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UNSER TAG

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. Allgemeiner österreichischer Katholikentag 1952 in Wien! Wie viele haben sich da, als im Vorjahr zum erstenmal davon gesprochen wurde, gefragt: Ja ist denn heute die rechte Zeit, die rechte Stunde für solche Veranstaltungen? Haben wir Katholiken nichts Wichtigeres, Dringenderes zu tun, als große Feste zu feiern? Mit der Offenheit, mit der wir österreichischen Bischöfe die Sorgen der Kirche und unseres Landes mit dem österreichischen Volk teilen und besprechen, darf ich es heute, in diesen Tagen einer großen starken Freude, sagen: Auch wir haben lange überlegt; dürfen, sollen, können wir eine so große Manifestation des österreichischen Katholizismus wagen?

Und dann ist es gekommen: zuerst unser Ja zum Katholikentag. Nicht überheblich, sondern ganz einfach im stillen, festen Vertrauen auf die Kräfte unseres katholischen Volkes, auf jene Kräfte, die oft noch im Verborgenen ruhen, die so gar nicht groß sich herausstellen. Und die doch da sind, in Stunden der Not, der Sorge und der Versuchung. Dieses Volk, so mußten wir uns sagen, hat ein Recht darauf, „die Stadt auf dem Berge", unsere heilige Kirche, auch einmal strahlen zu sehen, sichtbarlichst gegenwärtig für alle, für die, die Augen und Ohren haben, zu sehen und zu hören, und auch für die anderen, unsere Brüder, deren Sinne noch gehalten sind. Alle haben sie ein Recht, ein offen sichtbares Zeugnis dafür zu sehen, daß „Gott lebt", mitten unter uns und daß es abertausend Menschen gibt, Menschen aller Stände, jeglichen Alters und sehr verschiedener Lebensanschauungen, die doch alle zusammen bereit sind, Gott die Ehre zu geben.

Gott die Ehre geben heißt aber heute, in dieser Zeit der Abwertung des Menschen, praktisch vor allem: die Freiheit und Würde des Menschen zu achten, zu praktizieren in diesem unserem täglichen Leben. Was anderes kann, muß denn der Christ heute sein als eben jener Mensch, der sich allen Schrecknissen zum Trotz weigert, an eine endgültige Abwertung und Schändung des Menschen zu glauben? Mag für Millionen auf der ganzen Welt der Mensch oft nur mehr Nummer, Material, Maschine, Lust- und Ausbeutungsobjekt sein, für den Christen gilt die frohe Botschaft: Der'Mensch ist geschaffen nach dem Ebenbilde Gottes, er ist Gottes Kind, und als solches uns zur Hu.' anvertraut. Jeder von uns ist jedem ans Herz gelegt, M?eil jeder von uns geborgen ist am Herzen unseres göttlichen Vaters.

Wenn wir diese Tatsache unseres Glaubens, die Grundlage1, aller unserer irdischen und übernatürlichen Hoffnungen ernst nehmen, gibt es dann einen Grund, der uns der Pflicht enthebt, dieses Bekenntnis vor aller Welt öffentlich abzulegen,zu erneuern im Angesicht unserer Vergangenheit, im Bewußtsein der Gegenwart, im Blick auf unsere Zukunft?

In diesem Sinne haben sich die österreichischen Bischöfe und das österreichische Volk zusammengefunden, um gemeinsam froh zu bekennen: Tn der Kraft Gottes, der unser Land so gnädig bewahrt hat in allen entscheidenden Stunden unserer Geschichte, wollen wir uns nun sammeln und versammeln, um uns gemeinsam den Segen zu erbitten für das Werk, das uns in diesem Lande aufgetragen ist: Freiheit und Würde des Menschen zu schaffen in Haus und Familie, Werkstatt und Betrieb, in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens.

Ein so großes Vorhaben setzt viel Arbeit, einen rechten guten Willen voraus. Da war es nun für uns eine wirkliche Freude zu sehen, wie ernst und eifrig von Frauen und Männern aus allen Kreisen des Volkes unser Tag vorbereitet worden ist. Wenn die Mariazeller Tagung weit über die Grenzen unseres Landes hinaus hohe Beadituiig gefunden hat, dann ist das für uns kein Anlaß zu Stolz und Uberhebung, sondern die Verpflichtung: das, was da geplant, erwogen, angeregt worden ist, nun auch zum Heile der Kirche und des ganzen Volkes in die Tat umzusetzen. Der Allgemeine österreichische Katholikentag 1952 soll uns helfen, den rechten Weg, die rechten Mittel zu finden, zunächst uns selbst innerlich zu erneuern, so daß wir richtig an- packen können.

Ein Wort nur noch: Dieser Katholikentag findet in Wien statt. Wie in den ersten Zeiten der Christenheit ist heute wieder die große Stadt zum entscheidenden Schauplatz der Geschichte geworden. Hier kommen die Völker, die Menschen, die Mächte, die Gegensätze zusammen. Es ist gewiß kein Zufall, wenn die frühen Kirchenväter, wenn die ersten Kirchen immer wieder die Kirche als Stadt darstellen. Als Stadt Gottes.

-Bilden wir diese Stadt Gottes. In Österreich. In Wien. In unserem Zusammenstehen, in unserem Zusammenwachsen. In Gebet, Opfer, Dank, Feier. In unserer täglichen Arbeit. Dann werden eines Tages viele, die heute nichts mehr von dieser Stadt wissen wollen, sehen, daß ihre Tore weit offen sind. Sie laden ein, mit uns zu verehren das Lamm, das da trägt die Sünden der Welt. Unsern Herrn und Gott, der uns berufen hat, ihm als ganze, rechte und echte Menschen zu dienen, in der Freiheit und Würde des Christen.

Froh und dankbar begrüße ich euch in diesem Sinne in der Stadt Wien, in dieser Stadt Gottes, die sein Eigentum ist wie alle Orte, alle Völker, alle Menschen dieser Erde.

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