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Im Tod weniger — in der Sache mehr

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Man kann zugeben, daß die neue Fassung weniger herzlich klingt. In der Sache sagt sie aber eigentlich sogar mehr aus. Wenn das Wort verdammt bei den Judenverfolgungen ausfällt, so belehrt uns der Anhang, daß dies aus philologischen Gründen geschah, weil im technischen Wortsinn sich verdammen auf eine Lehre bezieht, hier aber von Handlungen die Rede ist. Im ganzen kann, glaube ich, gesagt werden, daß die neue Fassung in allen wesentlichen Aussagen nicht einen Schritt zurückgewichen ist, doch merkt man ihr die heftigen Angriffe an, die in der Zwischenzeit auf sie gerichtet wurden. Das ist eine relative Schwäche, doch wäre es töricht, sich dadurch die Freude an einer Erklärung verderben zu lassen, die im wesentlichen der ökumenischen Wende dieses Konzils durchaus entspricht. Das sind alles eigentlich erfreuliche Nachrichten.

Daneben lief die Aussprache über das Missionsschema, das im großen und ganzen den Vätern gut gefiel. Ob es freilich zur „Magna Charta“ der Missionen wird? Dazu gebricht es ihm an Schwung. Es ist eine Vorlesung, sagte ein Bischof. Die Ursache liegt an den vielen Vätern, die an diesem Text mitgearbeitet haben. Die Bischöfe zeigten sich vor allem bemüht, trotz der Aussage der Kirchenkonstitution, daß Gott allen Menschen, auch den vielen außerhalb der Kirche, den Weg zur Erlösung offenhalte, dennoch die Notwendigkeit der Mission stark herauszustellen. Viele Missionare leiden unter dieser Schwierigkeit.

Hierarchitis — eine Jugendkrankheit

Die Unterscheidung zwischen ordentlichem und außerordentlichem Heilsweg klingt trocken und profes-sial. Schon wirkte sich hier die Kirchenkonstitution, „Lumen geni-tum“ genannt, kräftig aus. Allen voran wies Kardinal Alfrink darauf hin, daß Träger der Mission nach „Lumen genitum“ das ganze Volk Gottes sei. Im Missionstext aber heißt es nur, daß die Laien fähig zur Mitarbeit mit dem Bischof sind. Im Laienschema stehe, daß solche Mitarbeit nur eine von mehreren Arten apostolischer Laientätigkeit sei. So leide der Text an einer gewissen Hierarchitis, einer Jugendkrankheit, und das müsse behoben werden.

Ebenso werde das Gespräch mit den nichtchristlichen Religionen allzu eng nur auf Vorbereitung zur Bekehrung aufgefaßt. Nach „Lumen genitum“ aber erhalte die Kirche auch etwas von den nichtchristlichen Religionen. Sie müsse es entgegennehmen und dadurch die Fülle ihrer eigenen Botschaft entfalten. Auch darin liegt ein Missionsgrund und -motiv. Überhaupt sei das Motiv der pilgernden Kirche, der Kirche und der Welt zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen Christi, der Kirche in der Geschichte zu kurz gekommen. Und doch wäre das gerade der Grundakkord dieses Konzils.

Bei der. Aussprache über das Priesterleben flammte die Sensation auf. Sie kam ziemlich eindeutig und sonderbarerweise aus Randkreisen dieses Konzils, Laien und einigen Geistlichen. Es war die Frage nach dem Zölibat der Priester. Ich glaube, man muß deutlich zwei Tendenzen voneinander unterscheiden: eine rein praktisch pastorale und eine grundsätzliche. Die rein pastorale ist vornehmlich in Südamerika beheimatet. Sie geht von dem Konflikt aus, der zwischen dem enormen Priestermangel und dem Recht der Gläubigen auf seelsorgliche Betreuung besteht. Muß nicht, fragt man sich hier, die Kirche diesen Christen kraft ihres Sendungsauftrags in jeder nur möglichen Weise zu Hilfe kommen. Nun sind Zölibat und Priestertum nicht notwendig miteinander verbunden, also, folgert zum Beispiel Bischof Koop aus Brasilien, sollte die Kirche eine Art Notstandsverordnung erlassen. Das bisherige zölibatäre Priestertum bleibe unangetastet, aber daneben sollten bewährte, schon länger verheiratete, berufstätige Männer im Nebenamt zu Hilfspriestern geweiht werden.

Ganz anderer Art ist die grundsätzliche Tendenz gegen den Zölibat. Daß bereits in der frühen Kirche ein gewisser manichäischer Zug der Minderbewertung alles Leiblichen sich bemerkbar machte, ist unbestritten. In der Aufstellung des Mönchsideals als des Heiligkeitsideals überhaupt fand das seinen Ausdruck. P. Yves Congar hat in seinen Werken eingehend dargestellt, wie diese einseitige Haltung das ganze Mittelalter und teilweise auch die Neuzeit geprägt hat. Sollte nicht, so fragen nun manche, diese allgemeine Haltung auch in der engen Verbindung von Priester und

Zölibat sich über Gebühr niedergeschlagen haben?

Freilich, ein schneller Schluß ist hier sehr bedenklich, denn unabhängig von dieser geschichtlichen Linie steht unzweifelhaft der evangelische Rat der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen, der offensichtlich eine Konvergenz mit den Aufgaben des Dieners am Altar und am Volk Gottes aufweist, fest.

Man sieht, daß hier große Vorsicht und viel Weisheit in der Beurteilung geboten sind. Jedenfalls ist das kein Gegenstand, der in die Hände von Presse und Druck und sich wissenschaftlich gebärdender Simplifika-teure gehört. Leider ist das aber schon lange vor der Behandlung der Priesterrichtlinien geschehen. Aber tatsächlich fand der Papstbrief an Kardinal Tisserant vom 11. Oktober zur Zölibatsfrage bei vielen Publizisten keine freundliche Aufnahme. Daß der Papst hier seine Meinung eindeutig zum Ausdruck brachte, die den Zölibat der Priester vollauf bejaht, gerade für heute, weil dadurch die Priester ihre ganze Liebe dem einzigen Christus schenken und sich hochherzig dem Dienst der Kirche und den Seelen hingeben können, war sicher sein gutes Recht. Mit starkem Beifall nahmen die Bischöfe den Brief auch auf.

Massenmedien — die Fürsten unserer Zeit

Der Papst bemerkt ausdrücklich, daß er die Freiheit der Konzilsaussprache nicht einschränken wolle. Wären die Bischöfe aus ernsten Gründen gegen die Ansicht des Papstes gewesen, hätten sie dies zum Ausdruck bringen können. Man hat ihre folgenden, dem Papst zustimmenden Äußerungen als servil bedeutet. Doch halte ich es für viel richtiger, darin die echte Überzeugung der großen Mehrheit zu sehen. Man kann an dem Stil dieser Antworten vielleicht Anstoß nehmen; er entspricht nicht dem Stil des Papstes. Aber das ändert nichts an der sachlichen Haltung der Bischöfe in ihrer erdrückenden Mehrheit.

Hier hat unerleuchteter Eifer gewisser Publizisten mehr geschadet als genützt. Wie überhaupt die öffentliche Meinung der Massenmedien allmählich an diesem Konzil die einstige Rolle der Könige und Fürsten sich einzunehmen anschickt. Aber bangen wir nicht; der Heilige Geist ist wie damals auch heute da. Er kann wirken und Er wirkt, wo Er will.

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