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Wir Katholiken in Österreich

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sind lässig und liebeleer — nicht alle, ich weiß es, und nicht unbekannt im Lande sind die Selbstlosen, die Tapferen, die Wagemutigen. Aber gestehen wir es in Mut und Demut: wir erheben unsere Stimme zu feige und zu ungeordnet in unserer Polis, die da in der sozialen Vermassung oder der asozialen Eigensucht zu verkommen droht. Wir sijid's, die sich so oft um die Verantwortung der Stunde drücken, um dann heimlich auf den Staat zu höhnen und auf die, die .den Mut haben, die Front

zu halten. Auch wir raffen und auch wir verdrängen die anderen von der irdischen Krippe. Jawohl, auch wir — und uns verzeiht man dies in einem echten, zeugnisgebenden Instinkt am wenigsten — kehren jeden Tag zurück in die degenerierte Lebensform der alten Niedrigkeit unserer Sinne und einer Diesseitigkeit, die unserer irgendwo noch geglaubten Botschaft von der alle Menschenwürde allein begründenden Berufung in ein Königreich des Lichts Hohn spricht. Auch uns Katholiken von Österreich, und heute zumal, gilt noch immer das Gotteswort von untrüglicher Schärfe und Gewalt: „Was nützt es, meine Brüder, wenn einer sagt, er habe den Glauben, er aber keine Werke hat? Kann ihn dann sein Glaube retten? Da ist ein Bruder oder eine Schwester, denen es an der nötigen Kleidung und an der täglichen Nahrung fehlt. Wenn nun einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt euch und sättigt euch — aber er gibt ihnen nicht, was zum Leben nötig ist, was nützt das? Ebenso verhält es sich mit dem Glauben: wenn er keine Werke mehr hat, ist er für sich allein tot" (Jak. 2, 14 17).

Wenn dieser Katholikentag und sein Mea culpa die Gewissen der Christen in Österreich wieder aufweckt, so daß jeder in aller Stille und, ohne seine Verantwortung auf Programme und auf Organisationen abzuschieben, anfängt, ein besserer Christ zu sein, dann (und nur dann) ist die Menschenwürde gesichert.

Dann aber dürfen wir auch das Gloria anstimmen auf die nur im katholischen Glauben gesicherte Würde unserer Menschennatur. Denn so lehrt es uns Gottes Offenbarung durch den, der sich würdigte, als das Ewige Wort diese Würde unserer Menschlichkeit anzunehmen: die Würde des Menschen gründet in seiner Würde als Person, das heißt in der unauswechselbaren Einmaligkeit seiner vom Geist geadelten Leiblichkeit, die ihm darin das unveräußerliche Recht gibt auf Lebenkönnen, auf Gesundheit und Denkfreiheit) auf die Majestät seiner von keinem anderen Wesen abnehmbaren Entscheidung des Gewissens, auf die heilige Pflicht der Verantwortung, und darin auf die eigenständige Entscheidung seines irdischen und ewigen Geschicks — eines wundersamen Geschicks der ' Berufung zur Abbildung Gottes in der Kindschaft der Gnade und der Schau des Ewigen Gottes in nie mehr endendem Glück. Wenn man darum aufs Ganze geht und bis an die Wurzeln der Dinge, dann dürfen wir sagen: nur der wahre Christ (wenn immer er ein wahrer Christ ist) kann das Gloria der Menschenwürde mitten in den grauenhaften Unwürdigkeiten der entchristlichten Welt singen. Denn cįie Kirche, und letztlich nur sie, wahrt ihren Kindern Raum der Einsamkeit, ohne den es keine Menschenwürde gibt, verweist sie auf die stille Majestät

der Gewissensentscheidung, stellt jeden einzelnen in einer wundersamen Ehrfurcht vor die eigene, unvertretbare Verantwortung für das ewige Heil, und nur darin wird der Irrsinn dieses höllischen Lebenslärms wieder sinnvoll und erträglich. Und in dieser Einsamkeit gibt sie den Menschen allen, ohne jeden geistigen oder sozialen Unterschied, jene unvergleichliche Würde, die auch noch die tiefsten Niederungen der sozialen Not und die Gefängniszellen der Mär

tyrer von heute verklärt. Und umgekehrt: das ist nicht jene grauenvolle Einsamkeit, in der sich der Mensch in dem fürchterlich verzweckten Termitenbau des Staates und der alles gleichmachenden Diesseitskultur um seine keuscheste Würde betrogen fühlt. In der Kirche ist niemand nur eine Nummer, nur ein Zahlender, ein Registrierter, sondern ein heimlich Geliebter, ein ewig Anerkannter, ein bis ins letzte, geflüsterte Gespräch des Beichtstuhls Umsorgter, ein ohne Unterschied am gleichen heiligen Tisch Genährter, Bruder in einer wahren Gemeinschaft des Herzens. In der Kirche ist der Mensch von heute, dessen adelige Würde ap der Verfaulung oder Verächt

lichmachung der eigenen Geschichte abstirbt, immer noch eingefügt in das großartigste Kapitel der Menschengeschichte, ist der Erbe der Apostel und der unvergänglichsten Geisteskultur, der Dome und der liturgischen Schönheit von zweitausend Jahren. Nun nehmt einmal unserem österreichischen Volk dies alles, oder denkt es euch weg: macht die Dome der Stille mitten im Gebrüll unserer Straßen zu toten Museen, zertrümmert die Beichtstühle der Gewissenströstung, reißt den Kindern die liebe Bibel aus den Händen, werft die Kreuze hinaus aus den Schulstuben. Und siehe, ihr habt bei uns den letzten Rest von Menschenwürde zerstört, und es bleiben euch nur übrig die öden Riesenbauten, in denen Staatstermiten wimmelnd gezeugt werden, hochorganisiert leben — und sinnlos absterben. Nein, die Kirche weiß, daß sie ihre Forderungen stellt im Namen der Würde des Menschen, und aller Menschen.

Aller Menschen, sage ich. Auch derer, die nicht in ihren Mauern zu Hause sind, auch derer, die in ihr eine endgültig verlassene Heimat erblicken. Sie ist die weise gewordene Mutter der Menschheit, der Humanitas aller aus einer menschlichen Mutter Geborenen. Sie allein ist die Prophetin des ganzen Menschengeschlechtes und die niemals feige und stumme Wortführerin für alles wahrhaft Humane. Sie stellt darum ihre Forderungen in der Gewalt ihrer geschichtlichen Erfahrung, in der täuschungsfreien und darum wundervoll enttäuschten Klugheit ihres Wissens um die Größe und die Grenzen der menschlichen Würde.

Das ist ein Kapitel ihrer Geschichte voll von einer stillen Majestät, und herrlich wäre es, hier das geschichtliche Zeugnis zu entfalten dafür, daß alle Menschenwürde auf dem Rund der Kulturmenschheit .seine heimlichsten Wurzeln im Mutterboden der Kirche hat. Die Kirche hat die Welt der Römer mit ihren Sklaven und Waffen gewandelt in. abendländisches Menschenrecht, und damals hat ein Augustinus sein Loblied angestimmt, im Namen der ganzen Menschheit, das Loblied auf die Mutter Kirche als die Hüterin der Menschenwürde: „Wahrlich, katholische Kirche, du allein bist die Mutter der Christen. Denn du lehrst uns, wie man Gott anbetet rein und keusch, du zeigst uns, daß es keine Kreatur gibt, der wir uns knechtisch anbetend beugen müßten. Du hast die Liebe zum Bruder und Nächsten in solcher Fülle, daß nur bei dir die kraftvolle Medizin zu finden ist gegen alles Siechtum, an dem die Menschen leiden, ob ihrer Bündigkeit. Du bindest den Bruder an den Bruder mit dem Bande der Religion, und das ist stärker geknüpft als die Fesseln des Blutes. Du machst, daß die Herren den Knechten gut sind, weil sie bedenken, daß der höchste Gott Herr ist für Herren und Knechte. Du einst Bürger mit Bürgern, Völker mit Völkern, du machst aus den Menschen allen eine einzige Familie, da sie gedenken der gemeinsamen Ureltern. Du einst sie nicht nur zu sozialen Verbänden, sondern zu wahrer Bruderschaft. Oh, wenn auch die von der Kirche Getrennten dies erfassen könnten! Nur bei dir allein, o Kirche, nur in deinem mütterlichen Schoß würden sie in friedvoller Demut Gott anbeten. Denn wahrhaftig, nur in dir gehorcht man Gottes Gesetzen ganz und groß!" (Uber die Sitten der Kirche I, 30.) Und dann, als die abendländische Welt christlich war, hat wiederum die Kirche die Würde der Freiheit gegen jeglichen Übergriff des allmächtigen Staates verteidigt und in dieser abendländischen Kirchenfreiheit das Höchste geschaffen, was der Kulturmenschheit seitdem wie ein selbstverständliches Erbe gilt. Tausend Jahre vor der Reformation und dem Aufbruch der Neuzeit, die da wähnt, zuerst die Würde der Menschheit entdeckt zu haben, hat Papst Symmachus im Jahre 510 es in den byzantinischen Osten hinüber gerufen, den letzten Urgrund aller Würde aller Menschen aufdeckend: „Gott steht eben

