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Trotz Sorgen voll Hoffnung

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In der Vorwoche stellte die FURCHE einen kritischen Beitrag von Univ.-Prof. Ringel zur Diskussion. Pia Maria Plechl ist unserer Einladung gefolgt, sich mit Ringels Kritik auseinanderzusetzen.

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In der Vorwoche stellte die FURCHE einen kritischen Beitrag von Univ.-Prof. Ringel zur Diskussion. Pia Maria Plechl ist unserer Einladung gefolgt, sich mit Ringels Kritik auseinanderzusetzen.

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nen, miteinander zu sprechen, einandfer besser zu verstehen, das Gemeinsame zu suchen.” Sie hat aber auch (wieder einmal) eines deutlich vor Augen geführt: die Polarisierung „konservativ-progressiv” ist weder eine zwischen Hierarchie und Teilen des übrigen Gottesvolkes noch eine zwischen „Fortschrittlichen” und Rom.

Mag man die Konfrontation als Ausdruck eines lebendigen Pluralismus begrüßen oder als Zeichen schwindender Glaubensgemeinschaft beklagen — der Papst ist jedenfalls nicht in eine von nur zwei Kategorien einzuordnen. Ihn als „konservativ” zu klassifizieren (was im übrigen nicht von vornherein negativ wäre), ist eine imbegründete Einengung auf eine einzige Dimension. Simplifizierungen dieser Art sind freilich kein neues Phänomen:

Dem gängigen Bild von Johannes XXIII. fehlt der Hintergrund der Karriere als Diplomat; daß Pius XII. Vorbereitungen für ein Konzil traf, wird nicht erwogen; die Enzyklika „Humanae vitae” Pauls VI. wird auf die Empfäng nisverhütung reduziert, während die zentralen Aussagen über die liebende Zusammengehörigkeit und die verantwortete Elternschaft ignoriert werden — die Beispiele ließen sich fortsetzen.

Gegenstand solcher zweifelhafter Vereinfachungen ist auch das Konzil, dessen Aussagen offensichtlich weder von der einen noch von der anderen Seite wirklich studiert und rezipiert worden sind. Eine gründliche Auseinandersetzung mit allen Aussagen des Zweiten Vaticanums müßte auch den Vergleich mit einem psychotherapeutischen Prozeß — gelinde gesagt — fragwürdig erscheinen lassen.

Die Kirche — „seit Anfang der Welt vorausbedeutet”, das „im Mysterium schon gegenwärtige Reich Christi”, das „durch die Kraft Gottes sichtbar in der Welt wächst” (Lumen Gentium, 1.2,3), als das „neue Gottesvolk, zu dem alle Menschen aufgerufen werden” (Lumen Gentium 11,13) — ist nicht rundweg als Patient eines Psychiaters zu sehen. Wobei dem Ordinarius für medizinische Psychologie durchaus zugestanden sei, daß er Welt und Kirche eben aus der Sicht seines Berufes betrachtet.

Kritik, mehr oder minder berechtigt, Diagnose bestimmter Mängel (mit der Einschränkung, daß auch die moderne Medizin die Möglichkeit von Fehldiagnosen einzukalkulieren hat) aber verfehlen ihren Sinn und Zweck, wenn sie die Kraft des Guten, des Gesunden verleugnen oder ignorieren.

Daß eine vollständig heile Welt, auch eine Kirche der Vollkommenen, im irdischen Bereich nicht zu erwarten sind, ist indes aus christ licher Sicht vorauszusetzen. Diese Erkenntnis hat sehr wohl mit der von Prof. Ringel in anderem Zusammenhang erwähnten Demut zu tun.

Hoffnung, Freude und Liebe, wie wir sie in den Tagen des Papstbesuches erleben konnten, bilden dazu keinen Widerspruch — im Gegenteil. Es war keineswegs selbstverständlich, daß „alle gekommen” sind (nicht alle, aber doch viele); daß wirklich alle verändert, bekehrt gegangen sind, wäre eine allzu kühne Annahme.

Aber wer kann sich anmaßen zu beurteilen, wie und wo eine Saat auf geht, die im Erleben dieser Tage gesät worden ist? Daß sie gesät worden ist, steht wohl außer Frage - nichts und niemand soll uns daran hindern, Freude, Dankbarkeit und Hoffnung zu empfinden und auch zu zeigen.

Angesichts vieler Sorgen das Positive zu verschweigen, gar wegzuleugnen, ist unverantwortlich und falsch. So falsch, wie zum Beispiel die Behauptung, die Kirche möchte die Frau auf die „biologische Funktion” zurückdrängen und unterstütze sie nicht bei dem Kampf um die Gleichberechtigung.

Ist diese Kirche (und Kirche sind wir alle!) nicht heute mehr denn je der Anwalt für Recht, Würde und Freiheit aller Menschen? Mahnt sie nicht ununterbrochen zu gleichberechtigter Partnerschaft? Ist nicht ihr Einsatz für die Würde der Frau gerade eine Kampfansage an jede Reduktion auf das rein Biologische? Das leugnen kann nur, wer seinerseits die Mutterschaft auf eine biologische Funktion reduziert, was zutiefst unchristlich (und unmenschlich) ist.

Ein Vorwurf nur ist der Kirche nicht zu ersparen: Daß sie sich gegen einschlägige Verzerrungen ihres Image nicht nachdrücklicher zur Wehr setzt. Daß es ihr nicht möglich zu sein scheint, veraltete Klischees zu korrigieren; dazu gehört auch die Behauptung, der Frau werde das „Recht auf die Priesterweihe” vorenthalten — als gäbe es überhaupt ein solches Recht, als wäre Priestersein ein Anspruch, nicht eine Berufung.

Wer (ob nun Mann oder Frau) das Priesteramt, aber auch das Wirken der Laien unter dem Blickwinkel von Macht und „bedeutenden Funktionen” beurteilt, geht am Auftrag zum Apostolat vorbei. Was nottut, ist vielmehr die stete Ermutigung der Frauen, ihre Möglichkeiten und Rechte verstärkt zu nutzen.

Ermutigung braucht auch die Jugend. Und — da ist Ringel recht zu geben — Antwort auf ihre Fragen. Gerade eine solche Antwort aber hat Johannes Paul II. ihr auch in Wien gegeben. Man muß erlebt haben, wie die Zustimmung aufbrandete, als er im Stadion das Evangelium zitierte: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.” Gerade dieser Abend hat übrigens sehr deutlich gezeigt, daß Johannes Paul II. sehr wohl auch ein Hörender, ein Zuhörender ist.

Es gibt aber Grundsätze des Glaubens, die für den Christen außer Diskussion stehen. Das gilt selbstverständlich erst recht für den Papst. Es zu respektieren, ist Voraussetzung fruchtbringender Dialoge, die nicht Selbstzweck sind.

Katholikentag und Papstbesuch haben viele Anstöße zu solchen Dialogen gebracht, die nun aufzunehmen sind. Vor allem aber haben sie die Botschaft des Glaubens und der Liebe neu augenscheinlich gemacht — und das bedeutet eine Hoffnung, die stärker ist als alle Sorgen! Mut zur Hoffnung ist entscheidender als Mut zur Kritik.

Die Autorin ist Chefredakteur-Steil Vertreterin der „Presse”.

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