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Der Kardinal aus Wien

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Der Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König, hat am 3. August sein 60. Lebensjahr vollendet. Er hat diesen Tag fern der Heimat in Frankreich begangen, wohin er sich zu mehrwöchigen Exerzitien zurückgesogen hat. Er hat diesen Tag gewiß nicht gefeiert, und es war sein ausdrücklicher Wunsch, daß man auch in Wien und in Österreich von diesem Tag kein Aufheben mache. Es hat keine Feiern, keine Veranstaltungen, keine Gratulationscour gegeben. Daß er davon nichts wissen wollte, ist keine Pose bemühter Bescheidenheit, sondern entspringt dem innersten Wesen dieses Mannes, dem jedes Getue, jede Geschäftigkeit und jedes Aufsehen um seine Person zuwider ist. Kardinal König ist alles andere denn ein „Kirchenfürst“ feudaler Ausprägung, er ist kein „Würdenträger“, der auf seine Würde bedacht wäre, er ist kein Mann gesuchter und gewollter Publizität. Und doch hat er in einem Maße in die Breite des eigenen Volkes gewirkt und in die Weite der Welt wie kaum je ein österreichischer Bischof vor ihm.

Sein Leben kannte bisher nur Zwischenstationen. Am 3. August 1905 in Warth bei Rabenstein im Pielachtal im niederösterreichischen Alpenvorland als ältester Sohn einer kleinbäuerlichen Familie geboren, Mittelschule in Melk, Studium in Rom an der Gregoriana als Zögling des Germanicums, 1933 . Priesterweihe in Rom, weitere Studien in Frankreich und England, Kaplan in Dörfern und Märkten seiner St. Pöltner Diözese, 1938 Dom-kurat in St. Pölten, 1945 Religionslehrer in Krems, 1948 Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät in Salzburg. 1952 Bischof-Koadjutor von St. Pölten, 1956 Erzbischof von Wien, 1958 Kardinal.

Erzbischof von Wien zu werden, hat er nie angestrebt, ja er hat es bis zuletzt zu verhindern versucht, aber er hat als Erzbischof von Wien keine Zweifel daran gelassen, daß er nicht bereit ist, Wien zu verlassen, auch nicht um noch so ehrenvolle Berufungen. Vielleicht war er am glücklichsten als Universitätsprofessor in Salzburg, denn er ist seinem innersten Wesen nach ein Mann der Wissenschaft, ein Mann des Geistes. Aber er ist kein Stubengelehrter, kein enger Fachwissenschaftler, er weiß sich dem Geist verpflichtet über alle Grenzen hinaus. In der Freiheit des Geistes sieht er den stärksten Motor menschlicher Entwicklung.

Alles, was er je getan hat, hat. er ganz getan, ohne Aufhebens, als Selbstverständlichkeit. So wie er als Kaplan viele Stunden durch Eis und

Schnee auf einsame Berghöfe ging, um einem sterbenden Bauern den Leib des Herrn zu bringen, so wie er als Domkunat in St. Pölten unter den Augen der wachsamen und manchmal zupackenden Gestapo mit der Jugend Verbindung hielt, wie er ohne Furcht auf der Straße russische Kriegsgefangene ansprach, um ihnen ein menschliches Wort in ihrer Muttersprache zu sagen, so hat er als Religionslehrer in Krems eine vom Krieg desillusionierte Jugend durch den Einklang von Leben und Haltung mehr noch als durch sein umfassendes Wissen an sich gezogen, hat er als Professor in Salzburg das Standardwerk der vergleichenden Religionswissenschaft „Christus und die Religionen der Erde“ vollendet, hat er als Erzbischof von Wien in seinen großen Reden als Mahner und Erzieher seines Volkes gewirkt, war er am Konzil der Sprecher der dynamischen Mehrheit, hat er durch seine Reisen nach Osteuropa nicht nur politische Grenzen überwunden, sondern auch die Vorbedingungen für manche neue Entwicklungen geschaffen, hat er durch seine Gespräche in Bombay und Kairo zu einer gewaltlosen Front aller Gläubigen aufgerufen und hat schließlich als Präsident des Sekretariates für die Nichtgläubigen eine Aufgabe übernommen, die zu den entscheidendsten in der geistigen Entwicklung der Welt zählt.

