6626423-1956_11_12.jpg
Digital In Arbeit

Gedanken eines Laien

Werbung
Werbung
Werbung

Das ganze Verhältnis der Menschheit zur Mutter Gottes ist enthalten in den Worten Christi vom Kreuz herab: ,,Sohn, das ist Deine Mutter.“

Gott ist wie die Luft — man kann Ihn auch nicht sehen, aber ohne Ihn müßte man ersticken.

Wenn jedes Essen Töten ist, so muß der Tod aller Tode erst recht Nahrung aller Nahrung sein — Kreuzigung und Kommunion.

Christi Tod wird von zwei Mählern umrahmt: von dem Herrenmahl vorher und dem Emmausmahl nachher. Vorher nennt Er die Wandlung ,,das Geheimnis des Glaubens“, nachher verschwindet Er bei der Brotbrechung, das heißt Er wird das Brot.

Ohne Wandlung keine Kirche. Und wenn man sich auch durch noch so viele Annäherungen um die Sache selbst herumzudrücken sucht: wenn Brot Brot bleibt, braucht man eigentlich gar keine Kirche.

Das sind die beiden größten „Es“ der Sprache. „Es werde Licht“ und „Es ist vollbracht“.

Daß die menschliche Sprache, im Gegensatz zu den Tierlauten, nicht vererbbar ist, deutet darauf, daß jede Seele von Gott, einzeln geschaffen wird.

Der Heiland sagt: „Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde “ Diese Todesmöglichkeit hat das sterbliche Leben vor dem paradiesischen voraus. Durch solch einen Tod kann sich jeder Mensch der Heilandstat gewissermaßen anreihen. Der Sinn von Tod und Leben ist also, daß nun der Lebendige durch liebende Selbstaufgabe sich Gott angleichen, wie Gott werden kann. Was ja auch die Schlange beim Sündenfall (der Tod ins Leben brachte) ausgesprochen hat: „Ihr werdet sein wie Gott.“ *

Die Redensart „Ihm lag das Wort auf der Zunge“ wird beim Empfang der heiligen Hostie Wirklichkeit.

Die Erbsünde ist der Prototyp aller menschlichen Schuld und Verfehlung. In den Aposteln mit ihren Schwächen sind auch alle zukünftigen Schwächen der Kirche enthalten — aber auch ihre Heiligkeit. •

Der uns schuf, ließ sich von uns töten. Der uns erhält, gibt sich uns zur Speise.

Die Seele ist die Form des Leibes, sagt Thomas. Also ist der Gedanke die Form des Wortes. Und also das Dogma die Form des Glaubens. *

Die Unfehlbarkeit des Papstes ist bereits in der Bibel angedeutet. Denn bei Johannes heißt es: „Solches aber redete er nicht von sich selbst, sondern weil er desselben Jahres Hoherpriester war...“ Denn Kaiphas hatte die Wahrheit gesprochen. Und als Petrus bei Cäsarea das Grunddogma ausspricht: „Du bist Christus, Sohn des lebendigen Gottes!“, antwortete ihm Jesus: „Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart, sondern Mein Vater im Himmel.“ *

Das Ende Europas wird entweder griechisch sein oder römisch, denn keine Kultur klimmt über ihre Grundfiguren hinaus. Das griechische politische Ende ist ein immer kraftloseres Sichzerfleischen, weil man sich über die Konzeption der Polis (heute „Nationalstaat“) nicht erheben kann. Das römische Ende ist der Zusammenschluß in ein Weltreich (heute der ganze Planet), das dann den Tod der Auszehrung stirbt. Vielleicht kommt der Antichrist, wenn die Zeit für das neue Weltreich ebenso „erfüllt“ sein wird, wie sie zur Zeit Christi für das Kommen des Imperiums erfüllet war. Doch vielleicht ist dann das Ende nicht das Ende Athens, auch nicht das Ende Roms, sondern das Ende Jerusalems. Jedenfalls schildert der Heiland das Ende Jerusalems und das Weltende in einem. *

Newman meinte, daß Gott auch ohne Adams Sünde Mensch geworden wäre. Es gibt einen schuldigen Abgrund zwischen Sünder und Gott, und einen unschuldigen Abgrund zwischen Geschöpf und Schöpfer. Liegt es nicht in der Konsequenz der Schöpfung, daß Gott Geschöpf wird und sie dadurch „heimholt“?

Wenn Gott zur Speise wird, dann wird Speise zum Symbol für Gott. Das heißt: ohne Gott müssen wir verhungern und sterben. - *

Wir überwinden die Zeit nur dank der Nahrung. Ebenso gelingt nur dank der Leibwerdung des Brotes die Vergegenwärtigung des Todes und der Auferstehung Christi.

Genau so wie nach dem ersten Weltkriege gibt es jetzt eine Menge verbitterter Menschen, welche sagen: „Wie konnte Gott das zulassen?“ Dieser scheinbar fromme ' Ausspruch f$ wohl das Aeußerste an Unverschämtheit! Gört' hat ja auch die Kreuzigung zugelassen. Das herrliche Gottgeschenk der Freiheit zu Greueln miß brauchen, um Gott für diese Greuel verantwortlich zu machen — das sieht dem Menschen ähnlich.

