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Digital In Arbeit

Aufbruch zur Sendung

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FRAGE: Hat man nicht hin und wieder den Eindruck, als ob es manchem Diskussionsredner nur um die Darlegung und die Durchsetzung seines eigenen konfessionellen oder theologischen Standpunktes zu tun ist, mit dem er hergekommen ist, und mit dem er wieder wegzugehen gedenkt, weniger um das Aufeinanderhören über die Grenzen der Kirchen und Traditionen hinweg. Ist die Arbeitsweise der Vollversammlung anders als die des Konzils?

ANTWORT: Ja, es scheint mir darin schon ein Unterschied zu bestehen. Auf dem Konzil war man von Anfang an auf ein möglichst vollständiges Ergebnis und auf eine sehr gründliche Arbeitsmethode eingestellt. Es stand auch ein entsprechender Zeitraum von vielen Jahren zur Verfügung. Sicher war auch eine ganz andere gemeinsame Grundlage da, von der man ausgehen konnte,’ da es sich ja nur um eine Kirche handelte, die auf dem Konzil zusammenkam. Und vielleicht waren die Konzilsväter auch irgendwie aufs Ganze gesehen ein sehr qualifizierter Kreis. Den Konzilsteilnehmem konnte auch eine weit bessere Gelegenheit geboten werden, durch ihre Disbussionsbeiträge und Änderungswünsche zur endgültigen Gestaltung der Dokumente aktiv beizutragen.

FRAGE: Sie haben hier in Uppsala an der Arbeit in Sektion II teilgenommen, die unter dem Thema stand: „Aufbruch zur Sendung“.

Wäre diesem Thema nicht eigentlich entscheidende Bedeutung zugekommen? Hätte hier nicht auch für die anderen Verhandlungsgegenstände Richtungweisendes ausgesagt werden können und müssen? Etwa zur „Katholizität der Kirche“ oder zu den Fragen der Weltentwick- lung heute, der Mitbeteiligung der Christenheit an den gegenwärtigen Weltnöten und Konflikten? Oder auch zu dem Thema: „Gottesdienst in einer säkularen Welt“ und dem „neuen Lebensstil“? Ist das geschehen? Die Sektion II ist offenbar in ihrer Arbeitsweise und in ihrem Arbeitsergebnis die problematischste und umstrittenste. Wie beurteilen Sie die Diskussion? Wie sehen Sie die Tendenzen, die hierbei zutage traten?

ANTWORT: Die Diskussion war, denke ich, anregend und fruchtbar. Das Endprodukt „Erneuerung in der Mission“ zeichnet sich m. E. vorteilhaft von den vorhergehenden Entwürfen ab. Es lagen neben dem Entwurf des Genfer Stabes einige Alteroatiworschläge vor, hinter denen zum Teil mehr konservative, zum Teil mehr modernere Missionsauffassungen standen. Aber schließlich wurde nach einer Nachtarbeit des Schriftführers der Sektion ein ganz neuer Plan vorgelegt, der irgendwie einen Kompromiß darstellt, allerdings mehr konservativer

Art, der aber schließlich doch die Billigung der Mehrheit fand.

FRAGE: Worin sehen Sie den Unterschied der Uppsdlaer Beschlüsse gegenüber dem Missionsdekret des Konzils?

ANTWORT: Den Hauptunter-

schied gegenüber dem Konzilsdekret sehe ich im Missionsbegriff selber. Während das Miissdonsdekret zwi- chen der „Mission der Kirche“ als umfassenden Begriff und ihrer spezifischen „Missionstätigkeit“ als Teilaspekt unterscheidet, geht es hier in unserem Dokument um die eine Sendung der Kirche, um eine einzige Mission, um „Mission in sechs Kontinenten“, und innere und äußere Mission und jedwede Tätigkeit im Dienst der „neuen Menschheit“ — ein Hauptbegriff von Uppsala! — ist mit einbegriffen.

FRAGE: Sie haben selber in der Diskussion ein sehr klares Wort gesprochen. Finden Sie, daß man aufgenommen hat, was Sie beitragen wollten?

ANTWORT: Neben der Diskussionsbeteiligung in der Subsektion und im Ausschuß, dem ich zugeteilt war, habe ich vor allem zu Beginn zu einigen grundlegenden theologischen Aspekten der ganzen Konzeption Stellung genommen. Ich erkenne dankbar an, daß man meine Beanstandungen, Fragen und Vorschläge nicht nur höflich angehört, sondern auch mit viel Interesse aufgenommen hat, und daß sie zum guten Teil in der endgültigen Redaktion berücksichtigt wurden und ihren Niederschlag gefunden haben.

Wir hatten auf diese Weise das Vorrecht, einen unmittelbaren Einfluß auf die gemeinsame Arbeit zu nehmen, die hier geschah. Insofern ist die Vollversammlung in ihrer Methode noch ein Stück weitergegangen als die katholische Kirche beim Vatikanum, wo die nichtkatholischen Beobachter nur indirekt an den Beratungen beteiligt wären.

