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Das dritte Wort

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Ein zweites Anliegen möchten wir sodann der Welt vortragen, daß sie ernsthaft erwägen möge. Es handelt sich um die unmittelbaren Zielsetzungen unserer Sendung: Wir wünschen für das Wohl der Welt zu arbeiten, für ihre Belange, für ihre Rettung. Ja, wir sind überzeugt, daß das Heil, welches wir ihr anbieten, notwendig ist.

Diese Erklärung schließt viele weitere mit ein: Wir schauen auf die Welt mit sehr großer Sympathie. Wenn sich die Welt dem Christentum fremd gegenüber fühlt, so fühlt sich das Christentum jedoch nicht fremd gegenüber der Welt, wie auch immer die Haltung sein mag, die sie ihm gegenüber einnimmt. Die Welt soll wissen, daß sie vom Vertreter und Vorkämpfer der christlichen Religion mit größerer und unerschöpflicher Liebe geachtet und geliebt wird. Es ist jene Liebe, die unser Glaube in das Herz der Kirche legt, die nichts anderes ist als Mittlerin der unendlichen und wunderbaren Liebe Gottes zu den Menschen.

Das heißt: die Sendung des Christentums ist eine Sendung der Freundschaft unter den Menschen, eine Sendung der Verständigung, der Ermutigung, der Förderung und Erbauung und wir fügen noch hinzu: des Heiles. Wir wissen, daß der Mensch heute den Stolz hat, alles aus sich allein zu tun, und er vollbringt Neues und Erstaunliches. Doch all dies macht ihn nicht besser, nicht glücklich, das alles löst nicht die menschlichen Probleme aus ihrer Tiefe, in ihrer Dauer und Allgemeinheit. Wir wissen, daß der Mensch mit sich selbst im Kampfe liegt, wir wissen, daß der Mensch an verzehrenden Zweifeln leidet. Wir wissen, daß es in seiner Seele große Finsternis und großen Schmerz gibt. Wir haben hier ein Wort zu sagen, das wir für eine Lösung halten. Wir wagen es, dieses Wort um so eher anzubieten, weil es menschlich ist. Es ist das Wort eines Menschen zu einem Menschen. Christus, den wir der Menschheit bringen, ist der „Menschensohn“: So nannte Er sich selbst. Er ist der Erstgeborene, das Urbild der neuen Menschheit, er ist Bruder, Kamerad und Freund im höchsten Sinne. Von Ihm allein konnte man sagen, daß Er in Wahrheit „wußte, was im Menschen ist“ (Joh. 2, 25). Er ist wirklich der von Gott Gesandte, nicht um die Welt zu verdammen, sondern um sie zu retten (vergleiche Joh. 3, 17).

Er ist der Gute Hirt der Menschheit. Es gibt keinen menschlichen Wert, den er nicht geachtet, erhoben und erlöst hätte. Es gibt kein menschliches Leiden, das Er nicht verstanden, geteilt und bewertet hätte. Es gibt keinen menschlichen Mangel, von moralischen Fehlern abgesehen, die Er nicht auf sich genommen und erlitten hätte und den Er nicht dem Verstand und dem Herzen der übrigen Menschen als Gegenstand des Interesses und der Liebe, gleichsam als Bedingung für ihre eigene Rettung aufgezeigt hätte. Auch für das Böse, das Er, der Arzt der Menschheit, gekannt und in unüberbietbarer Schärfe beklagt hat, hatte Er eine unendliche Nachsicht, die so weit reichte, daß Er durch die Gnade in den Herzen der Menschen überreiche Quellen der Erlösung und des Lebens aufsprudeln ließ.

Die Welt soll wissen, wie Christus, der noch heute in Seiner Kirche weiterlebt, sich von dieser Stelle aus der Welt kundtut, von dieser Krippe aus, die Seine Ankunft auf Erden kennzeichnete.

