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Den Primat überprüfen?“

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Vergessen wir auch nicht, daß es eine Autoritätskrise im Sinn eines „Aufstandes gegen den Vater“ auch schon in früheren Zeiten gegeben hat: Anttpapalismus und übertriebenen, falschen Konziliarismus hat es in der Kirche schon früher durch lange Zeitepochen hindurch gegeben. Ebenso sind auch antirömische Affekte und Komplexe in gewissen Teilen der Kirche latent oder offen seit langem vorhanden. Im Hintergrund des heutigen „Aufstandes gegen den Vater“ mag der vor und während und nach dem II. Vatikanischen Konzil im innerkirchlichen Raum wieder erwachte Konziliarismus stecken, wie er unbewußt vielleicht sogar hinter manchen berechtigten Anliegen von Konzilsvätern und Komzilstheologen steckte, etwa wenn von der notwendigen Aufwertung der Bischöfe gesprochen wurde, weil sie gegenüber dem Papsttum auf dem I. Vaticanum zu kurz gekommen seien, oder wenn die Kollegialität der Bischöfe und lihre Mitverantwortung in der Leitung der Gesamtkirche in den Vordergrund geschoben wurde. Stillschweigend stand dabei der Gedanke dahinter: Dem Papst steht zuviel Macht zu, der römische Zentralismus ist zu stark, das Suhsidiaritätsprinzip muß endlich auch im kirchlichen Raum mehr Beachtung finden und so weir-ter.

Dazu kam — da und dort unbewußt, bisweilen aber sehr bewußt — der Drang, aus ökumenischen Absichten heraus den Primat des Papstes, der doch — wie Paul VI. selber einmal offen eingestand — das größte Hindernis für die Wiedervereinigung darstellt, zu entschärfen oder — wie man etwas euphemistisch formulierte — zu „überprüfen“. So schrieb zum Beispiel die „Deutsche Tagespost“ (Würzburg) am 28./29. Juni 1968 in einem Leitartikel unter der Überschrift „Den Primat überprüfen!“ unter anderem: „Auf Grund des (biblischen Befundes und im Hinblick auf das Wohl der ganzen Kirche, die heute lauter denn je nach Einheit schreit, wäre folgendes denkbar: 1. Der Papst ist und bleibt zwar der erste der Patriarchen (er führt diesen Titel ja nach wie vor), dem Wesen eines Jüngers. Christi und dem Wesen der Kirche als ,Leib Christi' sollte es dabei aber fremd sein, diesen .Vorrang' juristisch genau für alle kleinen und großen Eventualitäten festzulegen. — 2. Der Papst ist und bleibt .letzte Instanz' a) im Fade einer besonderen Beauftragung .... b) auf Bitten aller oder mehrerer anderer Patriarchen um eine notwendige Entscheidung, c) bei Behinderung anderer Patriarchen in ihrem Amt, d) bei schwerwiegenden Streitfragen, die eine baldige Entscheidung fordern, auch wenn er nicht förmlich als Richter angerufen wurde... Im Sinne dieser Darlegungen wären die Erklärungen des I. und II. Vtticanumas über den Primat und die Kollegialität der Bischöfe ohne allzu große Schwierigkeiten zu ergänzen beziehungsweise zu interpretieren...“ — Ähnliche Gedanken hat der Tübinger Fundamentaltheologe Hans Küng, der bekanntlich mehrmals sehr scharfe Kritik am Papst geübt hat, in seinem Buch „Die Kirche“ (Freiburg 1967) im Kapitel „Petrusmacht und Petrus-dienst“ (S. 522 bis 562) dargelegt. Bewußt oder unbewußt wird bei solchen Vorschlägen der päpstliche Primat zu einer obersten Schlichtungs-behörde oder gar zu einem bloßen Ehrenprimait, den ein frei gewählter Vorsitzender innehat, reduziert. Solche Überlegungen wirken sich dann aber — wie sich gerade im Fall von Hans Küng klar zeigt — konkret aus in scharfer, leider auch ehrfurchtsvoll wirkender, wenn auch vielleicht noch gut gemeinter Kritik am Papst und seinen Entscheidungen und Äußerungen aus. Das aber steigert sich dann bei solchen, denen die rechte theologische Einsicht fehlt, zu dem, was wir eben „Aufstand gegen den Vater“ nennen. Aus der Auffassung von der angeblich notwendigen und biblisch begründeten Reduzierung und Einschränkung des päpstlichen Primats folgt dann nämlich sehr leicht die Meinung, der Papst halte widerrechtlich an einem angemaßten vollen Leitungsprimat ge-gegnüber der Gesaimtkirche fest.

