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Eine klare Aussage

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Wir können jedoch für diese klare Aussage nur dankbar sein, denn wir sind als nichtrömische Christen ja nicht daran interessiert, daß die römisch-katholische Kirche eine ihrer Überzeugungen verbirgt. Die Frage stellt sich aber, was sich, wenn dieser Anspruch erhoben wird, über die nichtrömischen Kirchen sagen läßt. Kann es neben der einen und einzigen Kirche noch andere Kirchen geben?“ Bisher hat die katholische Kirche sich nur mit den einzelnen Gliedern der nichtrömischen Kirchen befaßt; noch im Schema „Über die Kirche“ sprach man von den nichtrömischen Kirchen ausschließlich als einzelnen Getauften. Das Schema „Über den Ökumenismus“ geht weiter: es spricht den Kirchen auch als Gemeinschaften im Mysterium des Heils Bedeutung und Gewicht zu. Jedoch können sie nur insofern als „Kirchen“ bezeichnet werden, als sie Elemente der Fülle bewahrt haben, die der katholischen Kirche eigen sind. Nur mit ihr können sie ihrer eigentlichen Bestimmung nachkommen.

Diese Beurteilung der nichtrömischen Kirchen als teilhafte Verwirklichung der eigenen Kirche — stellt Vischer kritisch fest — bedeutet für das ökumenische Gespräch eine erhebliche Erschwerung. Sie hat die Gefahr in sich, alle nichtrömischen Kirchen nur in den Teilen ernst zu nehmen, die sie mit der katholischen Kirche gemeinsam haben.

Ihr Selbstverständnis ist ein anderes, „sie sind nicht in erster Linie nichtrömisch; jede will auf ihre Weise Christus gehorsam sein, und nur von dieser Absicht her können sie wirklich verstanden werden“.

Eine zweite Schwierigkeit ergibt sich durch die Aussage, die römischkatholische Kirche wisse die nichtrömischen Kirchen unlösbar mit sich verbunden. Dies führt beinahe unvermeidlich dazu, daß die katholische Kirche schon heute sich als Mittelpunkt der Einheitsbewegung und als Trägerin der Einheit versteht. Vischer sieht denn auch darin die innere Neigung des römischen Ökumenismus. Er fragt nach einer Form, welche die nichtrömischen Kirchen nicht nötigt, bereits im Stadium des Dialogs die katholische Auffassung von Einheit anzunehmen.

Die nichtrömischen Kirchen ihrerseits sind eine Gemeinschaft eingegangen, die dem Bewußtsein zur Zusammengehörigkeit und der Verpflichtung zur Wahrheit nachkommt. Der „Ökumenische Rat dei Kirchen“ erlaubt, Christus gemeinsam zu bezeugen, ohne das Sein dei einzelnen Kirchen aufzugeben. Ir ihm sollen die Gegensätze nicht verdeckt, sondern ausgetragen werden „Der Ökumenische Rat ist das ge treue Abbild unserer gegenwärtigei Situation. Er ist eine vorläufige Ge meinschaft auf dem Weg zur Ein heit... man könnte sagen, er ist da sichtbar zum Ausdruck gebracht Gebet um die Einheit. Die Kirche: sind in diesem Gebet alle gleich.“ I: einem Bild zum Ausdruck gebrach ließe sich der Ökumenische Rat einem Kreis vergleichen. Die katholische Kirche dagegen hat bisher einen Ökumenismus entwickelt, der eher der Nabe eines Rades und den von ihr ausgehenden Speichen gleicht. Die katholische Kirche als Mittelpunkt sucht das Gespräch mit jeder einzelnen der von ihr getrennten Gemeinschaften.

Dennoch bedeutet die Überzeugung der katholischen Kirche, daß es für sie unentbehrlich ist, auf die Stimme der übrigen Kirchen zu hören, „eines der wichtigsten Ereignisse in ihrer neueren Geschichte“.

Am zweiten Abend zeigte Professor Josef Ratzinger, Universität Münster/Westfalen, theologischer Sachverständiger und Berater von Kardinal Frings, die bisherige Position des Konzils in der Entwicklung des neuen Selbstverständnisses der Kirche auf.

Schon in der Konstitution über die Liturgie wird zum ursprünglichen, gemeinsamen Erbe zurückgegangen und die Kirche vom Dienst des Anbetens, vom Dienst des Wortes und vom Feiern des Herrenmahles her gesehen. Dies ist von ökumenischer Bedeutung.

In gleicher Weise wird in den Schemata über die Kirche, über die Bischöfe und über den Ökumenismus ein Prozeß des sich Öffnens1 sichtbar.

