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Seele der Kirche

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Im Verlag Herold erscheint in Kürze Professor Mitterers Buch „Geheimnisvoller Leib Christi“, ein Kirchenbuch, das durch die Fülle seiner Ergebnisse und Erkenntnisse überraschen wird.

Erstmals nach dem Tode des Herrn stand die von ihm gegründete und hinterlassene Kirche vor der Öffentlichkeit. Die Jüngerschaft mit Einschluß der frommen Frauen, die zwölf, die sich eben erst von elf wieder auf zwölf ergänzt hatten, an ihrer Spitze Petrus, der Fels, auf den der Herr seine Kirche baute.

Erstmals nach dem Tode des Herrn übten sie in aller Öffentlichkeit die von ihm übertragenen theokratischen Funktionen aus. Petrus predigte und eröffnete mit der Judenmission die Mission der Menschheit überhaupt. Sje bekehrten, tauften und heiligten so die ersten Dreitausend, und sie nahmen damit die Führung der neuen Theokratie öffentlich in die Hand, des Gottesreiches, das der kleinen Herde verheißen, und der Schlüssel, die ihrem Haupte übertragen waren.

Aber es wird auch zum erstenmal jener innere Zusammenhang äußerlich offenbar, der zwischen der Kirche und dem Hl. Geist besteht. Diesen Zusammenhang hat die Kirche selbst im Anschluß an den hl. Paulus formuliert. St. Paulus hatte gesagt, daß die Kirche der Leib Christi sei, und die Kirche hatte im Zusammenhang damit erklärt, daß sie wie jeder lebendige Leib beseelt sei. Sie bestehe aus einem menschlichen Leib, der alle ihre Glieder umfasse, und aus einer göttlichen Seele, dem Hl. Geist, der sie erfülle.

Diese Formel ist geradezu der Schlüssel zum Verständnis der Kirche und ihrer Geschichte. Wer nur die Menschlichkeit ihres Leibes und seiner Glieder sieht, verkennt die Kirche ebenso wie der, der nur die Göttlichkeit ihrer Seele beachtet und zu deren Gunsten die Menschlichkeit des Leibes wegdisputieren möchte.

Die Kirche hat das Bewußtsein ihrer Menschlichkeit niemals verloren. Nichts Menschliches noch Allzumenschliches ist ihr und ihren Gliedern fremd. Sie hat die Behauptung, als ob die Kirche ausschließlich eine Gemeinschaft der Gerechten, der Auserwählten, der Vollkommenen oder der wahren Anbeter Gottes im Geiste und in der Wahrheit sei, wiederholt als Irrlehre verworfen. Im Gegensatz dazu hat sie — und erst kürzlich wieder unser Papst — ebenso energisch betont, daß die Sünder zur Kirche gehören, sobald sie in die Kirche aufgenommen und solang,-- sie nicht wieder ausgetreten oder ausgeschlossen sind. Wie könnten wir Menschen auch den Mut haben, Glieder der Kirche zu sein, zu werden oder zu bleiben, und welche Hoffnung könnte die Kirche haben, Menschen zu ihren Gliedern zu machen, wenn es Menschen ohne Menschlichkeiten sein müßten?

Aber ebensowenig hat die Kirche jemals das Bewußtsein verloren, daß ihr menschlicher Leib von einer göttlichen Seele erSüllt sei. Das Pfingstfest mit seiner Herabkunft des Hl. Geistes ist für sie kein einmaliges und vorübergehendes Ereignis, sondern der Beginn eines Dauerzustandes. Es ist die Sendung des Para-klet, damit er nach den Worten des Herrn immer bei ihr bleibe. Dies Bewußtsein einer göttlichen Beseelung ist ein doppeltes.

Einerseits weiß die Kirche, daß sich in ihr nicht bloß Menschliches, sondern übermenschliches vorfindet. Sie weiß, daß das Programm, das sie zwischen der ersten und zweiten Ankunft des Herrn abzuwickeln hat, übermenschlich und gigantisch ist: die ganze Menschheit zu missionieren und zu machen, daß schließlich ein Hirt und eine Herde sei. Sie kennt die übermenschlichen Mittel und Anstrengungen, die sie zu diesem Zweck seit beinahe zwei Jahrtausenden mit wechselndem Erfolg eingesetzt hat. Sie weiß aber auch von den übermenschlichen Erfolgen zu berichten, die sie dabei erzielte. Ein einziger Mensch, den sie auf dem Weg zur heroischen, gottbestätigten Heiligkeit zu führen und auf Grund dessen zur Ehre der Altäre zu erheben vermochte, ist Ihr eine übermenschliche Leistung. Aber es Sind Tausende.