Johannes 7, 39: „Das sagte Er aber von dem Gcrst, welchen empfangen sollten, die an Ihn glaubten; denn der Heilige Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verklärt.“

Maria empfängt den Gottmenschen durch den Heiligen Geist. Nachdem der Gottmensch gen Himmel gefahren ist, wiederholt sich derselbe Vorgang noch einmal, nur daß jetzt nicht Maria, sondern deren irdische Entfaltung, die Kirche, den Heiligen Geist empfängt, das Püngstwort, und nun jeden Tag Christus in der Messe zur Welt bringt und sich mit Ihm opfert. *

Im Evangelium vom vergrabenen Talent sagt der Schuldige: „Ich weiß, daß du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät hast...“ Und der Herr sagt: „Wenn du das weißt, warum hast du dann dein Geld nicht wenigstens auf die Bank gegeben, damit es Zinsen trägt?“ — Aber wer sein Geld auf die Bank legt, der erntet ebenfalls, wo er nicht gesät hat!

Ich vermute, daß die Bank, der Geldwechsler, die Kirche ist. Wenn du schon nicht selbst Werke der Liebe tun kannst, so tue sie wenigstens durch die Kirche.

Und, seltsam: wer am wenigsten „Talente“ hat, gerade der hat um sie am meisten Angst! Er will nichts riskieren.

Darum wurde den Juden „Du sollst dir kein Bildnis machen“ gesagt ;—.von Dem, der sich selber „Ich bin, der Ich bin“ nannte. Denn alles in der Sprache ist Abbild, außer ihrem Grundwort, dem „ist“, das erst die Möglichkeit des

Abbildens schafft. Und darum nennen wir Christen den Heiland und Weltschöpfer das göttliche Wort. Erst als das Wort Fleisch wurde, durften wir es auch abbilden, und siehe, es war ein Mensch!

Das Aergerhis, welches darin besteht, daß“ der Mensch, den du soeben vor dir siehst, und der ißt, trinkt, verdaut und schläft wie alle andern, zugleich den Anspruch erhebt, Sohn des lebendigen Gottes zu sein, sollte nicht auf die Zeitgenossen des Heilandes beschränkt, bleiben. Dieses Aergernis setzt sich für alle Zeiten fort in der Lehre von der Wandlung: der Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi. Darum haben so viele Häre?icn gerade an dieser Lehre Anstoß genommen: es ist derselbe Anstoß, den einst die Juden nahmen.

Der Sabbath ist das Symbol für die Zeit zwischen Christi Tod und Auferstehung — also für den Liebergang aus der alten Menschheit in die neue. Christus liegt unbeweglich — man darf sich am Sabbath kaum bewegen. Dieser eigentliche Sabbath wurde durch zwei Erdbeben markiert: eines bei Christi Tode, das andere bei Seiner Auferstehung.

„Die Rache ist Mein, spricht der Herr.“ Darum hat jedes Rächen etwas vom Gottsein-wollen, also etwas Teuflisches.

Linser Essen, welches die Nahrung in aufbauende Teile und Exkremente trennt, ist Symbol des Jüngsten Gerichts. Die Hölle stinkt. Beim. Auferstehungsleibe Christi aber ist Essen-bereits völliges Assimilieren: „Ich werde alle an Mich ziehen.“

Kaum geboren wird das Jesuskind sogleich in eine Krippe, also einen Nahrungsbehälter, gelegt und von den Hirten verehrt. So wie die hl. Hostie im Ziborium. Der Stall zu Bethlehem wird sogleich Kirche. Diese Bedeutung der Krippe als eines Nahrungsbehälters ist meines Wissens noch nie erwähnt worden.

Die häretische Lehre von der Nichtewigkeit der Höllenstrafe bedeutet den Verlust der menschlichen Freiheit. Du mußt, ob du willst oder nicht, selig werden!'

„Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit Mir im Paradiese sein“ — mit diesem Wort hatte der Heiland den elendsten Menschen zum glücklichen gemacht: zu dem einzigen unter uns Sterblichen, der mit völliger Gewißheit seine ewige Seligkeit wußte!

Das durchwaltende Prinzip des Wissens ist der Zweifel, das durchwaltende Prinzip des Glaubens ist das Vertrauen. Beide aber stehen unter der Idee der Wahrheit. „Wir wissen und glauben“, sagt der Apostel.

Als der Tod des Menschen in die Welt kam, war damit auch der Tod Christi in die Welt gekommen. Jedes Opfer ist Symbol der Kreuzigung.

Für den Christen ist die Körperlichkeit noch viel wichtiger als für den Griechen: denn dieser Körper aufersteht!

Gewiß, auch wir Deutschen beteiligten uns am ersten Kreuzzug. Aber, weiß Gott, wie das kam — er wurde bei uns schon gleich bei der Abreise zu einem Judenpogrom.

Seit dem Schisma ist die römisch-katholische Kirche der Prototyp der freien, die griechische aber Prototyp der geknechteten Kirche. Die Kirche wird immer angegriffen werden, bis ans Ende der Tage. Die römische Kirche protestiert fortwährend dagegen. Die griechische aber ist dermaßen geknechtet, daß sie, noch den Knebel im Munde, hervorstöhnt: „Bitte, ich bin vollkommen frei!“ Denn das ist der absolute Ausdruck der Knechtschaft.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung