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Diener der Einheit
Dr. Gerhard May, Altbischof der Evangelisch-lutherischen Kirche Österreichs ist am Montag, den 25. Februar knapp nach der Vollendung des 82. Lebensjahres in Wien gestorben. Am 13. Februar 1898 in Graz als Sohn eines Pfarrers geboren, studierte er Theologie und Philosophie in Wien, Halle und Basel. Als Pfarrer von Cilli, im heutigen Jugoslawien, arbeitete er an der Gründung der evangelischen Kirche Augsburger Bekenntnisses im Königreich Jugoslawien mit, war Mitglied der Synode und verschiedener Ausschüsse. In den Jahren 1934-1935 war er Studienleiter in Leipzig. Im Jahr 1936 verlieh ihm die Universität Heidelberg den Dr. theol. ehrenhalber für sein Buch „Die Volksdeutsche Sendung der Kirche". Er trat nach dem Tode von Dr. Eder als zweiter das Bischofsamt der evangelischlutherischen Kirche Österreichs am 1. September 1944 sein Amt an, in einer Zeit, in der das Leben der Österreicher durch Bomben bedroht war und der Krieg bereits an den Grenzen des Landes stand. Millionen Flüchtlinge strömten nach Österreich. Diese Zeit und die nachfolgenden Jahre waren eine harte Bewährungsprobe. Entschieden trat er für die in physische und psychische Not Geratenen ein und widmete sich in der Folge dem äußeren und inneren Aufbau der Kirche. Die Anstrengungen und Aufregungen dieser Zeit stellten höchste Anforderungen an seinen Gesundheitszustand, so daß er am 31. Oktober 1968 sein Amt zurücklegte.
Es gibt wohl keinen Zweig kirchlicher Arbeit, auf dem Bischof May nicht Entscheidendes geleistet, Aktivitäten und Impulse gesetzt hätte. So ist die Schaffung einer neuen Kirchenverfassung großteils sein Werk.
In den 26 Jahren seines Bischofsamtes wurden in Österreich weit über 100 Kirchen gebaut. Bischof May war Gründungsmitglied des Lutherischen Weltbundes und des ökumenischen Rates der Kirchen.
Er hatte wesentlich Anteil an der Vorbereitung des Protestantengesetzes 1961, das die Rechtsstellung der Evangelischen Kirche im österreichischen Staate auf völlig neuer Basis regelt. Weit über die Grenzen des Landes hinaus verschaffte er der Kirche Ansehen und trug wesentlich zur Verbesserung des ökumenischen Klimas in Österreich bei.
Bischof May verfügte über eine große Verhandlungskunst. Seine Stärke war sein Einfühlungsvermögen und die verständnisvolle Bereitschaft zum Gespräch mit den Andersdenkenden und seine vornehme Sachlichkeit.
Das große kirchengeschichtliche Ereignis des 20. Jahrhunderts die ökumenische Bewegung, förderte er nicht aus kirchenpolitischen Absichten, sondern aus dem Glauben heraus, daß Christen, welcher Konfession sie angehören, aufeinander zugehen und sich zum gemeinsamen Handeln in der zerrissenen Welt berufen fühlen müssen.
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