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An den Raud gestilifertion

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„AUS DER WELT!” Die Lage der Österreicher vor dem UNO-Forum ist schwer und bitter. Mühsam und zäh verteidigt der Außenminister das von der gesamten Regierung legitimierte Begehren nach einem neuen „friedlichen Mittel” zur Einigung über den endgültigen Status der Südtiroler, der zwar eine rechtliche Grundlage besitzt, seinem Inhalt nach aber ein politisches Problem darstellt. Die soeben wieder gemeldeten Bombenanschläge sind die denkbar ungünstigste Begleitmusik dazu. Sie gaben dem italienischen Delegierten Gelegenheit zu einem von der Rechtssache ablenkenden Angriff gegen Wien, das in direkten Zusammenhang mit den Attentätern gebracht wurde. Dabei hat Martino ohne Zweifel über das Ziel hinausgeschossen. Sein Ausruf, dafj sich Österreich weigere, die Sache „aus der Welt zu schaffen’, ist kein Ruhmesdokument rechtsstaatlicher Gesinnung. Gerade auf amerikanischem Boden sollte man das Wort Linco-Ins kennen, daß keine Sache geregelt sei — ehe sie nicht wirklich geregelt ist.

UMSTRITTENE KANDIDATENAUF- STELLUNG. Der 12. Wiener Landes- parteifag der österreichischen Volkspartei stand am letzten Wochenende im Zeichen der erhöhten Aktivität der Bezirksorganisationen dieser Partei. Vor allem trifft dies auf den mit großer Mehrheit gefaßten Beschluß zu, wonach Minister beziehungsweise Stadträte ihr Mandat als Nationalratsoder Landtagsabgeordnete zurücklegen müssen. Der Antrag, den der Bezirk Neubau stellte, ging erst nach einer Kampfabstimmung durch. Ein anderer Antrag, den der Statutenausschuß selbst einibrachte, sollte bei dem für die Parteiendemokratie und die Demokratie überhaupt so eminent wichtigen Vorgang der Kandidaten- aufstellung bei Wahlen den Bezirken mehr Rechte als bisher zubilligen. Die sogenannten Wahlkreisdelegiertenkonferenzen hätten demnach das Recht, einen Kandidaten je Wahlkreis an aussichtsreicher Stelle zu nominieren. Nach langer Debatte einigte man sich jedoch auf der Grundlage des Bundesstatuts, wonach die Bezirke zwar die Kandidaten nominieren, deren Reihung aber die Parteileitung vornimmt, Trotzdem hofft man, dafj die-noch ausstehende Durchführungsregelung den Geist dieser Reformvorschläge berücksichtigen wird. Und das würde bedeuten, dafj der Einflufj der Bezirke innerhalb der Parteiorganisation im Wachsen begriffen ist, was übrigens auch gerade der Politik des wiedergewählten Landesparfeiobmannes und seiner Mitarbeiter entspricht.

ALLES FLIESST. Filmpolitik wurde in Österreich bisher klein geschrieben. Ober Nacht ist nun das Eis gebrochen worden. Es fing damit an, dafj sich in aller Stille durch die zähe Initiative des Filmreferates im Unterrichtsministerium und eine Verbindungsstelle in der niederösterrei- chisohen Landesregierung eine gemeinsame, bisher schon zwei Drittel der österreichischen Bundesländer einschließlich Wien umfassende Prädi- katisierungskommission konstituieren konnte, die am 1. Jänner ihre Tätigkeit aufnehmen wird. Bei der Par- lamenfsdebatte über die Verlängerung des Kulturgroschens brachten Vertreter aller drei Parteien in seltener Einmütigkeit dem Unferriehts- minister gegenüber die ihm selber hocherwünschte Bereitwilligkeit zum Ausdruck, den Film in Österreich durch öffentliche Maßnahmen und Mittel zu fördern. Der Unterrichtsminister hat denn auch im Anschluß an die Verleihung des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst an Willi Forst seine Freude und Genugtuung darüber ausgedrückt. Es ist klar, daß ihm nun diese Koordinierung der Interessen freiere Hand in seinen Kontakten mit dem Handels- und Finanzministerium verschaffen wird. Wie eine Bombe schlug schließlich auf dem Empfang der Filmschaffenden bei Erzbischof Dr. Jachym im Rahmen der VII. Internationalen Religiösen Filmfestwoche die Einladung des Vorsitzenden der Katholischen Filmkommisson in Österreich, Prälat Dr. Rudolf, an die Filmschaffenden einschließlich der Produzenten, Verleiher und Kino- besifzer ein, an einem Gespräch zwischen Kirche und Film teilzunehmen. Unversehens ist damit die österreichische Filmpolifik in vollen Fluß geraten — 5 vor 12, spät, aber noch nicht zu spät. Hoffentlich.

