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Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes

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Die Schöpfung, in der wir leben und zu der wir gehören, nehmen wir buchstäblich und wörtlich. Darin liegt die Aufgabe des Menschen, sich die Welt untertan zu machen — darin liegt auch die Freude am Werke in der Welt. Aus dem forschenden Griff in die Natur wächst der Begriff, aus den Bildern stammen die Vorstellungen vom All, aus Begriff und Vorstellung kommt der Anruf an unsere Energie, in der Welt zu leben. Nach Maß, Zahl und Gewicht hat der Schöpfer die Welt gebaut; die Maße, Zählen und Gewichte zu finden und zu verstehen und zu gebrauchen, ist Menschenaufgabe und das Glück des Menschen in der Schöpfung Gottes.

Die österliche Verklärung Christi hat zur wörtlichen Welt noch etwas hinzugebracht: hinter dem Worte, durch das Wort und im Worte auch den Geist des Wortes gehorsam zu erhorchen. „Wehn Ich nicht gehe, kann der Geist nicht zu euch kommen", hat der Christus Seinen Jüngern gesagt, solange Er noch in geschichtlicher Weise mit ihnen lebte. Solange der Herr greifbar, hörbar, erlebbar bei uns war, haben wir uns an Sein Wort und Seine Gebärde gebunden. Als der Herr in der neuen, in der verklärten Weise aus der Auferstehung kam. mußten die Jünger das verstehen, was der Herr mit Seinem Leben und Seinen Worten gemeint hatte. „Der Herr ist Geist" — nun müssen wir Ihn geistig verstehen, und dies ist eine Aufgabe, die zum wörtlichen Verständnis und zur buchstäblichen Nachfolge des Herrn noch hinzukommt. Sonst wird unser heutiges Leben mit dem Herrn zur bloßen Imitation, zur mechanischen Nachahmung dessen, was Er gelebt und gesagt hat.

An Pfingsten begann es: als der Heilige Geist des Christus herabkam, ausgegossen wurde, treibend und ziehend in uns eindrang, führte Dieser uns den Weg ins Christusleben. Der Heilige Geist, der von dem nahm, was dem Christus gehörte, tat und tut nichts Neues — Er tut es nur anders, als es der Herr zu Seinen Lebzeiten getan hatte: hinter dem Worte des Herrn trat der Geist des Wortes hervor; zum Werke der Erlösung kam der Geist für die Erlösten. Der Heilige Geist Jesu Christi ist die Er-Klärung dessen, was Christus war und tat und ist. Klärung und Klarheit aus dem Heiligen Geiste anzunehmen, heißt ständig Umdenken und Neudenken, heißt immerfort Umwerden und Neuwerden. Aus diesem Heiligen Geiste wächst die Verklärung in uns Christen und wächst in die Schöpfung das Anrecht auf die endgültige Verklärung am Ende der Zeiten.

„Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes“, schreibt uns der heilige Apostel Paulus (Eph. 4, 30). Was klar ist und klärend wirken will durch den Heiligen Geist, soll der Mersch nicht trüb machen. Was als frohe Botschaft in die Welt kam, soll nicht betrübte, betrübliche Nachricht werden: was der Christus begonnen hat und was der Heilige Geist inständig wirkt, sollen wir Menschen nicht eigensinnig hindern oder verkehren.

Erlöste sind Befreite: wir sind Kinder Gottes und frei. Wer die Botschaft des Herrn vernahm, vernahm die Wahrheit, und die Wahrheit macht uns frei. Befreit im Sein und befreit durch die

Wahrheit, leben wir das Leben im Heiligen Geiste Gottes — im Geiste des Erlösers und göttlichen Wortes. Als Freie zu leben in der Freiheit des Geistes ist unser Recht und unsere

Pflicht. Der heilige Jakobus heißt uns hineinschauen und verbleiben im „vollkommenen Gesetze, in dem der Freiheit" (1, 25). Hineinschauen, lernen, beten, wieder und immer wieder lesen, immerfort horchend lesen und beten im Kontakt mit dem sakramentalen Herrn, bringt uns zur lebendigen Wahrheit. Die Wahrheit, die der Christus ist und in uns wirkt durch den Heiligen Geist der Wahrheit, zeugt in uns Ųeberzeugung. Wir werden von Mal zu Mal verantwortlicher — Antwort gebend auf den jeweils im Augenblick an uns ergehenden Anruf Gottes. Diese Antwort will Gott: die Antwort und Verantwortung Seiner freien Kinder. Durch das Lehramt Christi in Seiner Kirche hören wir und werden gehorsam — in diesem Gehorsam werden wir frei. Wir ent-scheiden uns selbst, wir verantworten selbst aus unserem ständigen Gewissen. Was und wie wir in der Freiheit des Geistes antworten, gilt nur immer für uns einzelne, die wir hier und jetzt entschieden leben. Was der einzelne verantwortet, kann niemals zum Gesetz der Allgemeinheit erhoben werden — ja, es darf keiner ein für allemal sich auf seine einmalige Entscheidung berufen; immer wieder muß aus dem Gehorsam das Gewissen durch die Wahrheit gebildet Werden und jedesmal muß eine neue Entscheidung verantwortlich gegeben werden. Immer neu und doch immer in der Wahrheit des Heiligen Geistes leben wir Kinder Gottes. — Darum gilt die hohe Klugheit: daß wir schweigen über das, was wir entschieden haben. An unseren Werken allein soll man uns erkennen — nicht an unseren Worten. Wir haben letztlich in der alleinigen Einsamkeit mit Gott unser Leben zu führen und vor Gott allein unsere Antwort zu geben. Es ist ausgemacht zwischen Ihm und dem einzelnen, woraus die gewissenhafte Antwort gekommen ist. Das „man“ gilt hier nicht. Es gilt nicht die Menschenfurcht. Es gilt nieht, daß wir um äußerer Vorteile willen oder aus Augendienerei irgend etwas zurücknehmen, was wir in gewissenhafter Entscheidung leben.

Daran erkennt man den Christen, daran erkennt man die Freiheit des Geistes, daß wir ohne Ehrgeiz und ohne Eifersucht sind: denn diese beiden gehen nach außen und richten sich nach der Welt. Ohne Klage und ohne Anklage ist der Mensch, der im „vollkommenen Gesetze“ lebt: er beklagt sich nicht über seine Brüder, die anders entscheiden; er klagt keinen an, der in höherer oder geringerer Ermächtigung der Freiheit lebt. Was immer einer tut, er muß es aus Freiheit her tun — sei es, daß an ihn der Auftrag zu äußeren Werken erging, sei es, daß er im Zuge nach innen zu leben hat. Es muß Handelnde, Bauende, Erbauende geben. Es muß Stille, Schweigende, Nur-Betende geben. Jeder hat aus der Freiheit des Geistes seine Sendung aufzuspüren und auszuführen als ein Charisma, als begnadete Berufung ins Werk Gottes in dieser Welt.

„Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes — heißt das nicht, daß wir die Freiheit, zu der Christus uns befreit hat, nicht trüben sollen?! Wir müssen die Freiheit auf uns nehmen als Recht und als Pflicht. Sonst wird uns der Buchstabe töten. Sonst wird das Werk Christi, Seine Botschaft und Sein Tod am Kreuze, vergeblich gemacht. In der sanften Kraft und in der einfältigen Klugheit zeigt sich das Wirken des Heiligen Geistes: Trübung und Betrübnis werden Klarheit und Freude in Gott.

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