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Hoffnung für die ganze Schöpfung

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Die Auferstehungshoffnung ermöglicht, das Leben nicht nur als „Sein zum Tode”, sondern auch als „Sein zu neuem Leben” zu begreifen.

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Die Auferstehungshoffnung ermöglicht, das Leben nicht nur als „Sein zum Tode”, sondern auch als „Sein zu neuem Leben” zu begreifen.

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Ungeheure Angst beherrscht heute jene Menschen, die nicht nur gedankenlos von einem Tag auf den anderen leben. Diese Angst beschränkt sich nicht bloß auf die Bedrohung der eigenen Existenz. Es ist vielmehr die Angst vor der Verödung unseres Planeten durch den Raubbau seiner Bewohner, Angst vor der Ausrottung des Menschen durch den Menschen.

In jedem von uns steckt ja die Sehnsucht, alles, was ihm wertvoll ist, zu verewigen. Das ist zunächst das eigene Leben. Bei allen Völkern findet sich dieses Verlangen des einzelnen, nicht in Vergessenheit zu geraten. Diejenigen, die es sich leisten können, errichten sich bereits zu Lebzeiten Denkmäler, andere sind damit zufrieden, in ihren Kindern weiterzuleben. Das Bewußtsein, Entscheidendes für die Nachwelt geleistet zu haben, krönt den Lebensrückblick jedes Menschen. Doch auch der Mitmensch soll verewigt werden. Früher waren es monumentale Grabstätten wie die ägyptischen Pyramiden und kunstvolle Bal-samierungstechniken, die dem Mitmenschen Ewigkeitswert verleihen sollten. Heute können Tagebücher, Videos, Fotos und CDs vergangene Erlebnisse wieder neu erstehen lassen, die Vergangenheit kann auf Knopfdruck wieder lebendig werden. Schließlich soll auch die ganze Schöpfung bleibenden Charakter erhalten: Wenigstens in Nationalparks wird sie konserviert, als lebendes Museum für die Nachwelt. Seltene Tierarten werden gesetzlich geschützt, Naturdenkmäler aufwendig erhalten.

Ohne Zweifel: In uns steckt die Sehnsucht nach Ewigkeit. Doch wenn wir realistisch sind, müssen wir uns eingestehen: Trotz aller durchaus lobenswerten Bestrebungen, Kostbares zu bewahren, sich durch Biokost fit zu halten, durch die Fortschritte der Medizin das Leben zu verlängern und durch den Einbau von Katalysatoren die Umwelt zu schonen - wir können zwar manches zeitlich verlängern, aber wir vermögen weder uns noch Bäumen, Blumen und Tierarten Ewigkeit zu verleihen.

Bei dieser Erfahrung setzt die Botschaft von der Auferstehung an. Sie ist kein Ersatz für Umweltschutzbemühungen, keine billige Vertröstung auf ein Jenseits und auch kein Alibi, das uns den Einsatz für eine gerechtere Ordnung erspart.

Die christliche Osterbotschaft bedeutet eine begründete Hoffnung auf das Neuwerden der gesamten Schöpfung. Es geht nicht nur um die Auferstehung der menschlichen Seele, sondern des ganzen Menschen, freilich in einer veränderten Leiblichkeit (1 Kor 15,35-49). Es geht auch nicht nur um ein Neuwerden des Mensehen, sondern um die Erneuerung des Kosmos. Paulus schreibt im Römerbrief, daß die ganze Schöpfung an der Herrlichkeit Gottes Anteil haben wird (8,19-22). Der Seher Johannes spricht in eindrucksvollen Bildern aus dem Alten Bund von einem „neuen Himmel und einer neuen Erde” (21,1). Uns ist also nicht nur aufgetragen, die eigene Seele zu retten, sondern unsere Mitmenschen und auch die Natur in die Erlösung miteinzu-beziehen. Gerade die Hoffnung auf die Auferstehung sollte uns dazu befähigen, die Menschen sowie die ganze Schöpfung zu schützen. Denn nicht nur in jedem Menschen, sondern in jeder Blume, in jedem Tier, in jedem Grashalm begegnet uns ein Stück ewiger Heimat.

Betont die Bibel auch die absolute Andersartigkeit des neuen Lebens bei Gott, so verwendet sie doch vertraute Vorstellungen, um diese Wirklichkeit zu beschreiben: Jesus spricht beispielsweise von einem Mahl, das er mit seinen Jüngern halten wird (Lk 22,16). Das heißt: Die positiven Erfahrungen unseres Lebens, vor allem tiefe Freundschaften, finden ihre Vollendung im Reich Gottes. Die Ewigkeit ist also nicht - wie in Max Frischs „Trip-tychon” - furchtbar langweilig. Sie ist vielmehr mindestens so abwechslungsreich und spannend wie die schönen Stunden unseres Lebens,' die wir in Tagebüchern oder auf Fotos festgehalten und so verewigt haben.

Es ist sicher kein Zufall, daß in der von Auferstehungshoffnung geprägten Botschaft Jesu die Liebe einen zentralen Platz einnimmt. Die Erfahrung von Liebe ist der Ansatzpunkt für den Osterglauben schlechthin. Echte Liebe ist ja immer Liebe auf Dauer. Nur wer den anderen unbefristet annimmt, liebt ihn wirklich. Der wahrhaft Liebende will mit dem geliebten Menschen nicht nur ein paar schöne Stunden oder Jahre verbringen, sondern mit ihm alt werden, ja mehr noch: immer und ewig mit ihm vereint sein. Wer am Grab eines geliebten Ehepartners, seines Freundes, seiner Mutter oder seines Vaters steht, erfährt unmittelbar die Absurdität der Annahme, dies sei der unwiderrufliche Endpunkt seiner Kommunikation mit dem geliebten Du. Soll Liebe also Sinn und Vollendung erfahren, ist sie auf Auferstehung hin verwiesen.

