Dass die Christen unterschiedlicher Konfession nicht gemeinsam Eucharistie feiern können, gehört zu den "scheinbar unlösbaren Kirchenproblemen", die Bischof Helmut Krätzl in seinem neuen Buch "Eine Kirche, die Zukunft hat" nicht einfach so hinnimmt:
In der christlichen Ökumene ist nach dem II. Vatikanischen Konzil viel gewachsen, besonders auch in Österreich. Die Kirchen haben gegenseitig die Taufe anerkannt. Richtlinien für Eheschließungen von Angehörigen unterschiedlicher Konfessionen wurden vereinbart. Ökumenische Gottesdienste werden in vielfacher Weise gefeiert, man steht sich dabei auf gleicher Augenhöhe gegenüber. Gemeinsame soziale Aktionen werden überzeugend gesetzt. Katholische Caritas und evangelische Diakonie gehören zu den wirkkräftigsten Hilfseinrichtungen im Land und sind zu den ganz bedeutenden Anwälten für die Schwachen, Armen, Ausgegrenzten geworden. Vom 18. bis 19. März 2007 versammelten sich Vertreter aller christlichen Kirchen in Österreich im Wallfahrtsort Mariazell, um über Gemeinsames und noch Trennendes in der Marienverehrung zu diskutieren. Es war eindrucksvoll, als der frühere Superintendent der Methodistischen Kirche, die an sich keine Marienverehrung kennt, vor dem Gnadenaltar seine Sicht von Maria aus dem Evangelium mit großer Ehrfurcht entfaltete. Und am Schluss der Tagung predigte in der Basilika von Mariazell ein anglikanischer Bischof über das Magnifikat. Es ist viel gewachsen in der Ökumene.
Aber ganz leidvoll ist, dass wir nicht gemeinsam Eucharistie feiern können. Wir bekennen, dass wir durch die Taufe eingegliedert sind in den einen Leib Jesu Christi, und wollen oder dürfen seinen Leib im Sakrament nicht teilen. Die Kirchen aus der Reformation werfen uns Katholiken vor, dass wir ihre Einladung zur eucharistischen Gastfreundschaft nicht annehmen. Die orthodoxen Kirchen teilen streng genommen das Brot nur mit Mitgliedern ihrer Kirche. Die Hingabe Jesu im Zeichen der Eucharistie ist der Aufruf zur Einheit und wird bis heute zum beschämenden Zeichen der Trennung. Der eine Leib - und doch die getrennten Tische! Ein Ärgernis für die Kirchen selbst und für die Welt.
Ist die Ökumene nicht auch auf diesem Gebiet schon weitergekommen? Sind wir uns in der Auffassung nicht schon viel näher als bisher? Warum bleibt der Platz am Tisch für den jeweils anderen immer noch leer? In vielen ökumenischen Gesprächen ist mir diese Frage immer wieder gestellt worden, und sie lässt mich nach Lösungen suchen.
Abendmahlsgemeinschaft - Zeichen oder Mittel der Kirchengemeinschaft?
Der schwerwiegendste Einwand gegen die eucharistische Gastfreundschaft lautet, "Eucharistiegemeinschaft ist Kirchengemeinschaft", und umgekehrt, "Kirchengemeinschaft ist Eucharistiegemeinschaft", meint Hans Jorissen, emeritierter Dogmatikprofessor an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Bonn in einem Buch über "Eucharistische Gastfreundschaft". Dass Eucharistiegemeinschaft Kirchengemeinschaft voraussetzt, ist tatsächlich ein Grundsatz schon in der Alten Kirche. Wer anderswo an der Eucharistie teilnehmen wollte, musste nachweisen, dass er in voller Einheit mit der Kirche ist. Die römisch-katholische Kirche hält heute an diesem Grundsatz immer noch fest. Ist damit die Abendmahlsgemeinschaft tatsächlich bis auf den Tag einer völligen Einheit hinausgeschoben? Und welchen Grad der Einheit meint man da?
Jorissen findet, das II. Vatikanum habe dafür einen "Türspalt" geöffnet. Er sieht ihn dort, wo das Konzil von partieller, "unvollkommener" Gemeinschaft spricht, von einer "gestuften" Kirchengemeinschaft, durch die die getrennten Kirchen und kirchliche Gemeinschaften mit der katholischen Kirche verbunden sind (Konzilsdokument Lumen Gentium, 15). So gibt es offenbar zwischen voller Kirchengemeinschaft und völliger Kirchentrennung doch so etwas wie ein Zwischenstadium. Daher wäre zu fragen, ob es nicht auch Übergangsformen der Eucharistiegemeinschaft geben kann, "die der vorhandenen Nähe oder erreichten Annäherung zwischen den Kirchen entsprechen" (Lumen Gentium 104), noch bevor volle Einheit da ist.
Ich möchte noch auf zwei andere Formen von "Kirchengemeinschaft" hinweisen. Ich denke an die christliche Ehe. Wo immer sie gültig ist, ist sie ein Sakrament. Das Konzil spricht von "Hauskirche". Hier wird in sakramentaler Weise in der Liebe der Partner die Liebe Jesu Christi zu seiner Kirche dargestellt und gelebt. Wo nun diese Ehe konfessionsverschieden oder, wie viele heute gerne sagen, "konfessionsverbindend" ist und gelebt wird, kann doch der Zutritt zum selben Tisch des Herrn kaum verwehrt werden? Mir kommt aber ein noch viel weiter reichender Gedanke. Durch die Taufe sind alle Christen eingegliedert in den einen Leib Jesu Christi. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Wenn nun diese Christen schon in Christi Leib "eingegliedert" sind, ja denselben "darstellen", ist es dann noch verständlich, dass sie den eucharistischen Leib nicht miteinander teilen dürfen? Von Augustinus kennen wir das schöne Wort bei der Kommunion: "Empfange, was du bist - Leib Christi. Werde, was du bist - Leib Christi."
