Konzil“ bezeichnet eine die Bischöfe der ganzen Welt umfassende Versammlung der Katholischen Kirche. „Wirklich ökumenisch" heißt nach einem neueren Sprachgebrauch „die ganze Christenheit umfassend“. Und der „Oekumenische Rat der Kirchen", 1948 in Amsterdam gegründet, ist die zentrale Beratungs- und Vermittlungsstelle der in aller Welt verbreiteten 171 christlichen Körperschaften (ohne Rom, hingegen mit Einschluß der kleineren protestantischen Sekten des linken Flügels, die weder ein festes Bekenntnis noch Sakramente haben) Vom ganzen Satz ist zu bemerken, daß er als rhetorische Frage eine verneinende Antwort insinuiert, wobei man sich aber gegenwärtig halten sollte, daß ein Oekumenisches Konzil (wie übrigens löblicherweise die Schweizerische Depeschenagentur schon bei der ersten Durchgabe der Nachricht beifügte) in der altüberlieferten kirchlichen Sprechweise, der sich auch die reformatorischen Bekenntnisse angeschlossen haben, etwas ganz anderes bedeutet als eine zwischenkirchliche Versammlung gemäß dem heutigen protestantischen Sprachgebrauch. Niemand wird der Katholischen Kirche das Recht bestreiten, ihrem alten Sprachgebrauch zu folgen. Das Oekumenische Konzil Johannes’ XXIII. bedeutet die Versammlung aller katholischen Bischöfe, soweit sie nicht durch äußere Umstände am Erscheinen verhindert sind.

Anderseits hat der Papst im Zusammenhang mit der Ankündigung des Konzils sich bei verschiedenen Anlässen über seine Absicht in einer Weise geäußert, die erkennen läßt, daß er sein Pontifikat und so auch das Konzil sowohl unter das Zeichen der innerkirchlichen Erneuerung wie der christlichen Sammlung zu stellen wünscht. Zwar sind solche Aeußerungen über die kirchliche Einheit zunächst auf die Versöhnung mit den Kirchen des Ostens bezogen, aber doch nicht einfach auf diese beschränkt, sondern legen eine umfassendere Sinngebung nahe. Um hierüber eine größere Klarheit zu gewinnen, konferierte ich mündlich und brieflich mit verschiedenen Theologen, vor allem mit dem kirchlichen Beauftragten für zwischenkirchliche Angelegenheiten im deutschen Sprachraum, Erzbischof Dr. L. Jaeger von Paderborn, und mit dem holländischen Sekretär der „Conference Catholique pour les Questions Oecumeniques“, Dr. J. G. M. Willebrands, und begab mich schließlich nach Rom, um an der Quelle im Gespräch mit kompetenten römischen Stellen verläßliche Auskunft zu erhalten. Das Ergebnis wird vielleicht für viele ernüchternd sein und scheint mir doch für die Freunde der ökumenischen Bestrebungen begründete Motive der Hoffnung auf eine fortschreitende Besserung der konfessionellen Atmosphäre und auf Annäherungen innerhalb der getrennten Christenheit zu enthalten.

Dies vor allem im Hinblick auf die religiöse Gestalt des neuen Papstes. Man hat einige charakteristische Züge seine Wesens auch in der evangelischen Christenheit mit Freude wahrgenommen. Zwar sind ihm gläubige Protestanten wohl nur vereinzelt begegnet. Von Vertretern der nichtrömischen Welt lernte Nuntius Ron- calli vor allem ostkirchliche Würdenträger kennen, und sie haben von ihm aus jener Zeit den Eindruck eines überaus gütigen priesterlichen

