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Das Geheimnis der Auferstehung"

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Nicht, was ankommt, sondern worauf es ankommt, das ist die Frage. Was ankommt, gehört zur Unterhaltungsindustrie, gehört zum attraktiven Betätigungsfeld der Journalomanen und cleveren Medienapostel.

Auch Kleriker meinen,, kräftig mitmischen zu müssen, um nicht hinter der Zeit zurückzubleiben. Man wählt sie in Kommissionen und Komitees, läßt sie Gutachten und kirchensoziologische Untersuchungen ausarbeiten, Kongresse abhalten, von der Sitzung zum Vortrag, vom Vortrag zur Tagung reisen, man holt ihre Meinung ein in Angelegenheiten, die schon längst anderweitig abgekartet sind, läßt sie in Rundfunk und Fernsehen auftreten. Sie werden verheizt und lassen sich verheizen. Horizontale Betriebsamkeit, ähnlich der Firmenwerbung, statt vertikaler Besinnung.

Das sind Feststellungen, die einer der berühmtesten Theologen, Hans Urs von Balthasar, in seinem Werk „Mysterium Salutis", Band 3/2, trifft. Deswegen ist er auch in das Schußfeld dieser Aktivisten pastoraler Redseligkeit geraten. Doch auch Ingeborg Bachmann schreibt: Man muß über diese Aktualitäten hinwegschreiben, darf laquo;ich nicht von ihnen korrumpieren lassen; es gibt keinen Fortschritt in der Horizontalen, sondern nur im immer neuen Aufreißen der Vertikalen.

Die wahre Revolution, wie sie die politische Theologie heute verkündet, beginnt bei sich selbst. Hier können wir dem ungarischen Dichter Gyula Illyes voll zustimmen, wenn er sagt: Der wahre Revolutionär ist derjenige, der bereit ist, für sich selbst zuerst logisch und unbarmherzig die Konsequenzen zu ziehen, sonst reiht er sich nur zu den anderen Totschlägern der Weltgeschichte und ändert überhaupt nichts in diesem Räderwerk der Bewegungen und Gegenbewegungen, des Steigens und Fallens, des Veraltens und Modernisierens, das auch bald wieder veraltet sein wird, diesem Narrenspiel der geweckten und vorgegaukelten Hoffnungen, die mit der Phrase leben.

Das, worauf es ankommt, beschäftigt die Menschen gerade dort, wo es um Leid und Tod geht. Die Osterzeit zwingt uns wieder einmal, dieser Frage nachzugehen. Der obengenannte Urs von Balthasar konzentriert sich auf diese entscheidende Frage in seiner Theologie der drei Tage.

Die Glaubenslehre ist hier ganz zur Person Jesu Christi geworden, und zwar in seiner entscheidenden Lebens- und Erlösungstat in den drei Tagen: Karfreitag, Karsamstag und Ostern.

Diese Theologie der drei Tage steht im Gegensatz zur üblichen Schultheologie, die sich mit abstrakten Begriffen wie Erlösung, Rechtfertigung, Inkarnation, Kirche usw. beschäftigt. Sicher muß Schulunterricht bis zur Universität hinauf mit solchen Begriffen arbeiten. Sicher hat sich im Lauf der Geschichte das Lehramt der Kirche mit solchen Begriffen gegenüber Irrtümern abgrenzen müssen, ist Theologie auch eine Wissenschaft. Doch schon innerhalb der Kirche ist dieser konzi-liaren Schultheologie eine kniende Theologie der Heiligen, eine affektive Theologie der Beter gegenübergestanden, mehr oder weniger naiv, mehr oder weniger besorgt um begriffliche Formulierung, auch mehr oder weniger engagiert an einen sozialen Aktionismus des Kampfes um Freiheit und Gerechtigkeit.

Theologie des Leidens, des Todes und der Auferstehung Christi kann für Balthasar im Grunde nur heißen: Die Liebe Gottes zu Mensch und Welt kann nur durch die Aneignung dieser Liebe wahrgenommen werden. Die tatsächliche Verfassung von Welt und Mensch lautet für ihn nüchtern und real: Leiden und Tod, Sünde und Schuld, Verbrechen und Katastrophen. Nur wer sie überholend untergreift, erhält die Kraft, die einen Sinn des Lebens glaubhaft und ertragbar macht. Machen wir uns doch nichts vor, schreibt er, was bleibt denn vom Leben in der Stunde der unabdingbaren Einsamkeit der Todesstunde? Ungeheuer schnell ist der Lebensfaden abgerollt; wie dünn und fadenscheinig wirken die erfüllten Augenblicke; wie verschwindend mein Beitrag zum sogenannten Fortschritt der Menschheit, an welchen nach meinem Tod kaum mehr einer denken wird.

