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„Welch ein weiter Weg“

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Der ökumenische Rat der Kirchen (ORK) und das Sekretariat für die Förderung der Einheit der Christen haben im Mai die Bildung eines gemeinsam bestellten Arbeitsausschusses bekanntgegeben. Der ORK entsendet in den Arbeitsausschuß acht Vertreter aus den volkreichen Mitgliedskirchen und das Sekretariat für die Einheit sechs Vertreter aus Ländern mit Bevölkerung verschiedener christlicher Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften. Dem ORK gehören derzeit 209 Mitgliedskirchen und vier „beigeordnete“ Kirchen verschiedener Tradition in 80 Ländern an. Die orthodoxen Vertreter befürworteten den Antrag des Zentralausschusses bei der Sitzung im vergangenen Jänner in Emugu, Ostnigerien, mit dem Sekretariat für die Einheit einen gemeinsamen Arbeitsausschuß zu bilden.

Die Antwort auf das ökumenismus-dekret

Der Gemeinsame Arbeitsausschuß des ORK und des Sekretariates für die Einheit ist ein Gemeinschaftswerk, die Antwort des ORK auf das Ökumenismusdekret des II. Vatikanischen Konzils. Seine Aufgabe ist es, die Grundsätze und die Methode für eine weitere Zusammenarbeit festzulegen. „Die Annahme und Promulgierung des Ökumenismusdekretes durch die römisch-katholische Kirche hat eine neue Lage geschaffen“, lesen wir im Bericht von Enugu, Punkt 3. „Daß die römisch-katholische Kirche ihren Wunsch nach der Aufnahme von Gesprächen mit anderen Kirchen und ihre Uberzeugung so entschieden zum Ausdruck bringt, ist eine wichtige neue Tatsache in der Entwicklung der ökumenischen Bewegung.“ Die Anregung zum Dialog geht auf das Ökumenismusdekret zurück. Zum Studium des Geistes und der Sinnesart der getrennten Brüder „sind gemeinsame Zusammenkünfte, besonders zur Behandlung theologischer Fragen, sehr dienlich, bei denen ein jeder mit dem anderen auf der Ebene der Gleichheit spricht, vorausgesetzt, daß die, die unter der Aufsicht ihrer Vorgesetzten daran teilnehmen, wirklich sachverständig sind“ (Punkt 9).

Ein weiter Weg liegt hinter dem Gemeinsamen Arbeitsausschuß des ORK und des Sekretariates für die Einheit. Der Übergang von der Entfremdung zur Begegnung, von der Spannung zum Zwiegespräch. „Welch einen weiten Weg haben wir seit 1919 zurückgelegt!“ meinte Marc Boegner, ehemaliger Präsident des ORK (1948 bis 1954), beim Empfang von Kardinal Bea vergangenen Februar in Genf. 1919 statteten einige Bischöfe der protestantischen bischöflichen Kirchen der Vereinigten Staaten Papst Benedikt XV. einen Besuch ab. Welch ein Weg ist seit dieser Stunde zurückgelegt worden, als ihnen beim Verlassen der uemacher des Hl. Vaters, der sie mit auserlesener Höflichkeit empfangen und seiner Fürbitte versichert hatte, durch ein kurzes Schriftstück mitgeteilt wurde, daß, „wenn es außerhalb der römisch-katholischen Kirche um die Einheit bemühte Christen gebe, die Lösung dieses Troblems sehr leicht sei“. Die erteilte Absage des

Heiligen Stuhls beruhte wie jene vom 16. September 1864, vom 8. Juli 1927 und des Monitums des Heiligen Offiziums vom 5. Juni 1948 auf dogmatischen Erwägungen.