Andererseits aber ist die Kirche weit entfernt, das Ubermenschliche ihres Programmes, ihrer Mittel und Erfolge auf die natürlichen und menschlichen Kräfte ihres Leibes und ihrer Glieder zurückzuführen. Es ist der Ausdruck ihrer Bescheidenheit, wenn sie als Ursache den Hl. Geist ansieht, mit dem Gott ihren menschlichen Leib beseelt hat. Von ihm fühlt sie sich geleitet in ihrer Lehre, Liturgie und Verfassung.

In dieser Zweieinigkeit von menschlichem Leib und göttlicher Seele sieht sie den Schlüssel zu ihrer Geschichte. Darin nämlich, daß trotz der Menschlichkeit ihres Leibes und Allzumenschlichkeit mancher ihrer Glieder soviel übermenschliches an ihr zu finden ist, wird die unsichtbare göttliche Beseelung geschichtlich sichtbar. Daß es ihr trotz aller aufspaltenden Kräfte und Ereignisse durch beinahe zwei Jahrtausende im Kern einig zu bleiben gelang, daß sie den menschlichen, ja dämonischen Mächten äußerer Bekämpfung und innerer Zersetzung nicht völlig erlag, daß sie nach Rückschlägen und Mißerfolgen sich immer wieder zu reformieren, aufzurichten, ja zu blühen vermochte, daß sie trotz so vieler menschlicher Wandlungen im Laufe der Zeiten ihr Wesen bewahren konnte, daß sie trotz aller menschlichen Schwäche und Bosheit so viele Früchte der Heiligkeit und heiligmäßigen Lebens ernten durfte, daß sie bei ihrem Streben, alles zu prüfen und das Gute zu behalten und einzuverleiben, ihre religiöse Hauptaufgabe nicht vergaß, daß sie umgekehrt trotz ihres Ringens auf eigenstem religiösen Gebiet fast alle anderen Kulturgebiete unerschöpflich befruchten konnte, daß in ihr neben dem Kleriker der Charismatiker und umgekehrt niemals ausgestorben ist, daß trotz aller Versuche zur Erstarrung Fortschritt und Entwicklung immer lebendig blieb — das sind einige allgemeine Kategorien, u iter die man die Tatsachen der Kirchengeschichte einordnen kann.

Die Tatsachen sind der Menschheit im allgemeinen nicht entgangen. Nicht bloß Gläubige pilgern begeistert nach Rom zum Heiligen Jahr, afndern die Augen der Gesamtmenschheit sind mehr als je auf die Kirche gerichtet. Man fühlt instinktiv, daß sie die „Führerin der Menschheit“ ist (Hans Rost im Titel seines neuen Buches „Die Kirche als Führerin der Menschheit“), und man bewundert an ihr, daß diese moralische Macht heute wie je jede Herausforderung offen annimmt und beantwortet. Man ahnt, daß sie das nicht wagen könnte im Bewußtsein ihres menschlichen Leibes, sondern im Bewußtsein ihrer göttlichen Seele wagt.

Aber solche Ahnung kann nur dann zum Verständnis führen, wenn man nicht bloß Tatsachen bestaunt, sondern Ursachen erfaßt, die ausreichend sind, solche Tatsachen zu erklären. Das Menschliche findet seine Erklärung in der Menschlichkeit des Leibes und seiner Glieder (und niemand, auch kein Kritiker der Kirche, nehme sich -'on dieser Menschlichkeit aus). Das übermenschliche aber erklärt sich aus dem Geiste Gottes, der am Phngsttag über die Kirche gekommen und nicht von ihr gewichen ist. Der Kirche aber, die jenes Ubermenschliche leistet und die damit bewies, daß sie sich in ihrer religiösen Sendung an die Menschheit nicht geirrt hat, darf man auch zutrauen, daß sie am besten ihr Wesen zu bestimmen und zu formulieren weiß. Und wenn sie es darin findet, daß sie „der geheimnisvolle Leib Christi“ sei, ein menschlicher Leib, von göttlichem Geiste beseelt, so erscheint es der Mühe wert, sich in die Bedeutung dieser Formel zu vertiefen, um das Wesen der Kirche zu begreifen.

Univ.-Prof. Dr. Albert M i 11 e r e r

Johann Martin Fischer. Wiens bildhauerischer Repräsentant des Josephinismus. Von Margarethe Poch-Kalous. Forschungen zur österreichischen Kunstgeschichte, herausgegeben von Richard Kurt Donin, Bd. 3. Erwin-Müller-Verlag, Wien. 100 Seiten, 48 Bildtafeln.

