6869770-1978_19_01.jpg
Digital In Arbeit

Die vielen Sprachen und die Einheit

Werbung
Werbung
Werbung

Die Abschiedsrede Jesu vor seinem Leiden und die Sendung des Heiligen, Geistes stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang. Jesus sieht die Zukunft seiner Jüngerschaft von Spaltung bedroht. Ihr tritt er mit einer drängenden Bitte entgegen: „Jene, die durch ihr (der Apostel) Wort an mich glauben, mögen alle eins sein, wie du, Vater, in mir und ich in dir; auch sie sollen in uns eins sein, damit die Welt glaube, daß du mich gesandt hast“.

Am Pfingstfest läßt nun der Heilige Geist die Jünger und die staunende Umwelt erfahren, wie die vielen Sprachen zur Einheit zusammenfinden; die Apostelgeschichte sagt dazu: die Menge derer, die sich dem Glauben zugewandt hatten, war ein Herz und eine Seele.

In Jerusalem war dennoch keineswegs eine Idealgesellschaft verwirklicht worden, in der sich alle problemlos verstanden hätten. Die weiteren Berichte erzählen recht ungeschminkt von allerlei Konflikten. Wer um die unvollkommene Menschennatur weiß, wird sich darüber nicht wundern.

Doch haben sich die Christen damit nicht abgefunden. Der Geist Gottes hat sie dauernd beunruhigt und angeregt, die Spannungen zu bewältigen und Wege zur geforderten Einheit zu suchen. Soweit sie ihm folgten, fanden sie in den wesentlichen Fragen einen Konsens.

Die schwerwiegenden Differenzen und Spaltungen der christlichen Geschichte lassen uns heute einsehen, daß sie auf ein schuldhaftes Versagen der Christen zurückgehen. Rechthaberische Machtansprüche setzten sich wiederholt über das oberste Gebot der Liebe hinweg. Heute erkennen nun die Jünger Christi in aller Welt, wie sehr die Uneinigkeit der Sache Christi geschadet und die Glaubwürdigkeit der Verkündigung herabgesetzt hat. Seit dem zweiten Vaticanum verstärken sich die Bemühungen der Kirchen und christlichen Bekenntnisse um das ursprüngliche Einverständnis. Sie finden sich dabei von einer weltlichen Tendenzwelle begleitet, wonach die weltlichen Strukturen auf allen mögli-

chen Gebieten immer mehr zusammenschmelzen.

So könnte es verwundern, daß innerhalb der katholischen Kirche wiederholt dem Pluralismus das Wort geredet wird, als bedeute er schlechthin einen Gewinn. In den Freiheitsräumen der Kirche wird er seinen Platz haben. Die wesentlichen Grundlagen des Glaubens dürften ihm aber nicht ausgeliefert werden, auch wenn wir die Schwierigkeiten bedenken, die sich zumeist bei der Sprachregelung ergeben.

Alles Glauben bedeutet auch eine Begegnung mit Geheimnissen, die wir zwar mit einem inneren Licht aufnehmen, aber so schwer - wenn überhaupt - in einer gültigen Sprache ausdrücken können. Wir versuchen es dennoch und reden von Gott, dem Unfaßbaren und Unbegreiflichen; wir sagen aber lieber zu ihm „Du“ immer in der Sorge, wir könnten uns in ein „Es“ verlieren, wenn wir über ihn reden. Wir wissen uns in Gemeinschaft mit Christus, der uns Bruder wurde, uns aber ebenso aufrief, untereinander Brüder zu sein. Im täglichen Neuansatz ringen wir darum; aber wir stehen uns, und damit auch Christus und den Brüdern, oft genug selbst im Weg. Dennoch er-

hoffen wir die Einheit mit ihm, weil der Geist Gottes für uns eintritt und unser Versagen durch sein Zusprechen überbietet. So halten wir trotz der Schwierigkeiten daran fest, daß es uns gelingen kann, im Glaubensverständnis eine gemeinsam Sprache zu sprechen.

