Lesebuch der Weltliteratur, Band 3, herausgegeben von Dr. Otto Rommel, Band 4, herausgegeben von Dr. Oskar Ma ar und Dr. Wilhelm Groß, Ostern Bundesverlag, Wien 1949
Wir sind hineingeboren in das Zeitalter der Technik, welche die Erde in immer großartigerer Weise zu bewältigen vermag. Die sinnhaften Erlebnisse vermitteln uns pausenlos diese rastlose Erschließung der Erde, die man zu nennen versucht wäre: wunderbare Wandlung des Stoffes. Hingegeben an den Rhythmus dieses Prozesses, ausgeliefert den Reizen der wirbelnden stofflichen Welt, fast versengt von den mancherlei Feuern dieser Erde, immer betört von neuen Bildern und neuen Klängen, werden wir gleichsam an unsere Sinne gekreuzigt. Während wir meinen, immer mehr Außen einfangen zu müssen und
Moderne Malerei und zeitgenössisches Schrifttum zeigen in namhaften Vertretern eine merkwürdige Gegensätzlichkeit. Während die bildende Kunst die Ansicht eines Dinges durch die Innenwelt des Malers filtert und den greifbaren Gegenstand so weitgehend umbildet, drückt »ich der Schriftsteller oft geradezu verblüffend „dinglich ' aus, um die innere Situation zu beschreiben. Die Bilder sind darum so eindrucksvoll, weil sie vom Schreiber wirklich gesehen und vom Leser eindeutig erkannt werden. Zwar könnten beide Kunstformen immer noch das gleiche aussagen, wenn sie die gleiche Innenansicht
Eine Forschungsreise zu den Primitivstämmen Zentralindiens 1938/39. Von Wilhelm Köppers. Mit 36 Tafelbildern, 5 Karten und 2 Zeichnungen. Verlag Josef Stöcker, Luzern 1947.
Nicht weniger als der materielle Aufbau tut der geistige not, ja er ist die Voraussetzung des materiellen. Ein solcher setzt eine systematische Bildungsarbeit, vor allem die Kenntnis der Forschungsergebnisse voraus, von denen wir infolge der Verhältnisse allzulange ab- gesdinitten waren; das verlangt Gedankenaustausch der an der Forschung beteiligten Gelehrten und Formung eines Weltbildes auf Grund der Forschungsergebnisse der verschiedenen Zweige der Wissenschaft.Diesem Ziele dient die neue Vierteljahrsschrift für alle Gebiete der Forschung, die im Verlag „Herold”, Wien VIII, mit der
Das. europäische Selbstmordproblem. Von Dr. E. Menninger-Lerchenthal. Franz Deuticke, Wien 1947. 60 Seiten.Die vorliegende Broschüre des bekannten Wiener Nervenarztes stellt die Erweiterung eines in der Katholischen Akademie gehaltenen Vortrages dar und ist der Uberwindung des Selbstmordes in Europa, besonders in unserer Heimat, gewidmet. Ein stetiges Anwachsen der Selbstmordziffern ist seit dem Beginn unseres Jahrhunderts zu beobachten. Es hängt mit der Bevölkerungszunahme, der Landflucht und Industrialisierung zusammen. Die letzten Jahre haben den alten Ursachen eine neue hinzugefügt:'
Willensfreiheit als naturwissenschaftliches Pro blem. Von Dr. med Peter B i a n c o, Tyrolia Innsbruck 1947. 20 Seiten.In der schon bekannten Reihe wird ein Vor. trag geboten, den der Verfasser im Seminar fü Grenzfragen der Psychologie und medizinische Psychologie an der Nervenklinik in Innsbruck ge halten hat. Es handelt sich um eine der schwie rigsten und umstrittensten Fragen, die di< Geistesgeschichte immer beschäftigt hat. Dei Verfasser durchstreift im Blitztempo die histo-riche Entwicklung dieses Problems in der Philo, «ophie, deutet die naturwissenschaftliche Fragestellung an,
Manchmal gewinnt man den Eindruck, die neue Demokratie enthalte im wesentlichen zwei Menschengruppen: Geschädigte — Belastete. Dazwischen wogt die Masse derer, die weder „Wied-ergutmachungsan-sprüche“ stellen noch „Sühne zu leisten“ haben. Man sollte meinen, das Konto müsse sich errechnen lassen, die Schuld werde eines Tages auf Heller und Groschen beglichen sein. Dem widerspricht aber die Wirklichkeit. Zwar gibt es eine Anzahl Menschen, denen „Genugtuung“ widerfährt und es gibt auch eine andere Schar, die „sühnt“. Dennoch rinnt aus den Masdien dieses Vergeltungsnetzes
Wir sitzen in der Stadtbahn und nähern uns schaukelnd und ratternd unserem Ziele. Betrachten wir einmal die Menschen, die die gleiche Strecke Weges fahren! Wir sehen ernste Gesichter, blasse Wangen, Runzeln, Falten und scharfgezogene Linien. Wir schauen verstohlen auf unser Gegenüber, aber unser Blick wird gar nicht wahrgenommen. Die Menschen sind in ihr eigenes Leben eingepaßt wie das Bild in den Rahmen, und das Antlitz liegt hinter Glas.Unser Ziel ist ein Konzert. Während die Musik die Zuhörer fesselt, wenden wir uns von dem Podium ab und blicken auf unsere Nachbarn. Und jetzt ist es
Horaz, Ausgewählte Werke. Obersetzt von Heinrich G a ß n e r, Amandus-Edition.Gaßner schlägt bewußt einen neuen Weg ein.Es ist ihm nidit um die Wiedergabe des gesamten Oeuvre des Horaz zu tun, in der Reihenfolge, in der uns die Gedichte überliefert sind. Er will sie nicht der Reihe nach, womöglich im Versmaß des Originals, übersetzen, sondern den Menschen unserer Zeit im Werk den Dichter und Menschen zeigen und durch diesen wiederum das Werk erhellen und näherbringen. Vorausgeschickt wird die antike Horaz-Biographie des Sucton. Der Zweck des Buches ist kein literarästheti^cher, kein
Das Kennwort, in dem sich die mannigfache Gegensätzlichkeit des Heute sammelt, ist die Schwere der Zeit. Dasein unter Druck oder besser in der Bedrückung könnte man über jeden unserer Tage schreiben.Niedergeschlagenheit scheint ein atmosphärisches Gift zu ein, das nahezu jeden Menschen berieselt. Es wird wohl kaum jemand geben, der dieser Intoxikation nicht irgendwann einmal in der gegenwärtigen Zeit verfallen gewesen wäre.Die Psychiatrie beschreibt den Depressiven als einen Menschen mit ernstem, bekümmertem, versorgtem Gesichtsausdruck, der leise, eintönig spricht, leicht in Tränen
Die Frage „wer bin ich?“ oder „was bin ich?“ hat der Mensch zu allen Zeiten gestellt. Allein, die Akzentuierung dieser Frage nach der ruhig wägenden oder gefühlsbetonten Seite ist eine grundverschiedene, ob sich der Mensch in einer Epoche harmonischer Kulturentfalturtg oder Ent-sidierung aller Lebenskreise befindet, wie wir sie nach den zwei Weltkriegen erleben.Zum Ausklang des sogenannten „bürgerlichen Zeitalters“, wie es durch seine Unecht-heit und Heuchelei gekennzeichnet und in dies-er Art durch Ibsen, Dostojewskij, Lewis und andere festgehalten wurde, ist Sigmund Freud mir
Der Eine: Wie oft dachte ich an Sie im vergangenen halben Jahre. Gerade heute aber, da ich mich zu der Führung durch den Dom entschloß, die uns den Stand der Aufbauarbeiten zeigen soll, überrascht mich unser Wiedersehen.Der Andere: So wie mich. Aber ist es nicht eigentümlich, daß wir wieder auf Trümmern zusammenkommen?Der Eine: Gewiß. Ich habe es keineswegs vergessen, wie wir uns an jenem -Abend vor drei viertel Jahren auf der breiten Ausfallstraße begegnet sind. Es hatte fünfstöckige Häuser niedergerissen. Wir standen vor zusammenhanglosen Trümmern, toten Fassaden, sinnlos