Menschen gewonnen, der sie als Brüder in Christus ehrte und zu dem sie Vertrauen faßten. So der Oekumenische Patriarch von Byzanz, mit dem der Papst in brieflichem Austausch steht, und kürzlich auch dessen Vertreter im Westen, Erzbischof Jakobus — ein Beispiel, was Vertrauen und Brüderlichkeit auch über traditionelle Spannungen hinaus vermögen, um das Haupthindernis der christlichen Versöhnung zu überwinden: die vor- und außertheologischen Hemmungen, das Mißtrauen, mit Furcht gemischt, in Erinnerung an Mißgriffe und gegenseitige Verletzungen in der Vergangenheit. Die Eindrücke echter Frömmigkeit, Zeichen des göttlichen Geistes auch außerhalb der eigenen Glaubens tradition, führen zu einer Herzlichkeit der Begegnung, in der das Gemeinsame zum Erlebnis werden kann, Es ist nun einmal etwas anderes, die „Gegner" nur aus theologischen Kontroversschriften zu kennen, als in persönlicher Begegnung die tatsächliche Gesinnung und Haltung zu spüren und stillschweigend die traditionellen Ungerechtigkeiten zu korrigieren.

Von protestantischen Gruppen kennt der Heilige Vater von seiner Jugend an näher wohl nur die Waldenser, jene dissidenten Gemeinden der oberitalienischen Alpentäler aus der vorrefor- matorischen Zeit, die bis heute eine lebendige Bibelfrömmigkeit bewahrt haben und in Rom mit ausländischen Hilfen zwei exponierte Kirchen und eine theologische Schule besitzen. Mit den Erben des reformatorischen Protestantismus hingegen ist der Papst kaum in nähere Beziehung gekommen, und seine bisherigen Aeußerungen lassen bestimmte Absichten oder Hoffnungen in dieser Hinsicht nur vermuten. Und doch gibt es Anzeichen, daß er solche in seinem Herzen trägt, „in petto“, wie der römische Ausdruck besagt. Erste Beziehungen zwischen anglikanischen und römischen Theologen gehen noch auf die Zeit Pius’ XII. zurück; hingegen sind auch Besprechungen zwischen episkopalen Vertretern aus den Vereinigten Staaten, meines Wissens auf deren eigene Anregung hin, und katholischen Theologen unter dem gegenwärtigen Papst eingeleitet worden. Kontakte katholischer Theologen mit führenden Vertretern des Oekumenischen Rates in Genf bestehen schon seit längerem und führten unter Johannes XXIII. anläßlich des Konzilplanes zu neuen Besuchen in Genf, mit Berichten, die in die Hände des Heiligen Vaters kamen. Zur Stunde kann niemand mit Sicherheit sagen, wie weit der Papst über die bisher eingehaltene Linie gegenüber evangelischen Glaubensgemeinschaften hinausgehen wird. Zweifellos aber bringt er eine Art naturgewachsener und charismatisch vertiefter Disposition des Herzens für das Anliegen der christlichen Einheit mit. Er wird die Bestrebungen in dieser Hinsicht, soweit sie mit den gegebenen Realitäten rechnen, nicht nur nicht hindern, sondern ermutigen. „Papst Johannes ermuntert die von unten her aufsteigenden Bestrebungen für die Einheit“, sagte mir ein bestinformierter römischer Gesprächspartner. Die Menschlichkeit und väterliche Güte, die aus seinem ganzen Wesen, seinen Worten und Gesten leuchtet, seine nüchterne Menschenkenntnis, verbunden mit der kindlichen Frömmigkeit des italienischen Bauernsohnes, die köstliche Einheit von Humor und priesterlichem Ernst, die Geistesgegenwart seiner scherzhaften Bonmots, vor allem die ungezwungene Herzlichkeit, ja Demut im Umgang mit Hoch und Nieder — von den Insassen der römischen Gefängnisse, denen er sagt: „Wir sind Brüder, wir traeen alle eine Last", bis zu den bischöflichen Kollegen und den einfachen Priestern, die er zur Begrüßung wie ein Bruder umarmt —: all diese Eigenschaften des neuen Papstes haben ihm in kurzer Zeit die Herzen des italienischen und speziell des römischen Volkes gewonnen und zugleich wohl aller, die davon hörten. Togliatti, der Kommunistenführer, so heißt es. sei wütend über die allgemeine Popularität des Papstes und über die Schrumpfung seiner eigenen.

Doch handelt es sich bei dem Gesagten eigentlich nur um die mehr familiären Eigenschaften, die auch dem einfachen Seelsorger anstehen, ohne ihn deshalb „papabilis" zu machen. Für die Wähler Kardinal Roncallis dürften andere Charakterzüge ins Gewicht gefallen sein. Man kannte seine Zurückhaltung gegenüber schwärmerischen Formen der Frömmigkeit und gegenüber einem gewissen ideologischen Maximalismus. Ob nun der neue Papst in Erfüllung von Verpflichtungen, die er im Konklave eingegangen war, oder ganz aus persönlichem Antrieb handelte — jedenfalls fiel die Klugheit auf, mit der er, die seit Jahren klaffenden Lücken ausfüllend, seine Mitarbeiter wählte, in dem offensichtlichen Bestreben, die kirchlichen Verantwortungen zu verteilen. Die großzügige Freiheit, mit der er sich von Anfang an über traditionelle Formen der vatikanischen Etikette hinwegsetzte, wurde nicht nur von den Kurialen mit Erleichterung aufgenommen. Sie hat dem Papst auch in der außerkatholischen Welt ein hohes Maß von Sympathie gewonnen. Während Pius XII. sich in einer Fülle von Ansprachen und Breven um Belehrung in den verschiedensten großen und kleinen Fragen der Gegenwart bemühte und dabei in steigendem Maße ein Einsamer in der Zwiesprache mit Gott allein wurde, jedoch mit hohem Verstand und hieratischem Feingefühl jedes Wort seiner Rede abwog und durch die Eleganz seines Vortrags und seiner Erscheinung zu begeistern wußte, ist Johannes ganz der Mann des Herzens, der aus vielseitigster Kommunikation mit der Umwelt lebt. Mit diplomatischen Dingen, so versichern Kenner, befaßt sich der Papst nicht gern und überläßt sie seinem Staatssekretär. Kardinal Tardini, der nach einer Periode des „Fastens" unter Pius XII. jetzt „wie eine Rose aus Jericho aufgeht". Papst Johannes ist der Typus des Seelsorgers von ausgesprochener Menschlichkeit. Mit der hohen Theologie hält er es ähnlich wie seinerzeit Franziskus: er ehrt sie .und wird nach allen Anzeichen ihrem Forschen jenen Spielraum lassen, den ihm sowohl die historischen Studien seiner geistlichen Frühzeit wie die späteren Beobachtungen während seines Aufenthalts in Frankreich nabeleeten. Sein besonderes Vertrauen genießt Kardinal Tisserant, der Präfekt der Orientalischen Kongregation, seiner Herkunft nach Lothringer, nach dem allgemeinen Urteil der einzige unter den Kurienkardinälen, der mit Geist und theologischer Bildung eine besondere Fähigkeit für die ökumenischen Fragen verbindet. Er hatte einen wesentlichen Anteil an der Bibelenzyklika Pius’ XII., und es gilt unter katholischen Freunden der Oekumene als ein hoffnungsvolles Zeichen, daß Johannes XXIII. seinem Lothringer Vertrauensmann den Auftrag erteilte, alle Anregungen und Wünsche, die im Hinblick auf das Konzil von evangelischer Seite kommen, zu sammeln und dem Papst zu übermitteln.