nicht mehr vor dem Geist der Menschen, und die verhärteten Herzen kümmern sich nicht mehr um Gottes Ordnung. Wir aber hören niemals auf, mit lauter Stimme das Gewissen des ganzen Menschengeschlechtes als Zeugen aufzurufen für die Wahrheit, daß der allmächtige Gott seine eigene Sache niemals im Stich lassen wird, daß es ein Gericht gibt schon in dieser Welt, mag auch eine Zeitlang sich menschliche Anmaßung und staatliche Gewalt noch so sehr brüsten!" (Brief 10 an Kaiser Anastasius.) So redet die Kirche im Namen der ganzen Menschheit. Und so redet sie auch heute, so hat sie gesprochen auf dem Katholikentag in Berlin, so redet sie hier in Wien, nicht nur die Würde ihrer Kinder, sondern aller Menschen will sie beschwörend verteidigen. Und wie Augustinus und Symmachus, so spricht Pius XII. im Namen aller Menschen und ihrer tödlich bedrohten Würde: „Wer immer will, daß das Licht des Friedens über dem menschlichen Zusammenleben aufgehe und leuchte, der helfe zu seinem Teil mit an der Wiedereinsetzung der menschlichen Persönlichkeit in die ihr durch Gottes Schöpferwillen von Anbeginn an verliehene Würde; der wehre dem maßlosen Zusammentreiben der Menschheit zu einer seelenlosen Masse; der wehre sich

gegen ihre wirtschaftliche, soziale, politische und geistige Haltlosigkeit, gegen ihr Untermaß an festen Grundsätzen, ihr Übermaß an trieb- und sinnenhafter Erregbarkeit; der fördere mit allen erlaubten Mitteln und auf allen Lebensgebieten solche Gemeinschaften, in denen Eigen- Verantwortung der Person ermöglicht und gewährt wird; der trete ein für die Heilighaltung und die praktische Verwirklichung folgender grundlegender Persönlichkeitsrechte: das Recht auf religiöse Erziehung und Bildung, das Recht zur privaten und öffentlichen Gottesverehrung, das Recht zu einer Nutzung an den materiellen Gütern, die sich ihrer sozialen Pflichten und Gebundenheiten bewußt bleiben" (Discorsi di Pio XII, IV. Band, S. 339 f.). So der Papst unserer Tage, der Papst, der heute in der Person seines Legaten unter uns weilt. Und so singen denn auch wir das beschwörende Gloria auf die Würde aller Menschen und fordern es vor der Welt und vor der Regierung und vor allem Volk: Darum kann die Kirche ihre Schulen nicht lassen, darum schätzt sie so schein-

bar altmodisch und unnachgiebig die Heiligkeit der Ehe, und darum ruft sie heute alle Katholiken Österreichs zusammen: es geht um Sein oder Nichtsein aller Menschenwürde! Nur sie kann die Wege weisen, weil nur sie — im Auftrag und mit der Gnadenhilfe dessen, der für alle Menschen Mensch geworden ist — hineinrufen kann in die innerste Einsamkeit der Herzen, weil sie allein die Prophetin des alle Gewissen verpflichtenden Gottes ist, weil erst im heimlichen Innersten der Menschen alles geschehen sein muß, bevor in sozialen Programmen und politischen Gesetzen die Würde des Menschen verteidigt werden kann. So, wie es Papst Pius XII. feierlich verkündet hat: „Die Kirche allein wirkt im Kern des Menschen, in seiner persönlichen Würde als freies Geschöpf, in seiner unendlich erhabeneren Würde als Kind Gottes. Diesen Menschen gestaltet und erzieht die Kirche. Denn nur dieser Mensch der Würde ist der Ursprung und zugleich das Ziel des menschlichen Gesellschaftslebens und damit auch der Urgrund seines Gleichgewichts.“

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