Liebe ist etwas Dynamisches. So ist auch die Ewigkeit bei Gott durch die Lebendigkeit menschlicher Begegnung bestimmt. Alle Freundschaft, jede schöne Stunde dieses Lebens, auch die Begegnung mit Gott in der Natur, all dies findet im Beich Gottes seine Vollendung. Alle Enttäuschung, jede Not, jeder Schmerz, jede Träne wird in Freude verwandelt werden, wie Jesus es in den Seligpreisungen verspricht (Mt 5,1-12).

In der Bibel ist die Auferstehung nicht nur etwas Zukünftiges, sie beginnt vielmehr hier und jetzt bei jeder liebenden Begegnung (1 Joh 3,14). So ist auch bei Jesus das Reich Gottes bereits da, wenn er sich um Kranke kümmert und den Sündern

Vergebung zuspricht. Menschen, die im Geist der selbstlosen Liebe Jesu leben, sind bereits auferweckt, sie erfahren bereits jetzt das neue Leben, der Tod ist bloß Durchgangsstadium, Aufbruch zu Gott.

'Vom herrschenden Zeitgeist her gibt es erhebliche Schwierigkeiten, an Auferstehung zu glauben. Das größte Problem liegt wohl darin, daß viele nur das empirisch Faßbare als existent annehmen wollen, das heißt Dinge, die sie sehen, messen, wägen oder zählen können. Gerade hier erweist sich jedoch die Erfahrung der Liebe wiederum als positiver Ansatzpunkt: Auch Liebe kann man nicht anfassen und dennoch glaubt man, daß es sie gibt. Nur wer bereit ist, auch Realitäten jenseits des empirisch Erfaßbaren anzuerkennen, vermag an Auferstehung zu glauben. Freilich brauchen wir auf eine rationale Verantwortung des Osterglaubens nicht ganz zu verzichten. Es gibt genügend Gründe, die das biblische Zeugnis von der Auferstehung Jesu als durchaus glaubwürdig erscheinen lassen. *

Die Hoffnung auf ein ewiges Leben beruht für uns Christen auf den Zeugnissen der Apostel, die Jesus als Auferstandenen und von Gott zu neuem Leben Erweckten erfahren haben (vgl. etwa 1 Kor 15,3-8). Dieses reale Erlebnis hat sie aus ihrer Verzweiflung angesichts des schändlichen Todes Jesu herausgeführt. Sie haben ihren Herrn im Gegensatz zu ihrem feigen Verhalten bei seiner Passion mutig als Lebenden verkündet und dafür Unverständnis und Verfolgungen in Kauf genommen. Die Botschaft von Jesu Weiterleben bei Gott widersprach ja damals verbreiteten Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod und paßte deshalb nicht zu dem, was Menschen gern hören wollten (vgl. Apg 17,22-34). Hätten die ersten Christen die Ostererzählungen nur erfunden, hätten sie auch kaum Frauen als Zeugen des leeren Grabes Jesu genannt, da diese zumindest nach jüdischem Verständnis als glaubwürdige Zeugen nicht in Betracht kamen. Letztlich spricht gerade die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der neutestamentli-chen Auferstehungszeugnisse für deren Glaubwürdigkeit. Wenn durch diese und andere Hinweise die Auferstehung Jesu auch nicht absolut beweisbar ist, so ist der Glaube daran doch als vernünftig gesichert.

Der Tod und vor allem das Sterben sind eine angstbesetzte Realität, der kein Lebewesen entrinnt. Angesichts des Todes ist jeder aufgerufen, sich für oder gegen Gott zu entscheiden. Der Tod ist die Extremsituation göttlicher Herausforderung schlechthin. Jeder Mensch weiß, daß die von Gott geschaffene Natur ihm - in welcher Form auch immer - irgendwann die notwendigen Grundlagen für ein Weiterleben auf dieser Erde nicht mehr bietet. Im Hinblick darauf muß sich der Mensch entscheiden: Liebe ich Gott um seiner selbst willen oder liebe ich ihn nur, weil er mir täglich gibt, was ich zum Leben brauche? Der Tod ist die totale Bewährungsprobe der Liebe! Der Mensch kann diesen Tod bewußt annehmen, im Vertrauen auf Gott, wie Jesus von Naza-reth. Er hat die Möglichkeit, das Leben nicht nur als „Sein zum Tode” (Martin Heidegger), sondern auch als Sein zu neuem und ewigem Leben zu verstehen.

Verschiede religiöse Bewegungen der Gegenwart nützen die eingangs beschriebenen Ängste der Menschen, um mit Hilfe biblischer Aussagen vom nahen Ende genaue Endzeitberechnungen anzustellen. Jesus hingegen hat niemals einen Zeitpunkt für das Ende der Welt vorhergesagt (Mk 13,32). Er wollte seinen Jüngern mit den Worten vom nahenden Ende nicht Angst machen, sondern ihnen den Ernst ihres Lebens und die große Wichtigkeit eines jeden Tages aufzeigen. Die heute wieder stärker werdenden Beinkarnations-lehren entwerten die Einmaligkeit unseres Lebens.

„Und wenn die ganze Schöpfung von der Verderbnis der Sünde und des Todes befreit ist, laß uns mit ihr zusammen dich preisen in deinem Beich”, so betet die Kirche im Gottesdienst. Jedes Osterfest ist die Feier dieser kosmischen Hoffnung auf Erlösung.

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