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Anglikaner und Methodisten

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Werden sich die Anglikaner und Methodisten in einer Kirchengemeinschaft vereinigen? Was für Konsequenzen würde ein solcher Schritt innerhalb der anglikanischen Kirche und auf die Annäherungsbestrebungen dieser Kirche in Richtung Rom mit sich bringen?

Seit Jahren sind Gespräche im Gange, die zur Klärung der Beziehungen der Church of England zu den evangelischen Freikirchen führen sollten. Teils berieten die Ausschüsse miteinander, teils unter sich, und 195 5 war man so weit gekommen, daß es möglich war, offizielle Komitees aufzustellen, die auf der Basis von festgelegten theologischen Darlegungen die Möglichkeiten einer Interkom-munion als Vorstufe zur vollständigen Vereinigung untersuchen sollten. Die Delegierten hielten seit 1956 sechzehn Tagungen. Vor kurzem gaben sie einen gemeinsamen Bericht (Conver-sation betweeif#:lie Church of England and the Methodist Church) heraus, der mehr sein sollte, als eine weitere Bestandsaufnahme; er ist ein Entwurf, der das erste Stadium einleiten sollte. Aber er sieht eine Vereinigung als notwendiges Ziel voraus, die Existenz zweier zueinander parallel laufender, interkommunizierender, Kirchen als sinnwidrig und unbefriedigend, wenn sie anders als eine Vorstufe zur Vereinigung gelten sollte.

Unterschiedliche Doktrinen

Durch die Seiten dieses ungemein interessanten Berichtes, der das Ergebnis einer tiefgreifenden Erforschung der Glaubenssätze der Kirchen darstellt, zieht der rote Faden der zuwiderlaufenden Doktrinen über das Episkopat und die Priesterschaft. Für die Anglikaner bedeutet das Episkopat nicht Ie-

diglich kirchliche Ordnung und hierarchische Struktur. Sie glauben vielmehr an die Gültigkeit der apostolischen Nachfolge in ihrer Kirche, die darauf beruhen soll, daß die Weihe durch Handauflegen während der Reformation faktisch nicht unterbrochen wurde. Sie sieht sich daher

als vollgültiges, mit Rom gleichberechtigtes, dennoch reformiertes Erbe der präreformatorischen Kirche; an die Bedeutung des Episkopats zu rütteln, hieße ihre Daseinsberechtigung in Frage zu stellen.

Spielraum der Meinungen

Die nichtepiskopalische Natur der Methodistenkirche anderseits bedeutet noch länge nicht, daß sie das biscköf-liehe Amt an sich nicht anerkennt. Da sie jede kirchliche Autokratie ablehnt, besitzt sie das episkope in gemeinschaftlicher Form, wobei die bischöflichen Funktionen unter den Inhabern verschiedener Ämter, wie der Präsidentschaft oder dem Vorsitz der Gebietssynoden, verteilt sind. Die Mehrheit der methodistischen Delegierten, die den Bericht unterschrieben haben, steht auf dem Standpunkt, daß es für sie keine unüberwindliche Schwierigkeit bereiten dürfte, bischöfliche Funktionen in einer Person zu vereinen, vorausgesetzt, daß man nicht von ihr verlangt, daß sie notwendigerweise die Ansichten der Church of England über das Wesen des Episkopats ihr eigen machen müßte. Dieser Vorbehalt ist verständlich. In dem Moment, da die Methodisten das historische Episkopat als alleinigen Träger der Nachfolge und Vermittler der Priesterweihe anerkennen, würden sie ihre Vorgeschichte verleugnen, die Gültigkeit ihrer Weihen in Frage stellen, und ihre gegenwärtige Daseinsberechtigung aufheben.

In der Frage der Geistlichkeit lag das Problem darin, daß die Methodisten (die ihre Pastoren minister, das Amt m i n i s t r y nennen) die Priesterschaft nur im Zusammenhang mit der Hochpriesterschaft Jesu Christi anerkennen, woraus sie die Doktrin der Priesterschaft aller Gläubigen herleiten. Diese Doktrin laß wiederum zu, daß gewisse Laien unter Umständen die heilige Kommunion erteilen dürfen; eine Praxis, welche die Church of England niemals erlaubt hat oder erlauben könnte. Die Methodisten haben sich bereit erklärt, sich dem ernsten Vorbehalt der Anglikaner zu beugen. Über die Sakramente der Taufe und der heiligen Kommunion ist man zur Ansicht gekommen, daß die zu überwindenden Klippen eher in kirchlicher Disziplin und Liturgie bestehen, als in doktrinären Divergenzen, stimmen ja die teils etwas nebulosen (methodistischerseits nicht offiziell formulierten) Glaubenssätze der evangelisch-gerichteten Anglikaner mit denen ihrer Gesprächspartner hinsichlich des Abendmahls nahe genug überein. In diesem wie in allen anderen Belangen verlangen die Methodisten nur, „daß der methodisti-ichen Kirche die gleiche Freiheit in der

