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Um die christliche Einheit

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In der Sonderreihe „Kirche und Welt“ des bayerischen Rundfunks war kürzlich zu dem Thema: „Was trennt und was eint die christliche Kirche“ eine protestantische Stimme vernehmlich, die durch ihre noble Würde und Eindringlichkeit mehr als Aufmerksamkeit zu beanspruchen imstande ist. Man muß sich mit ihr befassen. Sprecher war der angesehene evangelische Theologe D. D. Hans Ą s m u s s e n, Schwäbisch- Gmünd. Der Vortrag ließ erkennen, wie sich innere Schwierigkeiten, die im Laufe der geschichtlichen Entwicklung entstanden Sind, heute bei verantwortungsbewußten Männern der evangelischen Kirche zu lösen beginnen und einem verheißungsvollen Verständigungswillen Platz machen. Ausgehend von dem „gesichteten Ergebnis der Auslegung der Bibel, daß Kirche und Christentum dasselbe ist", erklärte Asmussen, „daß es nur eine Kirche gibt, wie es nur eine Christenheit gibt". Die Christen der ganzen Welt empfinden die Spaltung der Kirche als Fehler und erleben in überwältigender Weise die Einheit der Christenheit. Es sei eine unbestreibare historische Tatsache, daß die Christen im Begriffe sind, sich kennenzulernen in einer „Begegnung von gleichem Leben, und darum eine Sehr frohe Begegnung, wenngleich sie oft unter sehr traurigen Umständen vor sich geht, oft im Luftschutzkeller oder im Gefängnis".

Im Verlauf seiner Darlegungen setzte sich D. D. Asmussen mit den Meinungsverschiedenheiten in der evangelischen Kirche auseinander, zumal mit der von Laien aufgeworfenen Frage, ob man nicht ganz einfach von Begriff und Existenz der Kirche absehen könne, um zu einer Einigung zu kommen. Asmussen hält dem entgegen, es gebe „kein gesundes Streben nach Einheit, das nicht eingebettet ist in das Fragen nach der eigenen Kirche“. Der Redner verschwieg nicht die abgründigen Hindernisse, die noch einer Einigung entgegenstehen: „Denn alle die, welche die Trennung der Kirchen als ein Verhängnis nehmen, haben darin recht, daß die Zäune schier unüberwindlich hoch sind. Es mag sein, daß wir .sie an einigen Stellen, als zu hoch ansehen. Das gleicht sich aber wieder dadurch aus, daß wir die Zäune an manchen Stellen nicht für so hoch halten, wie sie wirklich sind. Verstandesmäßig ist die Lage nicht voller Hoffnung. Man muß schon das Gebet Jesu Christi um die Einheit der Kirche für wirkungsvoller und wirklicher halten als die vorhandenen wirklichen Unterschiede zwischen den Kirchen. Das ist aber auch die einzig entscheidende Frage. Die Wiedervereinigung stehe nicht in Menschenhand allein. Aber was alle dazu tun können“, erklärte Asmussen, „besteht darin, dem hohenpriesterlichen Gehet des Herrn entsprechend, nach der Einigkeit zu streben. Das bedeutet, daß wir arbeiten müssen mit all unserer Kraft, um unsere Verschiedenheiten wirklich so deutlich zu machen, wie es möglich ist, um jede Verkleisterung zu vermeiden."

Diese Worte eines angesehenen evangelischen Amtsträgers bedeuten viel. Von Wichtigkeit ist, daß man über jene Ressentiments hinausgekommen ist, die noch vor Jahrzehnten solche Worte unmöglich erscheinen ließen.

Wie weit eine innere Annäherung vor sich geht, zeigen, den Ausführungen Asmussens zufolge, bedeutende Tatsachen: „Ich will nicht verschweigen, daß sich vor allem seit 1945 manche Anzeichen geltend machen, die überraschend günstig sind. Lutherische und katholische Theologen sind gemeinsam an der Arbeit, um in der Ordnung ihrer Kirchen zu fragen, was uns eigentlich trennt. Es ist nicht an der Zeit, über die Ergebnisse zu berichten. Aber die Arbeit geht gut voran. Darüber hinaus kann man von Ergebnissen der theologischen Forschung berichten, die erstaunlich sind. Naturgemäß weiß ich im Rahmen der lutherischen Kirche besser Bescheid als in der katholischen Kirche. Was diese Forschung angeht, so muß ich sagen, daß mich die neueren Ergebnisse überraschen und hoffnungsvoll stimmen.

