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IN WAHRHEIT AUFERSTANDEN

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Die Hintanstellung des Osterfestes in der praktischen Frömmigkeit der vergangenen Generationen erweist sich heute als treffende Bestätigung des unverfälschbar christlichen Charakters des Auferstehungsgeheimnisses. An ihm scheiterte die Verniedlichung zum Hübner- und Hasenfest, und so mußte es an Ansehen und Beliebtheit dem Weihnachtsabend weichen, der für die bürgerliche, kommerzielle und sogar politische Ausdeutung ein willfährigeres Opfer abgab. Um ihn rankte man als verschobenen Schwerpunkt verschrobener Biederkeit Kerzenschimmer- und Kin-deraugenglanz und fühlte sich bei erhebendem Schmaus in seiner christlichen Existenz bestätigt. Der gedankliche Schritt, Kinderfest und Kinderglauben, Christkindsmärlein und Christuslüge gleichzusetzen, war bald vollzogen. So blieb eben das religiöse Leben in den Kinderschuhen stecken, ein lästiger Ballast zu eng gewordener Forderungen für die einen, ein Zurückträumen in die Obhut des lieben Gottes für die anderen, Lüge, Lebensflucht und Selbstgefälligkeit bei beiden. Weihnachten, das Aushängeschild wohlorganisierter Wohlfahrt, zu dem auf keinen Verkehrspolizisten und Hausmeister, wohl aber auf Ihn vergessen wird, der bei Seiner Geburt in einem Stall die Armut heiligte. Weihnachten, das Fest des Friedens und der Kampagne „Schenkt kein Kriegsspielzeug“, eines Friedens der Trägen und Satten, eines Friedens der Unterdrücker und Rechtsbrecher, eines unverdienten und faulen Friedens.

Wenn nun endlich wieder Ostern in den Mittelpunkt unseres Lebens mit der Kirche rückt, so darf das nicht nur ein Anliegen der liturgischen Erneuerung bleiben, sondern muß zur Erneuerung unseres Christseins aus dem österlichen Geist führen, der diametral dem entgegengesetzt ist, was Laizismus, Liberalismus und Marxismus durch Verzerrung des weihnachtlichen Geschehens aus dem Christentum machen wollten.

Nicht der gequälte Schrei menschlicher Verzweiflung und das erhabene Opfer des Karfreitags, noch aber das zarte Glück der Weihnacht, das schon Tod und Not und Flucht umlauern, sondern die Auferstehung, die Verherrlichung des Herrn aus der Grabesnacht, die Überwindung des Todes im Tode, die Niederwerfung aller Feinde Christi und der Christenheit, der unwiderrufliche Jubel der Erlösung sind das Fundament unseres Glaubens, der Fels der Hoffnung und das Feuer der Liebe.

Nicht skrupelhafte Kreuzesmystik und Opfersucht, in die sich nur zu oft Lebensuntauglichkeit und persönliches Versagen mummen will, soll den Gläubigen belasten, nicht laue Gutmütigkeit, Zagen und Allerweltstoleranz das Salz der Erde schal werden lassen, sondern Sieg und Triumph Christi, die Zertrümmerung der Pforten der Hölle, muß sich auch in den Christen von 1964 in lauter Mut und Wahrhaftigkeit, christlichem Selbstbewußtsein und Kampfbereitschaft, Festigkeit und Charakterstärke widerspiegeln. Dann erschließt sich auch das verschüttete Ostermysterium, das zu einem Streitfall der Apologeten und Religionskritiker abgesunken war, zu einem Quell lebendigen Beistands in den Nöten unserer Tage.

Wir beachten viel zu wenig, eine wie hohe Wertschätzung der stofflichen Schöpfung und des rein Irdischen mit der Auferstehung Christi, nicht nur als Gott und Geist, sondern auch dem menschlichen Leibe nach, von Seiten Gottes ausgesagt ist. Die bis heute wirksame Hellenisierung der christlichen Theologie ließ diese Einsicht im Gegensatz zur ursprünglichen semitischen Auffassung nicht nur theoretisch, sondern auch im praktischen Frömmigkeitsleben zurücktreten, das sich von einer Überschätzung der geistigen Substanz, die doch genauso von Gott geschaffen ist, wie die materielle, zu Leib-, Sinnen- und Weltfeindlichkeit steigerte. Die menschliche Natur wehrte sich gegen diese Abschnürung und rächte sich zuletzt im Materialismus, theoretischem, wie praktischem, gegen die Überspiritualisierung der Kirche, die. trotz richtiger Sicht der Zusammenhänge beim heiligen Thomas, in der Tat vorhanden war und ist.

Eine im richtigen Verständnis der Auferstehung gegründete christliche Weltfreudigkeit jedoch beraubt den Materialismus seines berechtigten Anspruches, die Eigenwertigkeit des Stofflichen und des irdischen Glückes zu betonen. Diese Weltfreudigkeit kann sowohl in philosophischer Höherbewertung des körperlichen Elementes im Schöpfunssgefüge ihren Ausdruck finden — es gab Kirchenschriftsteller, wie Tertullian, die händfeste Materialisten waren —, als auch zu einem neuen Verhältnis der Kirche zu den natürlichen Faktoren und Funktionen der menschlichen Gesellschaft führen. War man das Mittelalter hindurch bestrebt, Kultur, Wissenschaft und Politik möglichst umfassend in den kirchlichen Bereich einzugliedern, so wird man sich aus der österlichen Sicht weniger um Klerikalisierang als um Anerkennung und christliche Vollendung der Eigengesetzlichkeit des geist'gen. kommerziellen und öffentlichen Lebens bemühen. Es geht nicht mehr darum „Heilige Reiche“ zu errichten oder „christliche Familien“ heranzuziehen, sondern jeden Staat und jede Familie als durch Christi Auferstehung geheiligt anzunehmen und nach der ihnen inne-

wohnenden Ordnung zur Vollkommenheit zu führen. Industrie und Technik, Naturwissenschaft und Handel, Beruf und Freizeit, Vergnügen und Krankheit, Liebe und Sexualität bedürfen eines offenen Dialoges mit dem Christentum, das die Erlösung in die verborgensten Winkel der Welt zu tragen hat.

Wurde die Botschaft von Christi Auferstehung zuerst den Frauen am Grabe, sodann Petrus und schließlich den Aposteln kundgetan, so richtet sie sich auch heute, neben allen Gläubigen, besonders an diese, an die emanzipierte Frau der Industriegemeinschaft, an den Heiligen Vater, der wie selten zuvor das Petrusamt in sinngemäßer Weise ausübt, und an jene, die auch heute bereit sind, als Zeugen und Verkünder der frohen Botschaft einzutreten.

Es kann nicht überhört werden, daß die Frauen nicht nur als erste die Vollendung der Erlösung schauen konnten, sondern noch mehr ausdrücklich als deren Verkünder den Aposteln gegenüber auftreten durften. Daraus geht klar das Mitspracherecht und Mitwirken der Frau im weltliehen, wie im kirchlichen Bereich hervor, aber auch die bestimmte Art ihrer Aufgabe. Es ist nicht das selbständige und mahnhafte Eintreten für die Sache Christi, zu der sie berufen wurden, sondern zur Bestärkung und Unterstützung ihrer Männer, eine mittelbare Einflußnahme also, die sowohl der fraulichen Würde und ihrem Streben nach beruflicher Entfaltung, als auch der gottgewollten Unterordnung unter den Mann und der Beschränkung auf das Familienleben gerecht wird. Damit erscheint auch die Frage der Priesterehe in neuem Licht, nicht als ein Notinstitut für gescheiterte Kleriker, sondern als von Christus eingesetzte Institution zum Wohle der Kirche, die prinzipiell dem zölibatären Stand ebenbürtig und ihm aus seelsorglichen Gründen gegebenenfalls vorzuziehen ist. Ohne die Opportunität dieser Frage anzuschneiden, muß offen gesagt werden, daß die ausnahmslose Ablehnung der Priesterehe der Aufgabe der Frau im Erlösungswerk doch nicht gerecht wird!