Interpretation der Natur des Episkopats, und der Priesterschaft gewährt wird, wie sie in der Church of England herrscht“. Dementsprechend stellen die

Verfasser des gemeinsamen Berichtes fest: „Ein gewisses Maß an theologischer Unsicherheit oder Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der wahren Natur der Priesterschaft ordinierter Minister und ihre Beziehung zur Priesterschaft der Laien beziehungsweise der ganzen Kirche, ist nicht unerträglich und ist mit der Herstellung einer Interkommunion zwischen unseren Kirchen oder der Gemeinschaft in einer Kirche nicht unvereinbar.“

Die letzte Klippe

Scheint schon dieser Satz die Türen wahrhaftig nach allen Seiten hin offen zu lassen, so existiert offenbar noch eine Klippe, die zu überwinden ohne gewisse Erschütterungen kaum möglich sein wird: kurz, die Frage der Aufrechterhaltung der Interkommunion zwischen der Methodistenkirche und den anderen Freikirchen.

Hier darf man wirklich fragen, ob die anglikanische Kirche trotz ihrer eigentümlichen Dehnbarkeit nicht einer wirklich gefährlichen Zerreißprobe entgegenschreitet. Es ist wahr, daß es, wie der Bericht sagt, zwei Strömungen in der anglikanischen Kirche gibt, eine katholische und eine evangelische (es wäre richtiger, zu sagen, es gibt unendlich viele Schattierungen), und auch, daß die Evangelischen und die Methodisten einander sehr nahestehen. Es ist aber durchaus zu befürchten, daß die Annahme des historischen Episkopats (wie immer sein Wesen auch ausgelegt wird) die Methodistenkirche entzweireißen wird, und ferner, daß die Beibehaltung der Interkommunion mit den anderen Freikirchen eine künftige Vereinigung unmöglich machen muß.

Die Unterschiede zwischen den extrem evangelischen Anglikanern und den Freikirchlern sind vielfach weniger doktrinär als gefühlsbetont. Es ist weniger der Fall, daß die Freikirchler den Inhalt der anglikanischen Liturgie ablehnen, als daß sie von vornherein liturgiefeindlich sind. Die Kühle, die allsonntägliche Gleichmäßigkeit eines kirchlichen Gottesdienstes, ist ihnen langweilig. Sie vermissen die langen, extemporären Gebete, die flammenden Predigten ihrer Vorbeter und Pastoren. Den schönen, alten, weihevollen Dorfkirchen ziehen sie ihre meistens häß-

liehen Bauten vor, die nicht geweiht sind und daher ungeniert gesellschaftlichen Zwecken dienen können. In vielen abgelegenen Landgemeinden bleibt es oft, man möchte fast sagen, dem historischen Zufall überlassen, ob die Menschen in diese oder jene Freikirche gehen. In dem einen Dorf gibt es ein

Gebetshaus für die Baptisten, im anderen für die Kongregationalisten und so fort, wobei manche Menschen sich die Mühe machen, abends ins Nachbardorf zu wandern, während andere gewohnheitsmäßig in das nächstliegende Gebetshaus gehen.

Ökumenischer Humor

Der Gegensatz liegt zwischen der Kirche und dem Gebetshaus, auf Englisch: „Church and, Chapei“. Aber auch dieser Gegensatz läßt sich im Volk auf etwas eigenartige und völlig inoffizielle Weise überbrücken. Es ist keineswegs selten, daß Freikirchler bei ernsten Anlässen den Segen der anglikanischen Kirche in Anspruch nehmen möchten und vielfach auch erhalten. Man geht in die „Kapelle“, weil es dort gemütlicher ist, aber — man kann es nie wissen, nicht wahr? Eine Art Rückversicherungsgymnastik schwebt manchmal in den Gemütern der Freikirchler und führt dazu, daß die Angehörigen eines Verstorbenen ihn vielleicht kirchlich begraben lassen möchten. Langjährige Erfahrungen dieser Art haben unter dem anglikanischen Dorfklerus, vor allem in den Landgemeinden von Wales, etwas entwickeln lassen, was man ökumenischen Humor nennen könnte, und ähnlche Geschichten wie die folgende sind, wenn man einen Abend mit einem DorfpfaTei uud seiner Familie verbringt, an iir Tagesordnung:

