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Lenkung des Lebens

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Wir sitzen in der Stadtbahn und nähern uns schaukelnd und ratternd unserem Ziele. Betrachten wir einmal die Menschen, die die gleiche Strecke Weges fahren! Wir sehen ernste Gesichter, blasse Wangen, Runzeln, Falten und scharfgezogene Linien. Wir schauen verstohlen auf unser Gegenüber, aber unser Blick wird gar nicht wahrgenommen. Die Menschen sind in ihr eigenes Leben eingepaßt wie das Bild in den Rahmen, und das Antlitz liegt hinter Glas.

Unser Ziel ist ein Konzert. Während die Musik die Zuhörer fesselt, wenden wir uns von dem Podium ab und blicken auf unsere Nachbarn. Und jetzt ist es nicht wie in der Stadtbahn. Das Bild ist gleichsam aus dem Rahmen getreten. Das Gesicht tritt aus der Fläche und erfüllt den Raum. Es ist zum Antlitz geworden. Dieses Antlitz ist die Bühne, auf der die Seele agiert.

Die verhängten Züge der Mitfahrenden ließen uns ein wenig von dem Stück ahnen, das diese Menschen vielleicht zu spielen haben, so wie der samtene Vorhang schon etwas von der Atmosphäre des Spieles verrät. Hier aber im abgedunkelten Konzertsaal, liegt die Bühne frei, das Gesicht ist entriegelt; es begibt sidi der Mensch in die Szenerie seines Antlitzes.

Waren in der Stadtbahn noch Leute un-verbunden- nebeneinander gesessen, so sind hier Personen zum gleichen Zwedt vereint. Dennoch erweist ein Blick in den Zuhörerraum, daß sich die Menschen, die den nämlichen Zweck verfolgen — hier das Konzert anzuhören — in der Sinnesverfassung verschieden, unendlich verschieden, verhalten. Das beweisen die von innen so verschieden erhellten Gesichter.

Das Konzert geht zu Ende. Das Licht scheint auf und wieder verschließen sich die Gesichter. Aus den Bänken schieben sich — Leute. Sie schwenken eine Nummer, empfangen einen Hut, und während sie den Hut in die Stirn drücken, versenken sie ihr Antlitz, ihre Seele, ihre Geschidite.

Die hier skizzierten Bilder mögen uns zu einer Besinnung über den Menschen verhelfen. Der Schwund der Züge im menschlichen Antlitz war bezeichnend für das verflossene Jahrzwölft. Wir stehen jetzt vor der schönen und zukunftsreichen Aufgabe, das Antlitz wieder herauszuarbeiten, den Menschen Mut zu machen zu sich selbst, zu ihrer Sehnsucht nach dem Schönen und Freudigen, zu Offenheit und Vertrauen.

Der Mensch lernte dem Menschen zu mißtrauen. Harte Sdiicksale, grausame Enttäuschungen, bis auf den Grund gehende Entwurzelung aus der sozialen Schicht oder dem bisher zugeordneten Kulturkreise lösten jäh natürliche Verbundenheit und zersprengten unzerstörbar geltende Gefüge. Schmerzliche Schicksale, die heute zum täglichen Bestand gehören, machten die Menschen zu Vereinzelten, zu Abgesonderten. Da sind die Gemaßregelten und Zeitgeschädigten, die Geflüchteten und Beraubten, die kindlichen Witwen und familienfremden Kinder, die Verwundeten und Siechen, ein Heer von Einzelgängern.

Kurz, unsere Zeit ist mehr als irgendeine andere dazu geeignet, seelische Gleichgewichtsstörungen zu verursachen. Wenn sich diese so im Menschen befestigen, daß sie, sei es seelisch oder körperlich oder seelisch und körperlich, zu krankhaften Haltungen führen und die Bewältigung des Lebens erschweren oder unmöglich machen, nennt man diese Gleichgewichtsstörungen Neurosen, und wenn sie einen gewissen Grad erreicht haben, führen sie ins Sprechzimmer des Arztes. Dieser wird eine Psychotherapie einleiten, wenn sich alle organischen Ursachen des dargebotenen Zu-standes ausschließen lassen. Der Sinn dieser Therapie ist dann richtig begriffen und ihr Zweck ganz erfüllt, „wenn sie die Lebensbahnen bis zur falschen Weichenstellung zurückverfolgt und dann nach richtiger Schaltung den beschreitbaren Weg zeigen kann. Im konkreten Einzelfalle erweist sich freilich, daß die Aufdeckung der schiefen Haltung, die Freilegung der Bruchstelle nicht so schwierig ist wie die Neuordnung des Lebens, und diese zu besprechen ist einfacher als die Neuführung des Lebens in nicht gebahnter Spur.