FRAGE: Gibt es nun hier in dem in Uppsala vorliegenden Endergebnis Punkte, zu denen Sie sagen müssen: Hier können wir nicht mit! Oder sind die eigentlichen trennenden theologischen Unterschiede gar nicht wirklich sichtbar geworden?

ANTWORT: Ich möchte es ganz kurz so sagen: Erstens entspricht der Missionsbegriff in seiner Allgemeinheit und in seiner vagen Linienführung nicht ganz unserer katholischen Auffassung. Er ist nicht spezi fisch genug. Und zweitens ist m. E. die horizontale Linie, die den Menschen betrifft, gegenüber der vertikalen Gottes überbetont. Das soziale humanitäre Problem steht zu stark im Vordergrund als Ziel der Mission.

FRAGE: Ich weiß nicht, ob man hierin eigentlich eine miss ionstheologische Unterscheidung zwischen den Kirchen sehen kann. Das ist vielleicht nicht kontrovers zwischen den Konfessionen, sondern zwischen theologischen Tendenzen der Gegenwart. Steckt nicht vielleicht hinter dieser von Ihnen abgekürzt charakterisierten Auffassung etwas anderes, nämlich der Versuch, über die konservativen Vorstellungen von Mission hinauszukommen und in modernen Kategorien zu sprechen? Das Mühen, einen neuen Stil für die Missionsaussagen zu finden?

Aber trotz aller Mängel und aller Kompromißhaftigkeit, die dem Entwurf anhaften, halten Sie es für möglich, daß es auf dieser Grundlage zu einer verstärkten Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Mission kommen kann? Die „Gemischte Arbeitsgruppe“, die seit 1965 existiert und arbeitet, hat in ihrer Vorlage für die Vollversammlung auch eine zukünftige engere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Mission ins Auge gefaßt und dabei zum Beispiel an die missionarische Ausbildung oder an die Missionskrankenhäuser gedacht. Welche Möglichkeiten sehen Sie?

ANTWORT: Auch das Missionsdekret des II. Vatikanischen Konzils betont nachdrücklich, daß eine solche Zusammenarbeit in der Mission nicht nur möglich, sondern auch wünschenswert, ja sogar notwendig ist. Es ist vielleicht noch verfrüht, jetzt schon auf konkrete Projekte hinzuweisen, die es tatsächlich seit einiger Zeit gibt. Ich sehe die Möglichkeiten vor allem auf sozialem, karitativem, kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet. Einiges davon geschieht ja schon und macht eine gemeinsame christliche Verantwortung und vielleicht auch ein gemeinsames christliches Zeugnis sichtbar.

FRAGE: Welche weiteren Be schlüsse der Vollversammlung halten Sie darüber hinaus für bemerkenswert?

ANTWORT: In der Sektion I, die das Thema: „Der Heilige Geist und die Katholizität der Kirche“ hatte, ist die Katholizität im ganzen so formuliert, daß auch uns Katholiken darin theologisch viel Wertvolles gesagt worden ist.

Ein ganz konkretes Ergebnis des großen ökumenischen Treffens ist es aber, daß eine weitere und engere Zusammenarbeit zwischen dem ökumenischen Rat der Kirchen und der römisch-katholischen Kirche auch für die Zukunft beschlossen wurde. Die organisatorische Mitgliedschaft scheint uns demgegenüber im Augenblick eine sekundäre Frage zu sein, obgleich auch sie ernsthaft ventiliert wird. Ein erster Schritt in diese Richtung ist es fraglos, daß eine Gruppe von neun sehr qualifizierten römisch-katholischen Theologen in die „Kommission für Glauben und Kirchenverfassung“ als Vollmitglieder auf genommen wurden.

Und vor allem, meine ich, sind die gemeinsamen Anstrengungen wichtig, die der gesamtchristlichen Verantwortung für die Weltentwicklung und einer gemeinsamen ernsthaften Offensive gegen die Armut, gegen die sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten und gegen den Rassenhaß gelten. Das wurde ja immer wieder zum bedrängenden Hauptanliegen von Uppsala.

FRAGE: Welche Schritte müßten jetzt nach Uppsala getan werden?

ANTWORT: Zunächst wäre eine Auswertung dessen, was hier gesagt, geschrieben und angeregt wurde, nötig. Es muß versucht werden, das alles auf die Ebene der Kirchen und Gemeinden zu übertragen und zu verwirklichen. Uppsala müßte bekannt werden. In allen Kirchen und Gemeinden müßte es Berichte und Diskussionen darüber geben. Darin liegt ein ernstes Problem für die ökumenische Bewegung, wenn das unterbliebe und versäumt würde. Es bedeutet auch eine Gefahr, sich mit dem gegenwärtigen Stand zur Zusammenarbeit und der freundschaftlichen, brüderlichen Empfindungen füreinander zufriedenzugeben, anstatt voranzugehen.

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