Oft sehe ich mich gedrungen, die Forscher zu fragen: .Seid ihr euch darüber klar, welche unabsehbaren Folgerungen sich aus euren Arbeiten ergeben?“ Denn so erstaunlich sind manche Ergebnisse. Aber auch kirchenamtliche Äußerungen können unseren Mut steigern. Wer den Bericht über den lutherischen Weltkonvent in Lund liest, wird auf Lehräußerungen stoßen, welche auf lange Sicht das Verhältnis der

Kirchen verändern müssen. Denn in allen Lehren ist ein Gefälle. Und was die katholische Kirche angeht, so habe ich vor kurzem die Enzyklika Mediator Dei in einer kleinen Schrift im Evangelischen Verlagswerk in Stuttgart angezeigt, in der ich das große Erstaunen begründet habe, welches mich beim Lesen dieser Enzyklika ergriff. Man muß den Laien sagen: ,Seid unerbittlich in eurem Fordern an uns, daß wir voran machen sollen.“ Man muß den Theologen sagen: ,Seid unerbittlich in der Wahrhaftigkeit, damit nichts Falsches herauskommt.“ “

Wie weit das gegenseitige Verständnis führt, erweist sich nicht nur in grundsätzlichen Erwägungen, sondern in der gleichartigen Sorge um die Bewahrung der christlichen Substanz und die Formung des christlichen Lebens. Hier haben die Seelsorger beider Konfessionen das gleiche Anliegen und setzen um dieses ihre Kräfte ein. In diesem Sinn verweist Asmussen auf das Beispiel . der katholischen Theologen in Frankreich und 1t ali e n. Mit großem Respekt gedachte der Vortragende der Aufforderung des Papstes, „priesterlich fürbittend .einzutreten für den Gotteshasser, .dessen. Frevel Strafen auf ihn und die..ganze Welt herabbeschwört“. Diese Aufforderung treffe auch „die. Aufgabe der evangelischen Kirchen haargenau“. „Und was soll ich erst von dem Leiden sagen, da9 beide Kirchen gemeinsam trifft? Wie wunderbar ist es, daß in Ungarn der lutherische Bischof und der römische Kardinal beide im Gefängnis sitzen. Wie wunderbar ist es, daß die Verfolgung der evangelischen Pfarrer in Bulgarien zusammenfällt mit der Verfolgung der katholischen in Rumänien. Kann Gott uns eigentlich noch deutlicher zeigen, was die Stunde geschlagen hat? Ich bin sehr beschämt, wenn ich hier im Westen Analysen darüber lese, ob Mind- szenty wohl ein Märtyrer sei und wie die anderen leidenden Brüder eingestuft werden müßten. Sollten wir nicht lieber fragen, wie wir selbst meinen, standhalten zu können, wenn unsere Stunde kommt?"

In einem schönen Ausklang erklärt Asmussen, daß wohl bei den großen Kirchen in Deutschland die Geschichte mit ihrer Lehre, an die sie gewissermaßen gebunden sind, trenne, aber letzten Endes einige sie doch das Kreuz, das aufzurichten beide die Verpflichtung haben. „Nun steht über dem Eingang zum Osten das Kreuz aufgerichtet. Wem gehört es? Der katholischen oder der lutherischen Kirche? Es gehört dem, der es gläubig umfaßt. Was ist mit den verschiedenen Kirchen, wenn sich findet, daß sie beide es umfassen? Soll dann ein Konzil abgehalten werden, wer ein Recht dazu hat? Es ist wohl besser, wir warten auf das Urteil des himmlischen Richters und freuen uns, wenn wir im Kreuz und am Kreuz den Bruder finden, er trage eine Kutte oder einen Luther-Rock.“

So offene und irenische Worte über dejj Äther gesprochen, lassen neuerlich erkennen, aus welch hoher Gesinnung und Ernsthaftigkeit sich heute Menschen um das große Anliegen einer Wiedervereinigung bemühen. Nie in der Geschichte seit der Kirchentrennung war der Wunsch danach ganz verstummt. Aber man kann ohne Übertreibung sagen, nie ist man dem Wesen des Problems nähergekommen als jetzt, in Erkenntnis der Hindernisse, der Gemeinsamkeiten und de9 letzten Schlüssels.

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