Der Name des Kardinals ist heute in aller Welt bekannt wie kein zweiter eines lebenden Österreichers. In seinem Vaterland gilt seine Stimme als die Stimme der Kirche; er hat die Kirche wieder präsent und glaubwürdig gemacht in jenen Kreisen, die seit Jahrzehnten der Kirche fremd gegenüberstanden. So verschieden sein persönliches Wesen von dem des verstorbenen großen Papstes Johannes ist, so ähnlich ist in manchem die Wirkung der beiden Männer gewesen. König hat wie Johannes nichts wesentlich Neues, Umwälzendes gesagt, aber das Selbstverständliche hat seine österreichischen Landsleute aufhorchen lassen, sowie das Wort und das Wirken Johannes die Welt aufhorchen ließ. Wie bei Johannes ist bei König die Wirkung auf die Fernstehenden größer als auf manche Kreise eines traditionellen Katholizismus, der sich nur schwer von Bindungen der Vergangenheit lösen kann.

Die neue Stellung der Kirche in Österreich, ihre Haltung im politischen Raum, geht nicht auf Kardinal König zurück, sie liegt in der Entwicklung seit 1945 beschlossen. Der Katholikentag von 1952 hat sie schon eindeutig formuliert. Aber der Kardinal hat diese Entwicklung ehrlich und konsequent weitergeführt, nicht nur, weil dieser Prozeß irreversibel ist, sondern weil er auch seiner Auffassung von den Aufgaben der Kirche in der Gegenwart entspricht. Daß er in diesem Lande zum. Frieden, zur Versöhnung, zur Zusammenarbeit, zur Verantwortung immer wieder aufgerufen hat, das hat ihm das Volk über alle weltanschaulichen und politischen Grenzen hinweg gedankt. Er hat dabei nicht den Beifall der Menge gesucht ebensowenig wie das Wohlwollen der Mächtigen, er hat sich nicht gescheut, manchmal auch harte und unangenehme Dinge zu sagen.

Das Wesen des Kardinals, seine innere Haltung, scheint geprägt zu sein von Toleranz, von Großzügigkeit und Liberalität, aber auch von einer Distanz, die keine abweisende Distanz ist, sondern die die Grenzen beachtet wissen will, der eigenen und der fremden Persönlichkeit. Kleinlichkeit scheint ihm ebenso fremd zu sein wie Sentimentalität. Er kann in fast allen Sprachen reden, besser aber noch ruhig zuhören. Kardinal König läßt, soweit wie nur möglich, jede fremde Meinung gelten, er behindert sie nicht, er nimmt sie eher in Schutz. Wenn er allerdings zu spüren vermeint, daß man ihn unter Druck setzen möchte, dann kann er eine Härte entwickeln, die für manchen eine böse Überraschung war.

Bei der großen Fülle von Arbeit, die täglich auf ihn wartet, wirkt der

Kardinal eigentlich nie geschäftig, sondern eher gelassen und ruhig. Nie scheint ihn etwas so ganz zu okkupieren, daß er nicht noch Kräfte für andere Aufgaben frei hätte. Sein Blick geht in die Weite der Weltkirche. Er ist einer der Partner des großen Dialoges zwischen Kirche und Welt, des Dialoges mit anderen Religionen, des Dialoges zwischen Glauben und Unglauben. Er ist kein Rhetor, aber das richtige Wort am richtigen Ort steht ihm immer zu Diensten. Er hat die Laien zur Verantwortung aufgerufen und einmal geschrieben, daß die Journalisten der Mund der Laien seien. Zu den Journalisten, die er in ihrem Dienst, aber auch in ihren Versuchungen mit dem Priester verglich, hatte er immer ein besonderes Verhältnis. Sie schätzen seine Aufrichtigkeit und er versteht ihre Nöte.

Für die „Furche“ hat schon der Religionslehrer in Krems und der Professor in Salzburg geschrieben. Die Reden des Kardinals sind zum großen Teil in diesem Blatt im Wortlaut erschienen. Es war immer der Stolz dieser Zeitung, dieses Mannes Sprachrohr zu sein, seinem Wort und seinen Ideen zu dienen. Sie wird es auch in Zukunft so halten. Sie glaubt, damit dem Vaterland und der Kirche zu dienen, in diesem Land und in der Welt. Denn nicht nur der Kirche in der Heimat, sondern schon der Weltkirche gehört Franz König an, die ihn kennt und achtet als den Kardinal aus Wien.

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