Katholischerseits wird man nun einwenden, dass eben das Prinzip von alters her gegolten hat, dass Kirchengemeinschaft Voraussetzung für Altargemeinschaft ist. Das stimmt. Aber es hat sich doch gerade durch das II. Vatikanische Konzil die Sicht zu den anderen christlichen Kirchen grundlegend verändert. Die katholische Kirche hat sich ganz neue Prinzipien der Ökumene gegeben. Müsste nicht jenes alte Prinzip an dieser neuen Sicht überprüft werden? Entspricht es noch dem, wozu sich die römisch-katholische Kirche in so erfreulicher Weise im Konzil und oft danach in wachsender Ökumene bekannt hat? Wenn das alles bedacht und nicht nur "voreilig" eucharistische Gastfreundschaft verlangt oder gewährt wird, wäre der "gemeinsame Tisch" tatsächlich ein ganz neues Motiv und eine Kraftquelle zu der noch weiterhin ausstehenden inneren Einheit der Kirchen.
Volle Einheit ist Geschenk des Hl. Geistes - aber welche Wege zeigt er uns?
Ökumene darf nicht in Pragmatismus verfallen, aber auch nicht von Emotionen gelenkt werden. Man sagt zu Recht, dass die volle Einheit der Kirchen nicht "gemacht" werden kann, sondern vom Hl. Geist erbeten werden muss. In diesem Gebet sollte man aber auch darum bitten, jene Zeichen zu erkennen, mit denen uns der Geist die rechten Wege zeigen will. Für mich bieten sich schon folgende Zeichen:
Ganz deutlich ist das Wirken des Hl. Geistes in den zahllosen theologischen Gesprächen zu verspüren, wo die verschiedenen Kirchen sich in ihren Standpunkten nähergekommen sind. Das betrifft vor allem die Gegenwartsweise Christi in der Eucharistie, die Begriffe Opfer und Mahl, Fragen des Amtes und seiner geschichtlichen Entwicklung. Viele Theologen meinen, dass hier Voraussetzungen geschaffen worden seien, die das gemeinsame Mahl auch rechtfertigen würden. Leider sind die Früchte dieser Gespräche, die oft sogar von offiziellen Vertretern der Kirchen beschickt waren, von den Kirchenleitungen nicht rezipiert worden. So gibt es auch in den sonst so bedeutenden päpstlichen Schreiben von Papst Johannes Paul II. über die Eucharistie leider diesbezüglich keine einzige Erwähnung.
Ein besonderes Wirken des Hl. Geistes sehe ich in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die am 31. Oktober 1999 in Augsburg vom Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und von Vertretern des Lutherischen Weltbundes unterschrieben worden ist. Sie war für mich ein Modell, wie künftig Ökumene weitergehen könnte. Nämlich, sich in einer wesentlichen Frage zu einigen, daneben aber weniger wichtige Unterschiede stehen zu lassen, die allerdings nicht mehr kirchentrennend sind. Gerade in den Fragen der Eucharistie sollte dies auch Anwendung finden. Kardinal Kasper hat bald nach dem Ereignis in Augsburg gesagt, er könne sich vorstellen, dass in absehbarer Zeit eine ähnliche gemeinsame Erklärung die Eucharistie betreffend mit den Lutheranern unterzeichnet werden könnte. Theologen und Lehramt wären aufgerufen, gemeinsam das bisher in so vielen Dialogen Erreichte zu sichten und neue Abgrenzungen zu schaffen. Einen sehr wertvollen Beitrag dazu hat die Katholisch-Theologische Fakultät in Innsbruck in einem Forschungsprojekt 2004 geleistet, das unter dem Titel "Amt und Eucharistiegemeinschaft" publiziert worden ist.
Ein Wirken des Hl. Geistes nehme ich auch im fast ungeduldigen Drängen der "Basis" wahr, sich gegenseitig zum eucharistischen Mahl einladen zu dürfen. Dabei denke ich noch einmal an die vielen "konfessionsverbindenden" Ehen, die unter den jetzigen rechtlichen Bestimmungen leiden und in ihrer pastoralen Not nun eigene Wege zu gehen versuchen. In der Erzdiözese Wien wurde dafür 1997 eine pastorale Handreichung erarbeitet, die ihnen dabei Hilfe sein soll. Leon Arthur Elchinger, damals Bischof von Straßburg, hat schon 1972 sehr detaillierte Weisungen diesbezüglich für die Gläubigen seiner Diözese erlassen.
Menschen an einen Tisch zu bekommen, ist in Gesellschaft und Politik allemal ein Zeichen der Hoffnung. Getrennte Tische zwischen den Kirchen haben oft eine leidvollen Vorgeschichte und Gründe in nicht unbedeutenden, noch nicht gelösten theologischen Problemen. Für die "Welt" aber wird es immer unverständlicher, wenn gerade beim "Mahl der Liebe" Plätze frei bleiben müssen, obwohl die von Gott Geladenen von sich selbst sagen, dass sie schon längst "ein Leib" in Christus sind.
Obiger Text ist ein gekürzter Auszug aus:
Eine Kirche, die Zukunft hat
12 Essays zu scheinbar unlösbaren Kirchenproblemen
Von Helmut Krätzl. Verlag Styria, Wien 2007. 200 Seiten, geb. € 24,90