In innerem Zusammenhang damit dürfte es stehen, daß der Heilige Vater — nach dem Wort eines römischen Beobachters — „der Papst des wiederauf gewerteten Episkopats sein wird“. Als Patriarch von Venedig legte er Wert darauf, in bischöflichen Synoden die Anliegen seines Klerus zu hören und ihn väterlich zu ermuntern. Als Oberhirt der Kirche hat er alsbald nach der Ankündigung des Konzils, scheinbar ohne Zusammenhang damit, in Wahrheit zur nächstliegen- den Vorbereitung darauf und zum Exempel für die Bischöfe, die geistliche Erneuerung „im eigenen Hause" ins Auge gefaßt: durch eine römische Synode noch im Herbst dieses Jahres. Denn der Papst ist zunächst Bischof von Rom und dann Metropolit von Italien; das Oekumenische Konzil ist ihm die Anwendung der Diözesansynode auf die Gesamtkirche. Dabei will Johannes nicht „Alleinherrscher“ sein. Sein ganzes Wesen und die Idee seines Pontifikats, wenn man so sagėn darf, beruht gemäß der Grundverfassung der Kirche auf Verteilung der Verantwortungen auf die katholischen Bischöfe der Welt. Ein Oeku- menisches Konzil ist die Versammlung der Bischöfe nicht bloß zur Beratung des Papstes, sondern auch zur Mitentscheidung in den wichtigen Lebensfragen der Kirche. Und gerade weil dies aus innerkirchlichem Grunde gilt, nicht bloß aus Zweckmäßigkeit in der bedrohten Lage der Kirche und der ganzen Christenheit, dürfte es geeignet sein, die verbreitete protestantische Angst vor einem „zentralistischen römischen System“ wenn nicht zu überwinden, so doch zu mildern. Für die Versöhnung mit den Ostkirchen ist es die erste Voraussetzung, ohne daß dabei Wesentliches zu opfern wäre. Daß die Einheitsbemühurigen zunächst an der Stelle des verhältnismäßig geringeren Widerstandes beginnen, bedarf wohl keiner Begründung; aber auch für diese erste Stufe ist Johannes Realist genug, um nicht von einer Versöhnung auf den ersten Schlag zu träumen. Er spricht von vorbereitenden Verhandlungen, denen ‘da -öjt wMtliche Gespräch mit dsifPZfel eine?' bröflerlichen'V’efhätf- nisses und schließlich die kirchliche Wiederversöhnung folgen möge.

Von dem Allgemeinen Konzil selbst kann wohl weder der Papst noch die Christenheit im ganzen mehr als eine indirekte Förderung der christlichen Einheit erwarten, sofern eine Vertiefung des innerkirchlichen Lebens im Geiste Christi und eine Stärkung des wechselseitigen Zusammenhangs der Länder durch ihren Epi skopat eine günstige Rückwirkung auf die gesamte Christenheit haben wird, indem die unersetzliche Rolle des Episkopats in der Kirche klargestellt wird (im Sinne jener von Pius IX. feierlich bestätigten Erklärung der deutschen Bischöfe vom Jahre 1875, wonach die Bischöfe nicht päpstliche Delegierte, sondern selbstverantwortliche Nachfolger der Apostel in Gemeinschaft mit der Prima Cathedra Petri sind).