Ubersehen wir auch folgende Ursache für den „Aufstand gegen den Vater“ nicht: Man ist in letzter Zeit darangegangen, und zwar von sehr verschiedenen Positionen aus, das bis zu Pius XII. übliche, in gewisser' Hinsicht tatsächlich tabuisierte, mit einem Nimbus sakrosankter Unan-tastbarkeit und Heiligkeit umgebene Papstbild zu enfcmythologisieren und zu entsakralisieren:

Das geschah in bester Absicht von den beiden letzten Päpsten selbst: Denken wir an Johannes XXIII., der bewußt vom Papst den Nimbus der Unnahbarkeit nahm, leutselig unter die Menschen ging und sich mit ihnen wortwörtlich „fraternisierte“.

Paul VI. setzte mit anderen Gesten zwar, aber ebenso stark diese Ent-mythologisierung des Papstbildes und die Entkleidung des Papstes von allem Triumphalismus und Byzantinismus fort. Auch er ging unter die Menschen und ließ sich von ihnen umdrängen und fast lebensgefährlich herumstoßen. Er verzichtete weiter sehr betont und zeichenhaft auf die Tiara und entledigte den „Päpstlichen Hof“ — sogar dieser Ausdruck ist nun verpönt! — weithin allen weltlichen Prunks. So sehr diese von den letzten Päpsten selbst geförderte und vorgenommene Entmythologisierung des Papstbildes richtig ist und zu begrüßen ist, so ging es dabei aber doch um ein von weiten Kreisen mißverstandenes Herabsteigen von einem Podest auf scheinbar gleiche Stufe mit anderen. So konnte man es dann leichter und ungehemmter wagen, an diesem nun äußerlich scheinbar Gleichgestellten Kritik zu üben. Dazu kommt noch jene in böser Absicht, aus Gehässigkeit oder Haßliebe vorgenommene Entmythologisierung des Bildes vom letzten wirklich hierarchisch - erhabenen Papst Pius XII., durch Hochhuth in seinem Schauspiel „Der Stellvertreter“ und durch Friedrich Heer, vor allem in seinen beiden Büchern „Gottes erste Liebe“ und „Der Glaube Adolf Hitlers“. Mit Recht hat man Friedrich Heer auf Grund dieser seiner beiden letzten Bücher „den nach Hochhuth aggressivsten Papstentmythologisierer“ genannt! Ein weiterer Grund (im Sinne von Hinter-Grund) für den „Aufstand gegen den Vater“ dürfte in dem von vielen Seiten (vor allem auch von vielen jüngeren Priestern und Theologen) in übertriebener Weise geforderten und geförderten Verlangen nach Demokratisierung der Kirche liegen. Dabei machen nämlich manche zuletzt nicht halt vor einer praktischen Leugnung der hierarchischen Verfassung der Kirche und ihrer monarchischen Spitze im Papst. Hand in Hand damit geht bekanntlich auch die Übertreibung des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen auf Kosten des hierarchischen Weihe- und Amtspriestertums, was sich zuletzt wiederum negativ für die Autorität der Inhaber der vollen Weihegewalt (der Bischöfe) und des Ersten unter ihnen, des Bischofs von Rom, auswirkt. Angesichts einer Menschheit, die sich zunehmend demokratisiert und die — wie man behauptet — auf dem Weg zur „vaterlosen Gesellschaft“ ist und dabei alte Autoritäten stürzt, hat man kein Verständnis mehr dafür und will man auch keines mehr haben, daß es nur in der Kirche einen mit göttlicher Autorität ausgestatteten Vater gibt, dem Befehlsgewalt zusteht und der von den Gläubigen Gehorsam erwarten darf und dem ein oberstes Lehramt auch in Sachen des natürlichen Sittengesetzes zukommt.

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