ITALIENER STERBEN IM KONGO. Als vor wenigen Monaten das österreichische Sanifäfskorps im Kongo in die dortigen Unruhen verwickelt wurde und Gefahr für das Leben dieser Männer und der Frau in ihrer Mitte bestand, ging eine Welle von

Sorge durch unser Land. Nun erfahren wir mit aller Welt die Nachrichten vom Tode von dreizehn italienischen Fliegern, die im Dienste der UNO von meuternden kongolesischen Soldaten ermordet wurden. Vielleicht erhöht sich diese Zahl noch, da ein weiteres italienisches Transportflugzeug verschollen ist. Es ziemt uns Österreichern gerade in diesen Tagen, in denen wir mit Italienern uns als Streitgegner in New York vor der UNO gegenübersfehen, in aufrichtiger Anteilnahme dieser anderen Söhne Italiens zu gedenken, die bereits für eine größere, freiere, bessere Welf gefallen sind: auf dem heißen Boden Afrikas; für eine freiere Gesellschaft, in der Italiener, Südtiroler und Österreicher Raum, Lebensraum, hoben, zusammen mit den Menschen Afrikas, die sich eben befehden in grauenhaften Bürgerkriegen, die uns doch so wohlver- fraut sind aus der Geschichte unserer gemeinsamen Mutter Europa . …

CHRISTEN IN DELHI. An der dritten Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen (so ist der offizielle Name der driften Weltkirchenkonferenz des Protestantismus) nehmen rund achthundertfünfzig offizielle Delegierte von rund zweihundert Kirchen teil. Motto der Tagung ist: „Christus, das Licht der Welt . Zwei bedeutende Ereignisse beleuchten diese November-Tagung in Indien: die Behandlung des am 11. April 1961 von der russisch-orthodoxen Kirche und anderen orientalischen Kirchen des Ostblocks eingebrachten Antrages, Mitglieder des ökumenischen Rates zu werden. Und dann dies zweite: zum erstenmal nehmen offizielle Beobachter der römisch- katholischen Kirche an diesem Treffen teil; es sind drei Abgesandte des Sekretariats für die christliche Einheit, also Kardinal Beas und zwei indische Geistliche, die als besondere Vertraute des Kardinals Gracias gelten. Wie man hört, interessieren sich die Repräsentanten Roms vor allem für die Orthodoxen und für die Anglikaner auf dem Kongreß. Seltsames Schauspiel: Mutter Asien und Indien, das Land Ghandis und Nehrus, sieht die erste weltgeschichtliche Begegnung aller geschichtlich gewordenen christlichen;” Kirchen, Gemeinden, Gruppen! Offensichtlich wollen gerade die westlichen und weißen Christen der farbigen Welt im allgemeinen und Asien im besonderen nicht mehr das alte Schauspiel selbstmörderischer Zwietracht bieten: ein Drama, das nicht zuletzt der alten katholischen China- und Asjen- mission Herz und Genick brach.

BERIJA — AMERIKANISCHER SPION!

Zu den beunruhigendsten Erscheinungen des stalinistischen Kommunismus und seiner Verwandten, Söhne und Erben gehört seit mehr als drei Jahrzehnten die massive Denunziation von nonkonformistischen Kommunisten, von Gegnern, nicht selten von unpolitischen Menschen, die von den roten Mühlen zermahlen wurden. In dem Schimpfwortregister steht da meist obenan die Behauptung, der Betreffende habe im Dienste des Weltfeindes, des Kapitalismus, zumal der USA, Verrat an der Sowjetunion getrieben. Innen- und außenpolitische Offensiven wurden durch Hetzkampagnen dieser Art vorbereitet. In der gegenwärtigen, wieder einmal sehr unruhigen Periode horchte man im Westen bestürzt auf, als im Zusammenhang mit dem Feldzug gegen den toten Stalin neue Beschuldigungen gegen Männer von gestern laut anklagend vorgebracht wurden. Als einer der Prominentesten von gestern ist jetzt neben Molotow Berija an der Reihe. Da hat es nun rechtes Aufsehen erregt, daß ein angesehener amerikanischer Diplomat bestätigte, daß man tatsächlich amerikanischerseits kurz vor Berijąs Tod daran war, mit ihm in Verbindung zu treten. Verstehen wir diese USA-Erklärung richtig: sie kann als ein bedeutender amerikanischer Beitrag zur Entkrampfung im kalten Krieg gewürdigt werden. Niemand konnte Amerikaner zu einer Veröffentlichung dieser Art zwingen. Die westliche Welf war aus sehr verständlichen Gründen geneigt, die neue russische Anschuldigung gegen den toten Berija im Sinne der bösen alten Kampagnen zu deuten. Die sehr freie Erklärung des Amerikaners wirft Licht auf die große russische Angst, die der Angst des Westens durchaus ebenbürtig ist. Gewiß: weder Sowjets noch Amerikaner werden in naher Hinkunft darauf verzichten, einander auszuspionieren. Die Nacht der Spio- nageunferwelt wird dadurch nicht erhellt; die Völker aber werden aufmerksam gemacht, daß ein hellerer Morgen für alle erst jenseits dieser Affären beginnt.

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