In bewußter Erneuerung der geschichtlich belasteten Tradition wird im Schema „Über die Kirche“ diese „nicht mehr gegen jemanden, sondern aus dem Text der Schrift und mit dem Blick auf das Ganze der christlichen Wirklichkeit hin verstanden“. Das gesamte Zeugnis der Schrift — „Volk Gottes und Leib Christi, eschatologisches und pneumatologisches Fortwirken, sakramentale und charismatische Bestimmtheit, Hierarchie und Laien, Papst und Bischöfe“ — soll ausgeschöpft werden. Dazu kamen in der Stellungnahme der Bischöfe zwei führende Leitmotive zum Ausdruck: Die Kirche möge weniger statisch und noch mehr heilsgeschichtlich gesehen werden.

Sie ist „die Geschichte Gottes mit den Menschen, das Unterwegssein der Menschen mit dem sie rufenden Gott“. Daraus ergibt sich, daß sie im Zeichen der Hoffnung steht, und daß das Unterwegssein „ein noch nicht Vollendetsein bedeutet und immer wieder der Erneuerung bedarf“.

Die zweite Forderung war auf ein stärkeres sakramentales Verständnis gerichtet. Die Kirche als Zeichen Gottes in der Welt soll den „Sinn des Zeichens, Verweis über sich hinaus zu sein“, deutlich machen. Auf dem Hintergrund des Dienstes an Gottes heiligem Zeichen wird die Hierarchie neu verstanden.

Das Schema „Über die Bischöfe“, das mit dem „wenig verständlichen Stichwort der Kollegialität“ charakterisiert wird, hebt als neuen Gesichtspunkt die gesamtkirchliche Verantwortung der einzelnen Bischöfe („horizontale Katholizität“ nach Yves Congar) hervor. Dieses Denken konkretisiert sich in den beiden Vorschlägen: von den Bischofskonferenzen, die der regionalen Eigentümlichkeit stärker Rechnung tragen sollen, und dem Bischofsrat als Vertreter des Weltepiskopats beim Apostolischen Stuhl. Ohne die vorausgehende Ökumenische Bewegung wäre das Schema „Über den Ökumenismus“ nicht denkbar gewesen. Es handelt sich hiebei nicht um ein Unionsmanifest, sondern um eine seelsorgliche Aufforderung an die Katholiken zu einer ökumenischen Haltung.

Dieses Schema will das Kirchenschema nach einer bestimmten Seite hin ergänzen. Entscheidend darin ist, daß die nichtrömischen Christen nicht nur als einzelne Getaufte in ihrem Bezug zur katholischen Kirche erfaßt, sondern in ihren „kirchlichen Gemeinschaften“ (terminologischer Vorschlag von Kardinal König) und diese in ihrem sakramentalen Gehalt begriffen werden.

In einer Stellungnahme zu den Konzilstexten stellte der Protestant, Professor E. Schlinck, die Frage, ob der römische Ökumenismus mit der Aussage, das Sein der nichtrömischen Kirchen sei von der einen Kirche abgeleitet, nicht die verdeckte Aufforderung an die nichtrömischen Christen herantrage, ihre Kirchen zu verlassen. Seiner Meinung nach sei eine Gemeinschaft der Kirchen nach dem Vorbild des Ökumenischen Rates anzustreben.

Dem hält Professor Ratzinger entgegen: Dieser Vorschlag schließe ein, daß keine der bestehenden Kirchen die Kirche sei. Die katholische Kirche könne diese Auffassung aber nicht teilen. „Sie hält sich für die eine und einzige Kirche Christi, doch erkennt sie die geschichtliche Effizienz, daß die Kirchen, der Plural, nur außerhalb von ihr existieren und wahrscheinlich nur außerhalb von ihr existieren konnten.“

„In der einen Kirche Gottes gibt es eine Vielfalt von Kirchen.“ Ratzinger führte hiefür die Ortskirchen des Urchristentums, von denen jede das Ganze Gottes darstellte, als Beispiel des Pluralismus an. Er bedeutet dort nicht konfessionell getrennte Gemeinschaften, sondern die vielen Kirchenversammlungen, die dennoch eins sind. Dieser Pluralismus ist prinzipiell in der katholischen Theologie immer möglich geblieben, aber faktisch mehr und mehr zurückgedrängt worden; in der Reformation hat er sich nach außen hin gewissermaßen Luft verschafft. Heute geht es darum, die Vielheit in der Einheit, für die die katholische Kirche noch nicht zugerüstet ist, in ihr wiederzuerwecken.

„An die Stelle der Idee der Konversion wird die Idee der Einheit der Kirchen treten. Die Kirchen bleiben und werden doch eine Kirche.“ Die Katholiken hoffen auf die Stunde, in der die Kirchen in die Einheit eintreten und als Kirchen bestehen bleiben können. Die Anrede „Brüder“ drückt ein wirkliches christliches Ereignis aus und keine Sentimentalität.

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