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Ein falsches Papstbild?

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Die Römer mögen ihn nicht, weil er nicht Johannes XXIII. ist. Die Mitteleuropäer mögen ihn nicht, weil er „Humanae Vitae“ publiziert hat. Die Konservativen mögen ihn nicht, weil er das Latein in der Messe abschaffte. Die Progressiven mögen ihn nicht, weil durch ihn angeblich die Reformen stocken. Die Welt mag ihn nicht, weil er der unermüdliche Friedensmahner, ihr verkörpertes schlechtes Gewissen, der apokalyptische Unheils-verkünder ist. Nicht anders die Vatikan-Auguren, für die geradezu zum Dogma wurde, daß der Montini-Papst ein unentschiedener Hamlet-Typ, ein Zauderer ist. Papstbilder — flüchtig gezeichnet und bedenkenlos unter die Menge geworfen.

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Die Römer mögen ihn nicht, weil er nicht Johannes XXIII. ist. Die Mitteleuropäer mögen ihn nicht, weil er „Humanae Vitae“ publiziert hat. Die Konservativen mögen ihn nicht, weil er das Latein in der Messe abschaffte. Die Progressiven mögen ihn nicht, weil durch ihn angeblich die Reformen stocken. Die Welt mag ihn nicht, weil er der unermüdliche Friedensmahner, ihr verkörpertes schlechtes Gewissen, der apokalyptische Unheils-verkünder ist. Nicht anders die Vatikan-Auguren, für die geradezu zum Dogma wurde, daß der Montini-Papst ein unentschiedener Hamlet-Typ, ein Zauderer ist. Papstbilder — flüchtig gezeichnet und bedenkenlos unter die Menge geworfen.

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Viele kommen nach Rom, um sich von Papst Paul VI. selbst ein Bild zu machen. Manche lehnen dies auch grundsätzlich ab, wie kürzlich eine Gruppe von Theologiestudenten aus einer deutschen Universitätsstadt: „Wir wollten nicht Gefahr laufen, der Faszination zu erliegen.“ Eine erschreckende Negation des Kennenlernens, des „Sich-ein-Bild-ma-chen-Wollens“, weil man es schon zu haben glaubt. Was sie versäumten: einen Papst, zwar von der Bürde des Amtes gezeichnet, aber offen, empfänglich, empfindsam gegenüber allem, was ihm angetragen wird, sorgsam darauf bedacht, es allen recht zu machen. Ein Mensch, der mitfühlt, der mitleidet, ein Hirt, ein Priester, ein Diener. Die zahlreichen Audienzbesucher sind ergriffen von diesem Papst, von seiner Fähigkeit, jede einzelne Person „zu einer ganzen Welt“ zu machen, auch wenn er ihr nur ein einziges Mal begegnet. Einige gäben vieles, könnten sie nur seinen Rockzipfel erhaschen. Ihre ausgestreckten Hände suchen Brük-ken zu schlagen zu diesem Men-

Auch Einmonatslösung ist Abtreibung!

Die Wiener Katholische Akademie, die sich im Rahmen einer dreitägigen Studientagung mit den Hauptproblemen der Strafrechtsreform in Österreich beschäftigte, hat zu wichtigen Fragen eine Stellungnahme erarbeitet und diese im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit übergeben. Bei der Arbeitstagung, an der namhafte Wissenschaftler verschiedener Weltanschauung teilnahmen, waren die Schwerpunkte bewußt auf die grundsätzliche Bedeutung und Funktion von Strafe und Strafrecht sowie auf die beiden heißen Eisen „Abtreibung“ \ und „Pornographie“ gelegt worden. Die Stellungnahme der Katholischen Akademie unterstützt grundsätzlich den von der „Aktion Leben“ erarbeiteten Alternativvorschlag zur Regierungsvorlage in der Abtreibungsfrage. Von selten des Präsidiums der Akademie wurde festgestellt, daß diese Stellungnahme vom Präsidium der Wiener Katholischen Akademie in echter Eigenverantwortung getragen werde. Man spreche daher nicht im Namen der katholischen Kirche Österreichs oder der österreichischen Bischofskonferenz.