Eine Frucht des zweiten Weltkrieges

Die ökumenische Neubesinnung reifte während des zweiten Weltkrieges unauffällig heran. Das Rundschreiben Mystici Corporis vom 29. Juli 1943 ist der erste Baustein für den Ökumenismus in der katholischen Kirche, ist seine dogmatische Grundlage. Papst Pius XII. faßte erstmalig alle Christen ins Auge, nicht bloß die Ostkirchen wie seine Vorgänger Leo XIII. und Pius XI. Die theologische Grundlage des Ökumenismus ist die Mitgliedschaft aller Getauften in der Kirche, auch wenn sie nicht zum Leib der Kirche gehören. Die Menschen, die nicht im Leib der Kirche vereint sind, sind als Brüder dem Fleisch nach zu betrachten, die gleich uns zum ewigen Leben berufen sind. Er sprach von „einer gewissen Beziehung zum mystischen Leib Christi“ der nichtkatholischen Christen „aus einem bewußten Sehnen“ und wünscht ihre Heimkehr „ins eigene Vaterhaus“. „Wir müssen betonen, daß ein solcher Schritt aus freiem Willensentschluß geschehen muß. Sollte daher einmal der Fall eintreten, daß jemand wider seinen Willen zum katholischen Glauben gezwungen würde, so müßten Wir dies im Bewußtsein Unserer Amtspflicht unbedingt mißbilligen.“

Die Instruktion „Ecclesia Catho-lica“ des Heiligen Offiziums vom 20. Dezember 1949 ist der“ zweite Baustein des katholischen Ökumenismus, seine rechtliche Grundlage. Sie anerkennt die ökumenische Bewegung als ein Werk des Heiligen

Geistes. „Nun ist in mehreren Ländern unter dem gnadenvollen Weher des Heiligen Geistes ein von Tag zi Tag wachsendes Verlangen entstanden unter allen, die an Christus glauben, die Einheit wiederherzustellen.' Sie legt den Bischöfen das ökumenische Apostolat ans Herz. „Sie müssen also diese ganze Arbeit nich nur genau und wirksam überwachen sondern auch in kluger Weise fördern und leiten, damit einerseits denen geholfen werde, die die Wahrheit und die wahre Kirche suchen anderseits aber von den Gläubiger die Gefahren ferngehalten werden die sich leicht aus der Betätigung dieser .Bewegung' ergeben.“ Zun Schluß gibt sie theoretische unc praktische Weisungen für Zusammenkünfte und Aussprachen zwischen Katholiken und anderen Christen.

Die Katholische Konferenz für ökumenische Fragen bildete sich auf Anregung der Instruktion aus 50 katholischen Theologen unter Doktor Jan Willebrands, Professor am Priesterseminar in Warmond, und nahm Kontakte mit der Studienabteilung des ORK auf. Das ökumenische Zentrum Istina der Dominikaner in Paris veröffentlichte zum Generalthema der zweiten Vollversammlung des ORK in Evanston im August 1954 die theologische Abhandlung „Christus, die Kirche und die Gnade in der Erlösungsordnung“. Eine ähnliche Arbeit, „Die Herrschaft Christi über die Kirche in der Welt“, erschien für die dritte Vollversammlung des ORK in Neu-Delhi im November 1961.

Der Beobachteraustausch mit dem ORK kam nur zögernd in Gang. Der Hirtenbrief des niederländischen Episkopates vom 31. Juli 1948 untersagte im Sinne des Monitums katholischen Vertretern die Teilnahme an der Gründung des ORK in Amsterdam Ende August 1948. Auch Kardinal Samuel Stritch, Erzbischof von Chicago, entsandte keine katholischen Beobachter zur zweiten Vollversammlung des ORK in Evanston 1954. Dagegen ordnete der Apostolische Vikar von Schweden zur dritten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Lund Mitte August 1952 vier katholische Beobachter ab. Ebenso erschienen katholische Beobachter bei der Sitzung des Zentralausschusses in Nyborg Ende August 1958.

Das Sekretariat für die Förderung der Einheit der Christen ist der dritte Baustein des katholischen Ökumenismus. Es nahm als Kontaktstelle für die nichtkatholischen Christen am 5. Juni 1960 mit 16 Mitgliedern und 20 Beratern seine Tätigkeit auf. Seiner Einladung zu den drei Sessionen des II. Vatikanischen Konzils folgten 39 Beobachter und Gäste von 15 Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, 54 von 20 und 74 von 23. Seine Aufgabe war die Vorbereitung der Vorlagen für die Dekrete über den Ökumenismus und die Religionsfreiheit. Es entsandte katholische Beobachter zur dritten Vollversammlung des ORK in Neu-Delhi 1961 (5 und 15 Gäste), zur vierten Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Helsinki Anfang August 1963 (2) und zu den Rhodoser Konferenzen (1).

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