Johann Martin Fischer, der mit diesem Buch seine erste, zumeist auf eigener Forschungsarbeit der Verfasserin fußende Gesamtdarstellung findet, gehört zu den Vertretern des Frühklassizismus in Wien, der in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts, zumal unter Kaiser Joseph IL, die Akademie erobert und bis weit in das 19. Jahrhundert hinein die österreichische Bildhauerkunst bestimmt hat. Das Akademische im weitesten Sinn, der dem Werk heute anhaftet, wird mit Recht als für Fischers ganzes Schaffen bezeichnend dargetan. Zwar ist der 1740 im bayrischen Allgäu geborene Künstler, der mit 20 Jahren nach Wien kam und als Professor und Direktor der Akademie 1820 hier starb, seinem Rivalen Franz Anton Zauner beträchtlich unterlegen, aber er hat vor allem mit seinen Brunnen der Stadt einige schöne Denkmäler geschenkt und ist auch als Porträtist von gewisser Bedeutung. Ein ausführlicher dokumentarischer Anhang mit Werk- und Literaturverzeichnis belegt die Biographie und die Ordnung und Sichtung des Künstlerwerks. An der im Einband originellen Ausstattung ist als empfindlicher Mangel das Fehlen der Standorte bei den Tafelbeschriftun-gen zu bedauern, da auf ein Abbildungsverzeichnis verzichtet wurde.

Univ.-Prof. Dr. Karl Oettinger

Penicillin. Die Geschichte eines Heilmittels. Von David Masters. Aus dem Englischen. Wiener Volksbuchverlag. 157 Seiten, 21 Abbildungen.

Die sozusagen authentische Geschichte der Entdeckung des Penicillins, die, in etwas reportagehafter Form, aber sachlich gründlich unterbaut, zeigt, wie man in anderen Ländern die Wissenschaft zum Nutzen der Menschheit fördert und wie man für sie — Reklame macht. Das Buch fordert gerade in diesem Augenblick zu einem Vergleich mit der Geschichte der nicht minder bedeutsamen Sulfonamide heraus, denn erst vor kurzer Zeit wurde bekannt, daß die Sulfonamide schon vor rund 40 Jahren von einem heute noch in der österreichischen Staatsdruckerei beschäftigten Chemiker entdeckt wurden, ohne daß der Entdecker sich um die Sache besonders gekümmert hätte Es ist sehr die Frage, ob solche Bescheidenheit rühmenswert ist, denn infolge dieses Mangels an Rührigkeit hat man die neuen Heilmittel nicht beachtet, so daß sie Jahrzehnte der Menschheit vorenthalten blieben, bis sie ein anderer Gelehrter wieder entdeckte und ihre Anerkennung mit etwas mehr Agilität zum Wohl der Menschheit durchsetzte. Im Falle des Penicillins haben sich die Beteiligter, besser um ihre Entdeckung gekümmert und man kann ihnen dankbar sein, daß sie nicht mit schüchterner Bescheidenheit vor der menschlichen Schwerfälligkeit kapitulierten. Das Buch gibt einen auch für den Laien reizvollen Einblick in die Entwicklung einer wissenschaftlichen Entdeckung.

Dr. Ruppert Schumacher

April 1945 in Wien. Von Adolf Schärf. Verlag der Wiener Volksbuchhandlung. 127 Seiten.

April 1945 in Wien: Geschichte, die wir erlebt, durchlitten haben. Adolf Schärf hat seine persönlichen Erinnerungen an jene schweren, von Sdirecken ebenso wie von Erwartungen und Hoffnungen erfüllten Tage festgehalten. Nicht der spätere Vizekanzler, auch nicht der Sozialist spricht am Anfang. Es ist einer aus der Masse der Wiener, die die Ausläufer einer Weltkatastrophe über ihre Stadt aufziehen sahen und die — mit Ausnahme der kleinen Schar des aktiven Widerstandes — in den Kellern und Verstecken, den Niedergang des Unwetters, den Durchzug des Krieges durch die Straßen Wiens, überdauerten, überlebten. Bilder steigen auf, die wir mit -eigenen Augen gesehen haben, Erinnerungen klingen an, die allen Wienern gemeinsam sind. Anders im zweiten Teik Hier führt der Parteimann die Feder. Die politischen Anfänge der zweiten Republik zu schildern, ist sein Anliegen.

Problematisch ist der Versuch, den allmählich sich sammelnden sozialistischen Kreisen die Rolle eines Motors der Entwicklung zuzuteilen. Enttäuschen aber muß das mangelnde Verständnis für die Träger eines Kampfes mit der Waffe gegen das abtretende System, für jene Männer, die als erste die österreichischen Farben über der Stadt hißten. Sie allein als „bürgerliche“ Widerstandsbewegung und als Objekt kommunistischer Interessenpolitik in Österreich zu deuten, verbietet die Gerechtigkeit. Das von der österreichischen Regierung, von der Regierung Figl - Schärf herausgegebene „Rot-Weiß-Rot“-Buch, jene Dokumentensammlung über den österreichischen Widerstand, spricht eine andere Sprache.

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