In einer sehr lebhaft geführten Diskussion stellten der Präsident der Katholischen Akademie, Weihbischof Dr. Jakob Weinbacher, und Hofrat Dr. Hans Schima übereinstimmend fest, daß in der Abtreibungsfrage Grundsätze auf dem Spiel stünden, von denen man nicht abrücken könne. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, daß die Vermutung berechtigt sei, daß eine Lösung in der Abtreibungsfrage noch offen sei. Das Gespräch der Exponenten der „Aktion Leben“ mit Justizminister Broda und weiteren sozialistischen Parlamentariern könne in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Im übrigen liege nach dem Villacher SPÖ-Parteitag, der sich bekanntlich mit großer Mehrheit für eine sogenannte „Fristenlösung“ ausgesprochen habe, noch keine neue Regierungsvorlage vor. Es basierten daher alle Gespräche noch immer auf jener Vorlage, sehen, in ihren Augen eine Verkörperung des Überirdischen. Faszination? Ja, häufiger aber tiefe Glaubenshaltung. Einer Gruppe von Kranken, auf Betten und Rollstühlen hereingefahren, nähert sich

Papst Paul mit echter Gebärde des Helfens, der Liebe, der Zuneigung. Nicht ihn braucht man dabei anzuschauen, sondern die Gesichter der Kranken, deren leuchtende Augen sein Bild widerspiegeln. Der Audienzpapst ist nicht der magische Heilsmittler, wie gesagt wurde, nicht „gehuldigter Pontifex Maximus“, der die Glaubensentscheidung des einzelnen einschließt. Er fordert sie geradezu heraus. Aber auch diese Bilder des Papstes der „Sedia Gedie sich für eine Indikationslösung ausspricht. Schließlich werde es gerade in den heiklen Fragen der Strafrechtsreform darum gehen, eine möglichst breite und fundierte Mehrheit für die Gesetzesvorlage zu finden.

Von seiten der Veranstalter der Arbeitstagung wurde darauf hingewiesen, daß erst die Publizierung aller Referate und der Diskussionsbeiträge einen Einblicfc in das breite Spektrum der Problematik gewähren werde. Auch der Wiener Moraltheologe Prof. Hörmann unterstrich in einem Statement, daß sich die Beschränkung auf Abtreibung und Pornographie aus Gründen der Arbeitsmethode ergeben habe. Im Mittelpunkt der Stellungnahme der Katholischen Akademie steht ein 10-Punkte-Programm, das konstruktive Maßnahmen der Gesellschaft zur Verhinderung von Schwangerschaftsabbrüchen, fordert. Unter anderem werden in diesem umfangreichen Programm „Informationen über alle moralisch verantwortbaren Formen der Familienplanung“ genannt. Zur Abtreibung selbst führte die Stellungnahme eine Reihe von Argumenten sowohl gegen die „Fristenlösung“ als auch gegen die „Indikationenlösung“ an. statoria“ und des Apostolischen Segens, jeder Händedruck von Hofphotograph Felici tausendfach aufgenommen — zeigen nicht alles.

Der deutsche Maler Ernst Günter Hansing malte sein Bild. Nicht eines, das man in jedem Souvenirladen um St. Peter kauft und von denen immer noch auf zwei von Paul VI. eines von Johannes XXIII. kommt. Hansing hat nicht nur den Menschen, sondern all das um ihn herum sorgfältig studiert. Es entstand kein Porträt, keine Repräsentation des Großen und Mächtigen. Es entstand erfahrene und gestaltete Wirklichkeit: der Papst, nur sichtbar im Antlitz und den gefalteten Händen, unverhältnismäßig klein in einer übermächtigen Raumstruktur. Helle Strahlen durchqueren das Bild. Zusammen mit zwei Säulen führen sie den Blick des Betrachters in das Rund der Peterskuppel, deren Zentrum wieder nach unten weist, zu seinem in strengen Zügen gezeichneten Gesicht. „Der Künstler sieht den Papst als einen von den Mächten der Finsternis zwar bedrängten, aber zutiefst im Glauben an Christus verankerten und aus dem Vertrauen auf den Herrn lebenden Hirten der Kirche.“ Das schrieb Kardinal Höffner, der während der Bischofssynode in Rom das Bild sah. Auch Hansing gelang es nur unvollständig. Was der Protestant malte, hat er zumindest erfahren: die Persönlichkeit des Papstes in ihrer „menschlichen Wärme, ihrem Charme und ihrer Hingabefähigkeit“.

Die Summe aller Papstbilder führen zu seinem „Image“. Nach einem Audienzbesuch — „mehr aus Neugierde“ — erklärten Mitglieder eines

Aufnahmeteams einer großen englischen Rundfunkanstalt, durchwegs Nichtkatholiken, einem deutschen Beobachter in Rom: „Wir verstehen gar nicht, warum der Papst bei euch ein so schlechtes Image hat.“ Und nicht ein eifriger Kurialer, sondern ein englischer Schriftsteller schrieb in der Zeitschrift „The Month“ den Satz: „Die Behandlung, die Papst Paul VI. in den Massenmedien erfährt, war nicht immer fair, zuweilen sogar schäbig und gemein.“ Weiter heißt es: „Man schimpft giftig auf den, der irgendwie für das Ganze steht, und das um so leichter, weil er fern ist und man nicht das Weiße in seinen Augen sieht, nicht das empfindsame Spiel seiner Gesichtszüge bemerkt.“ Der Ordensgeneral der Gesellschaft Jesu kritisierte kürzlich das „ehrfurchtslose Verhalten gewisser Gruppen, auch katholischer“, als „völlig unangebracht, ungerecht und unerträglich gegenüber der Aufgeschlossenheit, Liebe und echt evangelischen Demut Pauls VI.“. Er tadelte bei dieser Gelegenheit einen Teil seiner eigenen Ordensleute, die „für das schlechte Image des Papstes mitverantwortlich sind“. Es scheint kein Zweifel zu bestehen: der Papst hat das falsehe Image. Man macht sich ein falsches Bild vom Papst.