Was hier für den Sonderfall des behandlungsbedürftigen Kranken gezeigt wurde, ist heute, -da die Zerstörung zwar beendet ist, uns aber die vorwärtstreibende Freude über die Möglichkeit des Neuaufbaues noch nicht ganz- erfüllt, unser persönliches Schicksal. Ja, wir sollen uns -allen Ernstes fragen, warum wir uns so oft wie der neurotisch Kranke verhalten, der den Anschluß zum Leben noch nicht recht findet und in einer eigentümlichen Sonderstellung verharrt in bezug auf Gemein-schaftsfindung, Durchführung seiner Arbeit, Fruchtbarmachung seiner Leistung, Eingliederung seines Denkens, Wollens und Handelns in eine sinnerfüllte Wirklichkeit.

Wir sind von dem Eindruck ausgegangen, den wir bei der Betrachtung müder Gesichter während einer Stadtbahnfahrt empfanden und von dem gegensätzlichen, als wir den lebendigen Ausdruck in den Mienen der Zuhörer eines Konzertes beobachten konnten. Wir haben das Erwachen der Seele wahrgenommen. Auf dieses Erwachen kommt es jetzt an. Daß der Mensch, der ganze Mensch wieder selbst auf der Bühne seines Lebens mitspiele.

In der Ideologie des Nationalsozialismus wurde das einzelne Ich zum Bestandteil eines Massen-Ich entwürdigt. Dieses Massen-Ich freilich wurde zum Gotte erhoben. Dieser Gott hieß Volk aller Völker. Dem einzelnen wurde in einem raffiniert arbeitenden Apparat Entscheidung und Selbstverantwortung entzogen. So wurde die Situation des Neu-rotikers zur Normalsituation. Kennzeichnend für diese ist gerade die Entscheidung zu unterlassen oder hinauszuziehen, die Korrektur einer falschen Haltung nicht vornehmen zu können, einen erlittenen Zusammenbruch nicht abzuräumen, sondern als Grundlage zu verwerten. Die Folge davon ist Lebensunsicherheit und vor allem Rich-tungs- und Planlosigkeit des Lebens.

Gerade in diese Lage sind wir im kleinen wie im großen mehr denn je gesunken. Denn die Diktatur, die dem einzelnen die Frage nach dem Lebenssinn abnahm, ja, sie geradezu verbot, ist zusammengebrochen. Der Mensch sieht sich vor einem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Trümmerfeld. Er ist wieder allein gelassen. Keine eiserne Faust weist ihm die Richtung. Kein Überich zwingt ihn in eine Uniform. Der Mensch ist frei, frei auf den Trümmern blutiger Vergangenheit, frei — wofür? Er ist dieser Freiheit ungewohnt, sie legt sich um ihn in dem weiten Gewände der Demokratie. Aber ist er nach der Knechtung der vergangenen Jahre fähig das Gewand dieser Freiheit zu tragen?

Jetzt wird die Sinnfrage des Lebens von den verschiedensten Seiten her erhoben. Da werden die Menschen auf „die magischen Kräfte“ im Inneren verwiesen, ein anderer sieht die Leidüberwindung und Lebenserneuerung im Vertrauen auf den göttlichen Funken in sich, dort werden die telepathischen Kräfte aufgerufen, um die Menschen vom Druck zu erlösen und zueinander zu führen. Das alles sind nur Versuche mit gänzlich untauglichen Mitteln, die der Situation des Menschen philosophisch, psychologisch und soziologisch nicht gerecht werden.