Der freikirchliche Schloßgärtner stirbt. Durch die Überredungskunst der Angehörigen in die Enge getrieben,

gibt der Pfarrer schließlich zu, daß der Gärtner irgendwie auf ein kirchliches Begräbnis berechtigten Anspruch haben könnte. Am Tag des Begräbnisses macht die Prozession vor dem Kirchenportal halt, und erst jetzt erfährt man, daß die Sargträger es sich nicht im Traum einfallen lassen, die „Heimstätte des Übels und des Aberglaubens“ zu betreten. „Soweit“, lassen sie sich deutlich vernehmen, „aber keinen Schritt weiter!“ Ein Streit bricht aus der dadurch verschärft wird, daß die Kirchendiener auch nicht ohne weiteres

bereit sind, den verstorbenen Gläubigen unsteten sektärischen Aufenthaltes über die Türschwelle und somit in den sicheren Schutz der Staatskirche herüberzuheben. Der Pfarrer ruft zur Ordnung, der Konflikt löst sich, der Gottesdienst nimmt seinen tröstlichen Lauf. „Und die alten Komtessen“, fragen wir, „wie haben sie sich dazu verhalten?“ „Ja, die alten Komtessen“, sinnt der Pfarrer nach, „haben nichts gemerkt. Die Ohren mit Watte ver-j stopft, sind sie in der ersten Kirchenbank gesessen, und haben während der ganzen Zeremonie in ihren römischen Missalen gelesen.“

Eine solche Geschichte darf natürlich nicht auf völlige doktrinäre Verwahrlosung schließen lassen. Auch die Weisheit der katholischen Kirche läßt oft manches zu, was nicht „im Buch“ steht, etwa dann, wenn ein Priester einem vereinsamten, altkatholischen Flüchtlingsweibchen im Altersheim die Hostie reicht, wohl wissend, warum er es tut. Die anglikanischen und methodistischen Kirchen haben die Liturgie eines Versöhnungsgottesdienstes entworfen, der in verschiedenen Zentren des Landes abgehalten werden soll, im Laufe dessen neben dem Credo alle wesentlichen Glaubensartikel beider Kirchen in irgendeiner Form zumAus-durck gebracht werden sollen. Der hauptsächliche Versöhnungsakt würde in der gegenseitigen Aufnahme liegen, mit dem Zweck, daß künftig jeder Bischof, Priester, Pastor und Laie in beiden Kirchen amtieren oder kommunizieren darf.

Liturgie der Versöhnung

Bedeutungsvoll ist, daß alle anwesenden Pastoren, nachdem die Worte der allgemeinen Aufnahme in die anglikanische Kirche ausgesprochen worden sind, vor den amtierenden Bischof treten und niederknien werden. Nach der erfolgten Handauflegung wird der Bischof sagen: „Wir nehmen Sie in' die Bruderschaft der anglikanischen Geistlichkeit auf. Nehmen Sie die Autorität hin, das Amt eines Priesters auszuüben, das Wort Gottes zu predigen und uns die heiligen Sakramente zu spenden, so wie die Notwendigkeit besteht und Sie dies zu tun veranlaßt werden sollten.“

Der ökumenischen Bewegung dienen

Für ebenso euphemistisch, wenn auch für ein löbliches Zeichen anglikanischer Demut halten die nichtunter-schreibenden Methodisten eine vorgesehene, von den Pastoren ausgeführte Handauflegung. Trotz aller Bedenken wird der Bericht bald den beiden C o n-vocations und der Methodistenkonferenz vorgelegt. Daß man nicht übereilt vorgehen wird, kann angenom-

men werden, sagen schon die Verfasser, daß mindestens zwei Jahre lang gebetet und studiert werden muß, ehe man daran denken kann, den Entwurf in die Tat umzusetzen.

Gleichzeitig schreitet, selbst wenn riän die hochanglikanischen Kirchen beiseite läßt, die Katholisierung des kirchlichen Lebens immer weiter fort, indem man die Eucharistie immer weiter in das Zentrum der sonntäglichen Andacht stellt. Man darf nicht den weitverbreiteten Fehler begehen. Vereinigungsbestrebungen zwischen den nichtkatholischen Kirchen ausschließlich so zu betrachten, wie wenn es sich um politische Parteien handelte. Nicht nur die Anglikaner, auch die Methodisten suchen der von Rom aus geleiteten ökumenischen Bewegung bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit großer Hingabe zu dienen. Trotz den aufrichtigen Zweifeln, die der Leser des hier besprochenen Berichtes empfinden mag, ist eine Bereitwilligkeit unübersehbar, sich dem Wirken des Heiligen Geistes in Demut und Vertrauen zu linterwerten.

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