Wie kann man sich überhaupt ein Bild von diesem Papst machen? Diese Schwierigkeit weist gleichzeitig auf die Größe dieses 263. Nachfolgers Petri hin. Man wird ihm nur dann gerecht werden, wenn man sich ihm — wie so vielem in der Kirche — wie einem Geheimnis nähert. Man wird nur dann einige seiner Züge erkennen, wenn man unbefangen und unvoreingenommen auf seine Gestalt zugeht. Erst dann erahnt man hinter seiner zerbrechlichen Gestalt seine innere Weite, das Gewicht seines Auftrages und die Größe dessen, der ihm den Auftrag gab. Diese Fähigkeit zur Transparenz, zur Durchsichtigkeit auf den hin, den er sichtbar vertreten muß, ist Paul VI. gegeben, aber gleichzeitig von ihm täglich neu erkämpft. In dieser Transparenz leuchtet auf: es geht nicht um angemaßte Herrschaft, sondern um Dienst. Er weiß sich an das Neue Testament gebunden, das wahrlich keinerlei Auslegung durch eine neuplatonische Hierarchievorstellung bedarf. Sein Menschsein tritt zurück hinter die ihn ganz in Beschlag nehmende Verpflichtung, die fortschreitende Erneuerung der Kirche getreu dem Auftrag des Konzils unter Wahrung der Einheit kraftvoll voranzutreiben. Er selbst versteht das Privileg des Papstes „Weide meine Lämmer“ (Jo 21, 15) so: „Autorität und Liebe verschmelzen miteinander und etwas Neues, Großes entsteht, das sich bis an die Grenzen der Welt ausdehnt und alle Nöte der Menschheit umfaßt ... und dessen endgültiges und geheimes Wesen wir schon erahnen können: die Einheit der Kirche und damit auch die Einheit der Welt.“ Der Primat ist, sagt er, „der Leuchtturm, der zur Einheit hinführt.“

Um sich kein falsches Papstbild zu machen, muß man versuchen, viele Steinchen des Mosaiks Pauls VI. ineinanderzufügen, in der Bereitschaft zu einem gerechten Urteil. Wer dies tut, wird mit dem Wiener Kardinal König überzeugt sein, daß „Paul VI. der von der Vorsehung bestimmte Mann ist, der das Schifflein Petri mit sicherer Hand durch unruhige Zeiten in neue Weiten zu steuern hat, deren Horizonte verheißungsvoll in der Ferne leuchten“.

Viele Katholiken sind beunruhigt durch die Gärung in der Kirche. Die Auflehnung gegen das Lehramt und die Hierarchie^Zer-setzungserscheinungen, die die Glaubenssubstanz bedrohen, haben zu teilweise fanatischen Gegenbewegungen geführt. Die Kirche ist von einer Polarisierung bedroht, die eine Aushöhlung der Autorität zur Folge hat. In dieser Situation haben sich Katholiken verschiedener europäischer Länder, in engem Kontakt mit amerikanischen Katholiken, zu der Vereinigung „Pro Fide et Eccle-sia“ zusammengeschlossen; ihr gehören Bewegungen wie „Les Silencieux de l'Eglise“^ „Papst und Kirche“, „Pro Fide“, „Catho-lics united for the Faith“ und andere an. Die zunächst lockere organisatorische Vereinigung steht auch solchen Katholiken offen, die zu keiner dieser Bewegungen gehören. Der alte katholische Grundsatz: „Einheit im Unabdingbaren, Freiheit, wo es legitime Entscheidungen gibt, in allem der Geist der Liebe“ — soll in der Vereinigung herrschen, denn diese drei Dinge gehören zusammen, wo von katholischem Geist die Rede ist: Festigkeit, Weite und Liebe.

Die Föderation hat sich eine Charta gegeben, die durch die Arbeitsstelle „Glaube und Kirche“, Jahnstraße 4, A-5020 Salzburg, erhältlich ist.

Vom 10. bis zum 12. November soll in Rom eine übernationale Kundgebung der Treue zum Heiligen Vater, verbunden mit dem Bekenntnis zum Credo der heiligen Kirche stattfinden.

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