Möge die Welt, die uns umgibt, heute im Namen Jesu Christi unseren ehrerbietigen und ergebenen Gruß empfangen. Diesen herzlichen Gruß entbieten wir in besonderer Weise denjenigen, die sich zum Eingottglauben bekennen und die mit uns ihren Gottesdienst dem einen, wahren, höchsten und lebendigen Gott darbringen, dem Gott Abrahams, dem erhabenen Gott. Ihn feierte auf diesem Boden, an einem fernen Tage, der aber in der Bibel und im Meßbuch erwähnt wird, eine geheimnisvolle Persönlichkeit, Melchisedech — von dem uns die Heilige Schrift weder die Genealogie noch das Ende überliefert — nach dessen königlichem Priestertum Christus selbst sich bezeichnete, als „den allerhöchsten Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde“ (vergleiche Gen. 14, 19, Hebr. 7, Ps. 76, 3, 110, 4).

Wir Christen, durch die Offenbarung belehrt, wissen, daß Gott in drei göttlichen Personen, Vater, Sohn und Heiliger Geist, lebt, doch als eine feiern wir stets die göttliche Natur, den einen lebendigen und wahren Gott. Diesen Völkern, die einen einzigen Gott anbeten, gilt in gleicher Weise unser Wunsch des Friedens in der Gerechtigkeit.

Unser Gruß wendet sich ferner an alle Völker, in die unsere katholischen Missionen die Frohbotschaft bringen, und wir verbinden mit diesem Gruß den Wunsch, sie möge überall hingelangen und ein Sauerteig für ihre Kulturen werden.

Unser Gruß darf heute keine Grenzen haben: er übersteigt alle Schranken und will zu allen Menschen guten Willens gelangen, ja in gleicher Weise auch zu denjenigen, die der Religion Christi noch nicht wohlwollend gegenüberstehen und versuchen, ihre Ausbreitung aufzuhalten und die Gläubigen zu bedrängen: auch an die Verfolger des katholischen Lebens und die Gottes- und Christusleugner richten wir unsere schmerzliche Erinnerung und unsere aufrichtige Frage: Warum, warum?

In der Stunde, da wir Bethlehem verlassen, diesen Ort der Reinheit und Ruhe, wo derjenige vor zwanzig Jahrhunderten geboren wurde, zu dem wir als dem Friedensfürsten beten, fühlen wir die dringende Pflicht, vor den Staatsoberhäuptern und all jenen, die die Verantwortung der Völker tragen, unseren dringenden Appell für den Frieden in der Welt zu erneuern.

Möchten die Regierenden diesen Ruf unseres Herzens vernehmen und großmütig ihre Anstrengungen fortsetzen, um der Menschheit den Frieden zu sichern, nach dem sie sich so glühend sehnt.

Möchten sie vom Allmächtigen im Innern ihres menschlichen Gewissens eine klarere Sicht, einen glühenderen Willen und einen erneuerten Geist der Einheit und Großherzigkeit erhalten, um so unter allen Umständen die Ängste und Schrecken eines Weltkrieges zu meiden, dessen Folgen unabsehbar wären.

Möchten sie noch wirksamer zusammenarbeiten, um den Frieden in der Wahrheit, Gerechtigkeit und brüderlichen Liebe zu befestigen. Dies ist unser Wunsch, den wir zu Gott erheben, nie müde geworden sind in beständigem Gebet während unserer gesamten Pilgerfahrt. Alle loyalen Initiativen, die darauf zielen, den Frieden zu verwirklichen, werden unsere Unterstützung finden und wir segnen sie aus ganzem Herzen. ,

Mit diesen Gedanken im Herzen und im Gebete erflehen wir von Bethlehem aus, der irdischen Heimat Christi, die Fülle der göttlichen Gnaden über die gesamte Menschheit.

Wir sind tiefbeglückt, daß die Begegnung, die wir in diesen Tagen hier mit dem ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel hatten, sich in so herzlicher Weise vollzogen hat und sich voll bester Hoffnungen erwiesen hat. Wir danken dem Herrn hierfür aus ganzem Herzen und bitten Ihn, daß Er selbst, der in uns dieses gute Werk des Friedens und der Einheit begonnen hat, es auch zu einem guten Ende führen möge. .

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