In Balthasars Theologie der drei Tage wird nicht über Leid und Tod philosophiert, wird keine Weltformel der dialektischen Entwicklung, die Glück und Unglück ineinander zu flechten sucht, angepriesen. Für Balthasar gilt hier nur die Freiheit der Liebe. Von Seiten Gottes: daß er in dieser Freiheit die Welt und ihre Geschichte in der Gestalt seines Sohnes auf sich nimmt; und von Seiten des Menschen: der, diese Liebe schauend, sich selbst zu ihr in freier Antwort entschließt. Hier liegt die Befreiung aus dem Räderwerk der Geschichte, im Verzicht auf die Machtmittel der Welt.

Alle Veränderungen der politischen und sozialen Strukturen können vielleicht unter Umständen ein bestimmtes Leiden, eine bestimmte Ungerechtigkeit beseitigen, aber sie bieten keine Garantie, daß sie nicht größeres Unheil mit sich führen. Konzentrationsund Straflager, Hinrichtungen aller Gegner empfehlen sich schwerlich als Weg zur Befreiung.

Christliche Politik oder politische Theologie, wenn man diese vielen Mißverständnissen ausgelieferten Worte schon gebrauchen will, muß dort weitergehen, wo die anderen aufhören. Sie ist das Wissen darum, daß das für Menschen sinnlose Leiden und Sterben durch das Mitgehen Gottes im Leiden Christi Sinn erhalten hat.

Nur jener Gott, der in Jesus Christus Mensch geworden ist, der alle menschliche Unerfülltheit und Schuld mit sich ans Kreuz genommen hat und als Mensch von Gott auferweckt wurde, nur er vermag unserem Dasein einen Sinn zu geben. Das Leben Jesu ist in diesem Sinn als Ganzes politische Theologie, sagt Balthasar. Das durch keine List der Vernunft erklärbare Wagnis der Liebe steht gegen jede menschliche Ideologie außerhalb wie innerhalb der Kirche.

Gott mußte, wenn er die Erfahrung des Menschseins von innen machen sollte, um es von innen her aufzurichten und zu heilen, den entscheidenden Akzent auf diese Stelle legen, an der der sterbliche Mensch am Ende ist, sich im Tod verloren glaubt, oft auch, ohne Gott zu finden, auf jeden Fall aber ohne eigene Kraft wieder herauszufinden, um in dieser Erfahrung des Zu-Ende-Seins die zerrissenen Enden der Menschenidee zusammenknüpfen: in der Identität des Gekreuzigten und Auferstandenen.

Menschwerdung, den Menschen annehmen, heißt: Solidarität mit einem Menschenleben, das von Anfang an auf den Karfreitag und in die Todesgruft des Karsamstag hingeordnet ist, sodaß dem Schöpfer und Erlöser nichts fremd und äußerlich bleibt, was in seiner von ihm zu verantwortenden Schöpfung vor sich geht. Solidarität also gerade dort, wo die Todkranken liegen, wo sie von Todesmüdigkeit erfaßt sind, wo nichts mehr bleibt von einem hoffenden Glauben, wo Verstörung und Vereinsamung, Zweifel und Angst die Seele überwuchern.

Der paradoxe Triumph der Auferstehung vollzieht sich im Schrei der Gottverlassenheit, im Trinken des Kelches des Menschen Hi-ob. Es geht nicht an, das Kreuz zu verharmlosen, als habe der Gekreuzigte in ungestörter Gottverbundenheit in den letzten Worten am Kreuz Psalmen gebetet und sei im Gottesfrieden verstorben. Er ist selbst am Verdursten. Er ist die Solidarität des am Kreuz Gestorbenen mit allen der Todesmacht Unterworfenen, während er aber dann über die Todesmächte triumphiert. Eirie Sprengung der weltlich-menschlichen Geschichte zu Gott hin, indem der geschichtsüberlegene Gott am Toten handelt und den lebendigen, auferweckten Sohn sich offenbaren läßt. Das sind innerbiblische Kategorien, sodaß für die ursprüngliche Deutung der Auferstehung Jesu heidnisch-religionsgeschichtliche Analogien (vor sterbenden und auferstehenden Göttern) gar nicht in Frage kommen.

Der eigentliche Wirkende ist Gott, der in aktiver Liebe unsere Verfluchung und Sünde, Leiden und Tod zur rettenden Gestalt der Auferstehung führt. Diese Liebe wird in der Untrennbarkeit von Kreuz und Auferstehung verherrlicht: „In Tod, Höllenfahrt und Auferstehung ist im Grunde nur eines zu sehen: Die Liebe Gottes zur Welt, und diese Liebe kann nur durch die Liebe zu dieser Liebe wahrgenommen werden".

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