Hingegen hat die sachgemäße Behandlung neurotisch Erkrankter durch die weitergeführte und vertiefte Psychoanalyse von Viktor E. Frankl die Sinnfrage des Lebens in den Bereich ärztlichen Handelns gerückt. Diese Frage ist aber für jedermann, wie auch Frankl immer wieder betont, d i e Lebensfrage überhaupt. Die Neurose wird geheilt oder vermieden, wenn diese Frage beantwortet werden kann. V. E. Frankl hat das große Verdienst den Menschen, auch als Objekt ärztlicher Behandlung, in seiner' Einmaligkeit und personalen Würde herauszustellen. Er sieht ihn als das Geis t-wesen, das vom Geiste her entscheidet und — das ist der rote Faden der Frankischen Konzeption vom Menschen — das auch zur Verantwortung verpflichtet ist. Der Mensch, den irgendein Krankheitszeichen quält, hat nicht nur dieses Teilproblem zu lösen, sondern die ganze Existenz muß überholt, analysiert werden.

Wohl muß der Mensch wieder seiner Freiheit gegenübergestellt, in sie hineingestellt werden und die Verantwortlichkeit dem Leben gegenüber muß ihm als schönstes Geschenk des Daseins gezeigt werden. Nun ist aber das Leben, dem er verpflichtet ist, ein komplexer Begriff. Es ist selbst im jeweiligen Augenblick etwas Unfaßbares. Die Mehrdeutigkeit einer Situation macht es so schwer, die rechte Entscheidung zu wählen. Die Freiheit, die den Menschen seit dem Aufhören der Diktatur umgibt, wird vielfach innerlich noch nicht bewältigt. Der Mensch ist ihr nicht gewachsen, so lange das Leben einfachhin das Leben bleibt.

Da der Mensch vom Geiste her bestimmt und geformt ist, so muß er auch auf den Geist hin leben. Leben heißt verwirklichen. Aber was gilt es zu verwirklichen? Wert-haftes? Von der Stufung der Werte hängt alles ab, was sich der Mensch zu leisten vornimmt. Woher nimmt der Mensch das Wissen um die Werte? Er nimmt es von einem Wert, der außerhalb seiner selbst liegt, der ein unendliches Mehr an Wert darstellt, als der Mensch jemals verwirklichen kann. Die Sinn-und Wertfrage verschmelzen zur Frage nach dem Urgründe des Lebens, nach dem Woher, aber auch Wohin und Woraufhin des Seins. Es kommt der Augenblick, in dem der Mensch über sich hinauslangen muß, er muß den Sprung aus der Übersehbarkeit seines zufälligen, endlichen, beschränkten Seins in eine seinsnotwendige Unendlichkeit wagen. Die Feststellung, daß es dieses Absolute gibt, genügt allein schon, den Menschen zu zwingen sich damit auseinanderzusetzen. Wenn er sich davor drückt eine Beziehung zu dem absoluten Geiste zu finden, kann er der wahren menschlichen Situation nicht gerecht werden. Er läßt seine Verantwortung in die Unverbindlichkeit des nicht faßbaren Lebens zergehen. Er verpaßt den Augenblick, da er sein Leben wirklich neu auszurichten imstande wäre.

Wie sehr dies der Fall ist, beweist die sogenannte Existenzphilosophie (Heidegger,Jaspers, Sartre), wenn es auch so aussieht, als ob innerhalb dieser Disziplin die Weltimmanenz durchbrochen und eine Schwenkung zum Transzendenten, zum Absoluten hin, gemacht würde. Jedenfalls liegt in den kulturellen Auswirkungen dieser Philosophie eine nicht zu übersehende Vorliebe für die Spekulation über das Nichts, den Tod, das Scheitern. Das menschliche Sein wird als „nichtig und leer“ aufgefaßt. Hier liegt eigentümlicherweise eine Erkennung und Verkennung menschlicher Art zugleich. Wenn dieser Punkt der Schlußpunkt einer Philosophie wird, führt sie zum Untergang der Kultur, wird er zum Wendepunkt, zum Startpunkt ins Transzendente, führt sie zum neuen kulturellen Aufschwung.

Der Mensch ist wirklich von sich aus — nichts. Denn er ist eine — Gegebenheit. Die Besinnung über den Menschen wird erst dann wirklich fruchtbar zu neuen lebensvollen Ansätzen werden, wenn sie den Menschen als geschaffenen erkennt. Mit der Freiheit an sich kann der Mensch wenig anfangen. Das hat sich zu allen Zeiten erwiesen. Der Mensch der sicheren freien Entscheidung, der sich ihrer freudig bemächtigt, existiert nicht. Wir haben es jetzt immer mit dem Menschen nach dem Falle zu tun, dessen Natur die Erbsünde und ihre Folgen tragen muß. Wenn auch die Begnadung die Erbsünde genommen hat, so doch nicht deren Folgen. Mit dieser Auffassung stehen wir auf dogmatisch-christlichem Boden und werden dort Widerspruch erregen, wo dieses Gebundenheit nicht anerkannt wird. Für die Ursachen des häufigen und oft unverständlichen Versagens, für die heillose Verwirrung im kleinen wie im großen, lassen sich aber schwerlich andere Ursachen finden.

Wenn der Mensch zur Anerkennung seines Geschaffenseins gelangt ist und somit den Schöpfer gefunden hat, muß er hier nochmals die Frage nach seiner Verantwortung und Freiheit ansetzen und er wird sie tiefer ansetzen als bisher und zu seiner Beglückung spüren, daß sich von hier aus wirkliche Stützen herausheben. Denn was bisher dialektische Spiegelfechterei war, hier wird es faßbare, ansprechbare Wirklichkeit. Das Absolute ist der Absolute, der geschaffen hat, ja, was mehr ist, der mich geschaffen hat. Er ist der Unendliche, der Vollkommene, der ganz Freie. Nur im Anschluß an die Freiheit Gottes hat die Freiheit des Menschen Wirklichkeitssinn. Für sein tägliches Leben läßt sich nicht übersehen, daß er vielfach gebunden, in verschiedene Beengungen verflochten ist. Diese Tatsache besteht. Sie ist wiederum ein Beweis dafür, daß der Mensch ein gefallenes Wesen ist. Man kann versuchen diese Einschränkungen zu übersehen, aufzulösen, zu zerbrechen. Aber es fruchtet zu nichts. Hingegen erbringt auch die Geschichte den Beweis, daß die Bindung an Gott und an seine Ordnung auch die Bindung an seine Freiheit ist. Hier steht der Mensch vor Wirklichkeiten, mit denen er rechnen muß, will er Mensch bleiben oder werden. Wenn er sich selbst an die Stelle Gottes setzt, versinkt die Welt im Chaos, läßt er sich seiner persönlichen Freiheit berauben, hört er ebenfalls auf menschliche, kulturelle Leistungen zu setzen. Der Mensch ist das Wesen in der Mitte, das in der Ordnung Gottes Leib und Geist vereint. Diese Ordnung ist im fordernden und verpflichtenden Gesetz erfahrbar. Wenn er sich darüber hinwegsetzt, fällt er zugleich aus der echten Freiheit heraus. Wer Gottes Gesetz versteh*, wird auch von Gottes Freiheit zu ganz persönlichen Aufgaben gerufen. Erst in der Hinwendung zum persönliehen Gott wird die Verantwortlichkeit des Menschen Ansatzpunkte haben. Der jeweilige Auftrag des Lebens steht nicht mehr im leeren Raum des Zufälligen. Wertspeicher, wie etwa Familie, Heimat, Vaterland werden erst dann zum hinreichenden Wert, wenn sie vor Gott bestehen können, und das Vereinzelte und Zuwiderlaufende im menschlichen Leben erfahren Beziehung und Eingliederung in einen großen Sinn, wenn sie in die Ordnung Gottes, die eine Ordnung der Liebe ist, eingehen können. Nur in diesen Bejahungen gelingt das Menschliche, nur so kann er in Freiheit leben. Sonst bleibt er ein Sklave seiner Angst, seiner verkehrten Strebungen, seiner falsch geleiteten Neigungen. Der Mensch muß sich hinter sich gelassen haben, wenn er zu sich selbst kommen will. Das kann er aber nicht, wenn er in den leeren Raum zu stehen kommt. Der Mensch kann sich nur verlieren, wenn er damit eine größere Geborgenheit und Sicherheit gewinnt. Nur in der Liebe vermag sich der Mensch loszulassen. Und diese Liebe i s t Gott. Gottes Wille für uns, ist immer und ursprünglich ein Heilswille. Wir wiederholen, daß die Heillosigkeit unserer Tage aus dem Mißbrauch der menschlichen Freiheit erwachsen ist. Die Begegnung mit Gottes Freiheit und seinen Geheimnissen ist die Begegnung mit dem Heil.

Hier wollen wir innehalten und uns fragen, warum diese Erwägungen so sehr aus unserem Denken herausgebrochen sind, daß sie uns befremdlich erscheinen und viel gutwillige Besinnung erfordern. Wir haben vergessen, daß wir aus einem christlichen Abendlande 'stammen, daß man in der Blütezeit Europas einheitlich theozentrisch gedacht und gewirkt hat. Erst seit der Aufklärung hat sich der Akzent verschoben und die anthropozentrische Achse, um die sich die Kultur von da an drehte, wurde schließlich sog* eine technozentrische, womit die Kultur in Komfort verpuffte; der geistige Verfall wurde in den Ereignissen der jüngst vergangenen Zeit genügend offenbar.

Jetzt aber ist man wieder dabei, den Menschen als ganzen zu sehen, also zu wissen, daß er nur ganz mit seinen metaphysischen Wurzeln begriffen wird. Allerdings darf man nicht übersehen, daß dem Menschen heute die Einordnung in das Christentum besonders schwer fällt, weil es einerseits Glauben an das Geheimnis des Religiösen, dann aber auch Anerkennung des Dogmas verlangt. Die Überforderung der menschlichen Fassungskraft mit pathetischen, aber leeren Worten und mit erzwungenem Gehorsam zugleich, die er so lange hat erdulden müssen, machen den Menschen mißtrauisch und müde gegenüber irgendwelchen Bindungen, die innere und äußere Folgen nach sich ziehen. Darum verharrt er lieber in der Vereinzelung, auch wenn diese als dürr und leidvoll empfunden wird.

Die wesentlichen Moralanschauungen und -forderungen des Christentums werden im allgemeinen bejaht, weil sich gezeigt hat, daß ihre Außerachtlassung ganze Länder in Blut, Schutt und Asche legt. Geisteshaltungen hingegen, die von weit herkommen und deren Bewährung sich weniger gut nachprüfen läßt, die aber den Geschmack des Fremden und vor allem Unverbindlichen haben, ziehen die Menschen augenblicklich weit mehr an. Wir denken an das Interesse für indische und chinesische Geisteshaltung und Aszese.

Das alles darf aber nicht dazu führen, auf halbem Wege stehen zu bleiben und der Entscheidung dort auszuweichen, wo sie unbequem wird. Immer noch wandern die Menschen, immer noch sind Tausende vertrieben. Dieses Auf-der-Suche-Sein hat sich ins Geistige übertragen. Man gewinnt manchmal den Eindruck, daß die Suche nicht als Vorübergang und Mittel, sondern als fliehendes Ziel, als erwünschtes Provisorium, durchaus befriedigt.

Auch wenn Gott gefunden ist, bleibt aber im Leben vor dem Tode das Erregende der Wanderschaft. Auch nach der Entscheidung für Gott bleibt alle Tage die Freiheit der Wahl. Auch wenn er einmal und für immer bejaht ist, bleibt er ein Verborgener. Auch wenn die Bindung an Gott so eng geworden ist, wie es für den Christen überhaupt möglich sein kann, bleibt er der „ganz andere“, der Wunderbare, der Unbegreifliche. Aber der Mensch weiß sicher, wer sein Leben im letzten lenkt und wohin er es selbst in Not, Gefahr, Trübsal, äußerer Aussichtslosigkeit sicher zu lenken vermag: aus der Heillosigkeit der Zeit in das Heil der Ewigkeit.

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