Das darf auch hinsichtlich der wesentlichen Grundfrage des täglichen Lebens erwartet werden, insbesondere dann, wenn es um die umveräußerli-chen, weil vorgegebenen Grundwerte geht. Sie können weder Mehrheitsansichten unterworfen werden, noch durch gezielte Unterminierung das Geringste an Geltung einbüßen, es sei denn, wir wollen chaotische Zustände und gesellschaftliche Untergänge. Unser Leben, die Achtung vor der Würde der Person, einerlei ob hochstehend oder gering, ob Weißer, Gelber oder Schwarzer, ob Vater oder werdendes Kind, ob Gegner oder Freund haben immer Vorrang. Auch unser Wort verlangt stets nach innerer Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit, mag es auch heute noch so oft mißbraucht und als festgeschriebenes Wort zum Papierfetzen degradiert werden. Immer steht und fällt mit ihm das Vertrauen der Menschen zueinander, gleich ob

Schicksale der Völker oder der Eheleute auf dem Spiel stehen. Und das unüberhörbare weltweite Verlangen nach Recht und Gerechtigkeit für jeden trifft uns alle, auch wenn es mit der bloßen Forderung noch nicht getan ist. Die Verantwortung für eigenes und nachbarliches Dasein ist ja deren mitunter recht unbequemer Begleiter. Versagen wir hierin, kommt sinnvolles Miteinander nicht zustande. Nicht nur uns Christen ist überdies abverlangt, mit unserer Verantwortung vor Gott gradstehen zu müssen.

Für die Jüngerschaft Jesu lassen sich Feststellungen der angeführten Art nicht relativieren. Im Gegenteil, je mehr sich ringsum Menschen, auch Getaufte, davon abkehren, um so eindeutiger werden sich Gläubige dafür einsetzen im Bewußtsein, daß ihnen ein prophetisches Amt zur Erneuerung der Gesellschaft aufgegeben ist. Wenn lüir nicht darum ringen, mit unserer Lebenshaltung ein Zeugnis der Einheit abzulegen, wer soll es sonst?

Gewiß gibt es im öffentlichen, gesellschaftlichen, persönlichen und auch im religiösen Bereich genug Auf fassungen, zu denen wir uns zurecht in vielem Sprachen äußern. Immerhin könnten wir auch dabei einen Konsens suchen, wo dies der Einheit dient.

Unsere Diözesen sind es gewohnt, sich als autonome Größen zu verstehen. Es arbeiten auch verschiedene Gruppen und Gremien zusammen, wiederholt aber nur halbherzig. Selbst innerhalb der Diözesen verbergen manche Stellen oder Verbände anderen den Einblick in die eigene Tätigkeit. „Wir machen das so“ heißt es; eine redliche Fühlungnahme kommt damit nur schwer zustande. Doch müßte es einsichtig sein, daß gemeinsame Unternehmungen auf breiter Ebene das Fußvolk stärken und auch die Stimme der Kirche in der Öffentlichkeit nachhaltiger zu Gehör bringen könnte. In Österreich haben wir gewiß mehr als eine Million Menschen, die sich selbst als gläubige Christen verstehen. Oft hören wir klagen, daß deren Einfluß im öffentlichen Bereich zu gering sei. So wichtig uns der Kirchenraum zur gegenseitigen Stütze und Pflege des Glaubens ist - dabei es aber bewenden zu lassen, halte ich für verfehlt. Christus hat seine Frohbotschaft öffentlich an den Mann gebracht; zudem hat er sie vor allem jenen zugedacht, die religiös krank oder verwahrlost waren. Sorgen wir uns auch darum? Mit Abschirmung nach außen und mit Eigenbrötelei werden wir niemanden anziehen.

Der Pfingstgeist kam und kommt nicht nur auf die Amtsträger; er hat ehedem alle Jünger erfaßt und kann das auch heute. Nur müßten sie sich dessen neu bewußt werden. Papst Johannes XXIII. hat bei Konzilsbeginn aufgefordert, die Fenster aufzumachen und frische Luft in die verstaubten Gemächer einzulassen. So dürfen die Erstverantwortlichen in der Kirche ruhig die Gläubigen zur Mitverantwortung führen. Dazu wären die verschiedenartigen Dienste mit ihren Stellen und Einrichtungen auf ein einheitliches Konzept hinzuordnen, das für alle österreichischen Diözesen gemeinsam erarbeitet, dann aber auch mit restlosem Einsatz zum Tragen gebracht wird. Für das innere und, soweit es angezeigt ist, auch für das äußere Zusammengehen erbitten wir die Kraft des Heiligen Geistes, der von Anfang an in vielen Sprachen die Einheit machtvoll kundgemacht hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung