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Der Bischof wird gewählt

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Es ist nämlich das erste Mal in der Geschichte der evangelischen Kirche unseres Landes, daß für die lutherische Kirche das Bischofsamt ganz neu nach den Wahlbestimmungen der Kirchenverfassung von 1949 besetzt werden kann. Bischof May ist damals natürlich im Sinne der neuen Kirchenverfassung in seinem Bischofsamt bestätigt worden, hatte dieses jedoch schon 1944 auf Grund früherer kirchenrechtlicher Regelungen übernommen. Nun müssen gemäß dem in der evangelischen Kirche herrschenden Prinzip der Willensbildung durch die Pfarrgemein- den beziehungsweise deren gewählte Repräsentanten die Superintenden- tialversammlungen — jede Gemeinde sendet ihren oder ihre Pfarrer und in gleicher Anzahl Laien in diese Versammlungen, von denen es fast analog zu den Bundesländern derzeit sieben gibt, wobei Salzburg und Tirol eine Superintendenz bilden, Vorarlberg jedoch dem reformierten Kirchenregiment untersteht — je zwei Kandidaten der i lutherischen Synode zur Wahl vor- ] schlagen, wobei dem scheidenden ; Bischof dasselbe Recht zusteht. Die : Synode, welche in den nächsten i Wochen aus Mitgliedern jener Versammlung auf Grund eines bestimmten Schlüssels je nach zahlenmäßiger Größe der Superintendenzen eben- ; falls neu gewählt wird, ist bei der ; Wahl an diese Vorschläge gebunden. Auch muß der Bischof in geheimer i Abstimmung auf jeden Fall mit ' Zweidrittelmehrheit gewählt wer- ] den. Die Voraussetzungen für die ; Wählbarkeit sind die Befähigung i zum lutherischen Pfarramt, welche ] auch die hauptamtlichen Religions- 1 Professoren und die ordinierten ] lutherischen Universitätsprofe ssoren i und -dozenten der Theologie be- 1 sitzen, sowie ein Mindestalter i von 40 Jahren. Auch ausländi- 1 sehe Theologen, die gleichwertige ] Qualifikationen besitzen, könnten 1 zur Wahl aufgestellt werden. Die s Amtsdauer des Bischofs läuft norma-de lerweise mit dem Jahr aus, in dem er sein 72. Lebensjahr vollendet.

Mit dem Bischofsamt verbunden ist die Mitgliedschaft im lutherischen Oberkirchenrat, dessen Vorsitzender er ist, und in der lutherischen Synode, durch letztere dann auch die

Mitgliedschaft in der Generalsynode beider evangelischer Bekenntnisse und schließlich im gemeinsamen Oberkirchenrat A. und H. B., in dessen Vorsitz Bischof May durch die letzte Generalsynode auf deren Funktionsdauer gewählt worden war, weil dieser Vorsitz nach der Verfassung nicht an den lutherischen Bischof gebunden ist. Er könnte etwa auch vom reformierten Landessuperintendenten übernommen werden.

„Erster“, aber nicht oberster Pfarrer

Schon diese Darstellung der Wahl und der unmittelbar aus dem Amt folgenden Mitarbeit in den verschiedenen gesetzgebenden und vollziehenden Körperschaften der Kirche zeigen deutlich, daß das lutherische Bischofsamt in Österreich ganz in die demokratische und kollegiale Struktur der evangelischen Kirchen eingebettet ist. Diese bestimmt daher auch seine Verantwortlichkeit, welche der Bischof durch Wahrnehmung seines Stimmrechtes in den Kollegien und seiner Berichterstattungspflicht vor der Synode erfüllt. Der tiefgreifende Unterschied zu der Stellung des Bischofs in anderen christlichen Kirchen erweist sich aber auch noch daran, daß ihm hier alle jurisdiktio- nellen Rechte fehlen und seine besonderen Aufgaben in der „geistlichen Führung“ zusammengefaßt werden, so daß der Abschnitt der Verfassung, welcher jene im einzelnen beschreibt, mit den Worten beginnt: „Dem Bischof als erstem Pfarrer der Kirche AB obliegen...“ Mit Bedacht ist auf guter lutherischer Tradition und der Entwicklung es Protestantismus in unserem

Lande fußend vermieden worden, vom obersten Pfarrer zu sprechen, denn an anderer Stelle wird ausdrücklich festgehalten, daß „alle Diener am Worte Gottes auf Grund ihrer Ordination einander gleich- stehen“. Es gibt unbeschadet einet Ordnung mit der Aufsicht durch Vorgesetzte Amtsstellen doch keine gesetzliche Über- und Unterordnung in der geistlichen Autorität.

