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Versöhnt unter dem Papst?

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Eine für den Fortschritt in der Ökumene entscheidende Frage ist die in den christlichen Kirchen unterschiedliche Sicht des Bischofs- und Papstamtes. Zum entscheidenden Kriterium für mögliche Annäherungen an ein gemeinsames Verständnis dieser Dienstämter bei den Katholiken, Reformierten und Orthodoxen könnte dabei der nüchterne Blick auf historische Entwicklungen

kirchlicher Strukturen werden. Diese bildeten sich nämlich weder losgelöst von gesellschaftlichen und sozialen Umweltbedingungen, noch waren sie unbeeinflußt von der Herausforderung durch kritische und abweichende Strömungen innerhalb oder religiöse Lehren außerhalb des Christentums.

Auch der immer wieder geforderte Rückgang zu den Quellen christlicher Uberlieferung, zur Heiligen Schrift und zu den Texten der alten Kirche, wie notwendig und wertvoll auch immer, kann nur dann einen Schritt weiter führen, wenn diesen Aussagen nicht von vorneherein jenes Verständnis unterlegt wird, das Jahrhunderte der je eigenen kirchlichen Tradition geprägt hat und nicht mehr offen ist für Interpretationen und Denkansätze der christlichen Schwesterkirchen.

Theologen der katholischen, der beiden reformierten und der orthodoxen Kirchen haben vor kurzem bei einer ökumenischen Fachtagung solch ein weiterführendes Gespräch über Bischofsund Petrusamt versucht, an dem neben Seelsorgern, Lehrern und Erwachsenenbildnern auch offizielle Vertreter der genannten Kirchen teilnahmen. Als die Einheit der christlichen Kirchen in besonderem Maß behindernd werden die durch das 1. Vatikanische Konzil erklärte päpstliche Unfehlbarkeit unter bestimmten Bedingungen und der dem Papst zukommende Jurisdiktionsprimat angesehen.

Der derzeit in Wien lehrende lutherische Theologe Ulrich Kühn setzte dem die Vision eines Petrus-Dienstes für alle christlichen Kirchen entgegen, für den ein Verzicht auf rechtliche Kompetenzen und eine trotz grundsätzlicher Zusage der Wahrheit mögliche Fehlbarkeit von Entscheidun-

gen charakteristisch seien. Zur Absicherung gegen Machtmißbrauch müßte das Amt des Papstes ins Kollegium der Bischöfe eingebunden sein. Ein so ausgeübter Petrus-Dienst könnte die Einheit fördern, die Brüder und Schwestern stärken und Zeugnis geben für die Versöhnung in der Welt. Wie das Papsttum lasse sich auch das Bischofsamt nicht direkt auf eine Einsetzung durch Christus zurückführen.

Für die orthodoxen Kirchen könne der Ehrenprimat des Papstes und sein Dienst an der Einheit aus historischen Gründen anerkannt werden, eine Neuinterpretation der päpstlichen Unfehlbarkeit könnte orthodoxe und katholische Tradition einander näherbringen — dies betonte der an der Münchner Theologischen Fakultät lehrende orthodoxe Theologe Theodor Nikolaou. Als Leiter der Ortskirche und Vorsteher der Eucharistiefeier sorge auch der Bischof für die Einheit der Kirche, die Bischöfe seien untereinander gleichgestellt, die höchste Autorität komme den ökumenischen Konzilien zu.

Die Zuordnung - nicht Unterordnung — aller Glieder des Leibes Christi zueinander betonte der katholische Dogmatiker Raphael Schulte OSB in seinen Überlegungen. Alle Gläubigen nähmen am Amte Christi teil, ohne daß eines der Ämter für sich die Fülle dieses Amtes Christi umfasse. Bischofs- wie Papstamt seien daher nur in Bildern beschreibbar, es gebe weder Unter-noch Uberordnung. Für den besonderen Dienst des Papstes sei die Unfehlbarkeit als Verheißung zu verstehen. In den ökumenischen Bemühungen sei von den theologischen Grundlegungen des 2. Vatikanischen Konzils — und nicht des Ersten - auszugehen.

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