War es der heilige Petrus, der allen Aposteln voraus zum Grab eilte, so ist es um so erfreulicher, daß gerade die Päpste dieses Jahrhunderts, nicht nur an Würde des Amtes und der Berufung, sondern noch mehr an heiligem Eifer für die Erneuerung der Kirche, ihren bischöflichen Mitbrüdern vorauseilen. Nach Jahrhunderten der Trennung und Entfremdung ist ihnen erneut das Bewußtsein der Sorge um Einheit und Eintracht der christlichen Kirchen erwacht, zu der sie kraft des Petrusamtes als Hüter der kirchlichen Einheit und Unfehlbarkeit berufen sind. In der Person des Heiligen Vaters vereinigen sich drei Ämter, die des Bischofs von Rom und des Hauptes des Bischofskollegiums, die göttlicher Einsetzung sind, und das des Patriarchen des lateinischen Abendlandes, ein historischgewordenes Amt kirchlichen Rechtes. Aber gerade diese historische Komponente des Papsttums nahm, im Gefolge der Völkerwanderung, eine hypertrophische Entwicklung, die zur Verdunkelung der wahren Aufgaben des Papstes führte, das Schisma mit der orthodoxen Kirche mitverschuldete und die Entwicklung der Reformation von einer innerkirchlichen Erneuerungsbewegung zu eigenständiger Konfession herbeiführte. Die Bemühungen von Papst Johannes XXIII. und Paul VI. und die Anstrengungen des Konzils, die Befugnisse des abendländischen Patriarchen, die der Heilige Vater sowieso größtenteils nicht persönlich ausübt, sondern römischen Zentralbehörden übertragen hat, von diesen Ämtern an lokale Bischofskonferenzen zu delegieren, sind nicht nur ein lebendiger Impuls zur Entstehung volks- und hejmatverbundenen Kirchentums, sondern eine wesentliche Vorstufe für die Aussöhnung mit den hochkirchlichen, evangelischen und orthodoxen Brüdern.

ar es der vornehmliche Auftrag der Apostel, allen Völkern die Auferstehung zu predigen, und war es bis heute infolge der schlechten Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen nicht möglich, diese Sendung zur Gänze durchzuführen, so sind wir heute, da alle technischen Hilfsmittel in unseren Händen sind, besonders dazu verpflichtet. Die Kraft des christlichen Glaubens zeigt sich nicht darin, daß man ihn im selben Bereich als Mumie von Jahrhundert zu Jahrhundert schleppt, sondern ihn in neuen Völkern und Kulturen die Auferstehung des Hauptes Christus am Leibe der Kirche nachbilden läßt. Der europäischen Kultur und Vorherrschaft ist mitnichten Ewigkeit verheißen, wohl aber den Worten des Erlösers, die wir den jungen Völkern als unser heiligstes Erbe vor Agrartechnik und Wiener Musik anvertrauen sollten!

Der Weg vom „Weihnachtsfrieden“ eines liberalen, entnervten Christentums zur Teilnahme am österlichen Siege Christi ist weit und hart. Es ist der Kreuzweg, der Weg der schonungslosen Aufrichtigkeit, des unerbittlichen Kampfes mit der eigenen Schwäche, ein Weg der Demütigung und der Verzweiflung. Lassen wir uns nicht durch Parolen irreführen, die Frieden ohne Kampf, Glück ohne Drangsal, Wohlstand ohne Entbehrung verheißen. Gehen wir vielmehr tapfer voran und antworten der Botschaft der Kirche „Christus ist auferstanden“, mit unserem Leben:

„ER IST WAHRHAFT AUFERSTANDEN!“

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