Wechselseitige Verantwortung

In ständiger Beachtung jenes Grundprinzips von der wechselseitigen Verantwortung können wit nun sehr wohl eine Reihe von besonderen Funktionen des lutherischer Bischofs Anden, die auch den alten, gemeinchristlichen Begriff des Hirten füllen. Aber ein „Oberhaupt“ seiner Kirche, wie es jetzt wieder eine Zeitung schrieb, ist der lutherische Bischof nicht. Die besonderen Funktionen des Bischofs sind teils denen des Pfarrers und Superintendenten nachgebildet, teils in ihrem weiteren Rahmen um gesamtkirchliche Aufgaben vermehrt worden. Wie er selbst das Recht zur Verkündigung und Amtshandlungen behält, dies auch an einer bestimmten Gemeinde noch besonders ausüben kann, so soll er in der gesamten Kirche vor allem für diese Aufgabe der Kirche sorgen, dazu auf Einigkeit und Einhaltung der Ordnung bedacht sein und die diakonische Verpflichtung der Gemeinden wachhalten. Direkt als Hirtenamt wird seine Fürsorge für die geistlich-theologischen Sachbereiche bezeichnet, unter den Pfarrern mit brüderlicher Beratung und Förderung ihrer theologischen Zurüstung; Beteiligung an der Ausbildungsplanung für die jungen Theologen und an den Prüfungen, ihrer Ordination und die Amtseinführung der Superintendenten gehören dazu. Er kann für die ganze Kirche Hirtenbriefe erlassen und in der Öffentlichkeit soll er pflichtgemäß die Stimme der Kirche zur Geltung bringen.

Beratung und Kooperation

Bei all diesen geistlichen Aufgaben steht ihm die Konferenz aller lutherischen Superintendenten beratend zur Seite. Er ist also auch hier in geistlichen Belangen in die Gesamtstruktur der kirchlichen Gliederungen einbezogen. Vielmehr gilt dies wie schon gesagt für das Kollegium des Oberkirchenrates, in dem er mit seiner Stimme an der diesem vorbehaltenen Leitung und obersten Verwaltung der lutherischen Kirche beziehungsweise beider Kirchen gemeinsam teilhat. Kann so schon verfassungsmäßig von einer Art Führungsprinzip nicht die Rede sein, so fordert auch schon die Kompliziertheit eines modernen Kirchenwesens, noch dazu in der Minoritätssituation, und vor allem die Vielfalt des modernen Lebens ein besonders großes Maß an Fähigkeit zur Koordinierung von Begabungen und Interessen, Kooperation mit Menschen und Kommunikation von Ideen, welche heute die in einem früheren Gesellschaftsmodell tonangebende charismatische Führungskraft einer bedeutenden Persönlichkeit weithin ersetzen muß. Beliebte Vorstellung, etwa, daß der Leitende kraft größeren Aktionsbereiches auch über bessere Entscheidungskriterien verfüge, hat die sich rasch verändernde, differenzierte moderne Gesellschaft schon auf der Ebene der Ein-Mann-Pfarrgemeinde längst als unzutreffend erwiesen. Das Feld der theologischen Arbeit ist, von dieser unserer Welt herausgefordert, soweit und das Leben der Kirchen in einem Ausmaß international verflochten, daß kein Charisma diese Fülle von Anforderungen noch allein bewältigen kann. Deshalb ist besonders wichtig, daß die aufgezeigten Elemente des wechselseitigen Miteinander dem Hin und Wider von Leitung, Planung, Anregung und Auftrag, Ermunterung und Warnung, wie sie ein Bischofsamt auch in der evangelischen Kirche mit sich bringt, voll zugute kommen. Die strukturellen und formalen Bedingungen sind so gut wie alle diesem Ziel günstig, und die Tatsache, daß die kommende Synode alle Mitglieder der lutherischen Kirchenleitung bis auf den Kirchenkanzler, der als Jurist auf Lebenszeit bestellt ist, neu zu wählen hat und auf die mögliche Vergünstigung eines Übergreifens der Amtskontinuität einzelner Mitglieder verzichten kann, wäre wohl neuerlich ein evangelisches Wagnis wert.

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