Für unmittelbare Einungsbestrebungen mit evangelischen Gemeinschaften wird das Konzil unter den zeitgeschichtlichen Umständen schwerlich ein geeignetes Werkzeug sein. Das ist natürlich nicht grundsätzlich, sondern praktisch gemeint: im Hinblick auf die gegenwärtige Verteilung der Bischofssitze über die katholischen Länder hin, die eine Mehrheit aus den „lateinischen“ Staaten (Italien, Spanien und Portugal, Süd- und Mittelamerika) zur Folge hat. Den Lateinern stehen hinsichtlich der Einstellung gegenüber dem Protestantismus auch die Iren und Polen aus historischen Gründen nahe, jene in Erinnerung an die englische Bedrückung des irischen Katholizismus bis zur „Home Rule", diese aus ähnlichen Erfahrungen unter der preußischen Herrschaft. Und da voraussichtlich die ungarischen, tschechoslowakischen und chinesischen Bischöfe fehlen werden, kann man sich leicht vorstellen, wieviel unter diesen Umständen nach psychologischen Gesetzen von einem Konzil für Einungsbestrebungen mit protestantischen Gemeinschaften zu erhoffen ist. In den meisten der erwähnten lateinischen Länder hat man mehr mit dem Kommunismus als mit dem Protestantismus zu tun, und was einen nicht heiß macht, realisiert man nicht so stark. Man kennt das evangelische Christentum fast ausschließlich nach seiner negativ-„protestantischen" Seite, wie man es in den apologetischen Schulbüchern unter der Rubrik „adversarii“ kennenlernte, und die Propaganda amerikanischer Sekten in Südamerika trägt naturgemäß auch nicht gerade zur Hebung der Stimmung bei. Was die Verteilung der Bischofssitze betrifft, so stehen der Menge von italienischen Zwergdiözesen, die an Umfang kaum einem Dekanat in nördlichen Ländern entsprechen, die unverhältnismäßig großen Diözesen in den konfessionell gemischten Ländern, besonders in Deutschland, gegenüber. Im Lateranvertrag sind zwar Zusammenlegungen der italienischen Kleinbistümer vorgesehen, aber die Durchführung steht bis heute aus. Unter diesen Umständen kann es nicht sehr überraschen, sowohl in Rom wie in Zürich, bei katholischen und protestantischen Kirchenhistorikern mit aufgeschlossenem Sinn für Gegenwartsfragen und Liebe zur Oekumene, der Auffassung zu begegnen, man tue gut daran, für die Einungsbestrebungen mit protestantischen Gemeinschaften von dem Konzil lieber gar nichts als Utopisches zu erwarten.

Doch wurde schon oben ausgeführt, was in Zusammenhang mit dem Konzilsplan die ökumenische Hoffnung begründet. Ganz abgesehen von der kirchenrechtlichen Möglichkeit, daß es zu einem Ausgleich des lateinischen Vorsprungs kommen kann und daß die moralische Bedeutung der Bischöfe aus den gemischten Ländern, besonders der Bischöfe Frankreichs und des deutschen Sprachraunts, in diesen Fragen zur Geltung kommen kann, wird die ökumenische Hauptaufgabe bis auf weiteres in den Arbeiten der erwähnten theologischen Kommissionen liegen, deren Mitglieder, vorwiegend aus konfessionell gemischten Ländern, ein tieferes kon- fessionskundliches Verständnis und eine bewährte Erfahrung im Umgang mit den Gesprächspartnern mitbringen. Der Papst versteht genug von ökumenischen Dingen, um solche persönlichen Begegnungen und Gespräche auch außerhalb offizieller Kommissionen zu wünschen und zu fördern. Oekumenische Wunder zu erwarten, sagte Kardinal Newman auf Grund seiner Erfahrungen, verwehrt sich einem nüchternen Glaubensgeist, der mit der Bedeutung

(auch religiösen Bedeutung) geschichtlicher Traditionen und mit den psychologischen Wahrscheinlichkeiten rechnet. Wohl gibt es unter Christen verschiedener Herkunft auch „unreale Meinungen, die nur aus Worten bestehen“,

schreibt er an einen anglikanischen Freund, „aber solcherart sind die Gegensätze zwischen

Katholiken und den von ihnen Getrennten nicht. Das Beste wäre, die Gegensätze existierten nicht — das Nächstbeste ist, offen dazu zu stehen, aber in Liebe. Und wir dürfen hoffen, Gott habe aufrichtigen Menschen den Wunsch und das Gebet der Einheit nicht umsonst ins Herz gegeben. Unterdessen, gerade weil das Hindernis der Einheit ein Gefühl der Gewissenspflicht ist und eine Ehrfurcht gegenüber dem erfordert, was jede Seite für die Wahrheit hält, mit dem Verlangen, den Glauben zu bewahren, dürfen wir in Demut hoffen, Gott werde, solange die Herzen nicht für die Einheit bereitet sind, den guten Willen für die Tat nehmen, wenn nur die Herzen ehrlich sind“ (bei Wilfr. Ward, The Life of J. H. Card. Newman II, 1913, 394 f.).

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