Auferstehung ist Leben

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Die Hoffnung der Christen ist, daß sie eine Hoffnung haben: So lautet die Osterbotschaft, mit der die unendliche Menschenliebe Gottes vermittelt werden soll.

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Die Hoffnung der Christen ist, daß sie eine Hoffnung haben: So lautet die Osterbotschaft, mit der die unendliche Menschenliebe Gottes vermittelt werden soll.

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Ostersonntag. Die Kirche jubelt, denn "nun ist alles vom Licht erfüllt, der Himmel und die Erde und die Unterwelt".

Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaft auferstanden! Dieser orthodoxe Ostergruß zum Osterfest ist etwas mehr als eine Grußformel, weil dadurch ein Geheimnis, das Geheimnis des christlichen Glaubens ausgedrückt wird, der Glaube an die Auferstehung.

Ostern ist für die orthodoxen Christen "das Fest der Feste", weil für sie die Auferstehung neues Leben, das eigentliche Leben bedeutet.

Die Auferstehung ist nicht einfach ein einzigartiges großes Ereignis im Laufe der Geschichte, sondern ein Mysterium, das über der Geschichte steht. Ein größeres Mysterium als die Auferstehung Christi gibt es nicht. Dieses Mysterium ist die Grundlage aller Geheimnisse der Kirche. Die Auferstehung gibt unserem Leben und daher der Geschichte einen Sinn und eröffnet neue Horizonte für eine neue Welt, die ganz unterschiedlich von jener ist, die wir kennen, von der Welt der Vergänglichkeit, des Leidens und des Todes.

Das Ereignis der Auferstehung wird als solches von den Evangelisten nicht beschrieben. Die Evangelien überliefern uns nur die Aussagen von den Männern und Frauen, die das leere Grab aufgesucht, den Auferstandenen gesehen, mit ihm gesprochen und gegessen und den Auftrag bekommen haben, Verkünder seiner Auferstehung in der ganzen Welt zu werden. So wird etwa bei der orthodoxen Auferstehungsfeier die Stelle aus dem Markusevangelium über den Besuch der Frauen am Grab verlesen (Mk 16,1-8). Sie treffen den Engel, der ihnen verkündet: "Er ist auferstanden; er ist nicht hier".

Eine neue Schöpfung Auch in der orthodoxen Ikonographie wird nicht die Auferstehung dargestellt, sondern ihre anthropologischen Konsequenzen: Im Gegensatz zu den westlichen Darstellungen ist das orthodoxe Auferstehungsbild ein erlösendes, und die Oster-Ikone trägt den Namen "Das Hinabsteigen Christi in den Hades". Der spirituelle Inhalt dieser Ikone ist ein sehr pragmatischer, wie wir ihn auf westlichen Auferstehungsdarstellungen nicht finden. Christus steigt hinab in das Reich des Todes und vernichtet es, indem er die Tore zum Hades zerschlägt. Adam und Eva, stellvertretend für alle Menschen, werden von Christus befreit und zur Auferstehung herausgeholt; zusammen mit allen Gerechten, mit allen Heiligen, mit allen Menschen, die gerettet werden müssen; mit allen Nachkommen von Adam und Eva, ob heilig oder nicht. Hände halten einander und die Szene erinnert an die Berührung der schöpferischen Hand Gottes mit der Hand des Menschen aus dem Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle.

In der Osterliturgie werden auch die ersten Verse des Johannesevangeliums (Joh 1,1-17) verlesen. Es ist merkwürdig, daß Johannes sein Evangelium nicht mit der leiblichen Geburt (wie Lukas) oder mit dem Stammbaum Jesu Christi (wie Matthäus) anfängt, sondern mit der Menschwerdung des Logos, des Wortes Gottes, das der Welt die Gnade, die Wahrheit und das Licht gebracht hat - nicht nur durch seine Lehre, sondern hauptsächlich durch seine Kreuzigung und Auferstehung. Menschwerdung und Tod, der Anfang und das Ende Christi in der Geschichte der Menschheit, wie auch der Beginn der neuen Welt durch seine Auferstehung werden innerhalb der Kirche als ein ganzheitlicher Ausdruck der Liebe Gottes erlebt. Er kommt - um die Wahrheit zu offenbaren, um Licht zu geben und Gnade über die zum Tode verurteilte Menschheit walten und somit eine neue Schöpfung entstehen zu lassen: "Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden" (2 Kor 5,17 ).

"Dein Kreuz ist Leben" Die orthodoxe Hymnographie betont zum Osterfest das "Heute", um die direkte und persönliche Beziehung des einzelnen Menschen zu den Heilsereignissen und Geheimnissen unseres Glaubens zu unterstreichen. Die Kirche will dadurch betonen, daß zu Ostern zwar des Leidens und der Auferstehung gedacht wird oder diese symbolisch gefeiert werden, aber nicht nur; wichtiger ist, daß du und ich, wir alle, hier und jetzt, nicht bloß als Zeugen sondern als Erben Gottes durch Jesus Christus aufgerufen werden, seine Kreuzigung und seine Auferstehung als unsere persönliche Kreuzigung und Auferstehung zu erleben, mit allen Konsequenzen, die sogar zur Theosis, zur Vergöttlichung des Menschen führen.

Er ist "der König der Herrlichkeit". Johannes Chrysostomos meint: "Ich sehe ihn am Kreuz und nenne ihn König", denn Kreuz ist nicht Ende oder Ziel, sondern eine Station, eine Voraussetzung der Auferstehung. Dafür singen wir jeden Sonntag in der Orthodoxen Kirche: "Dein Kreuz, Herr, ist Leben und Auferstehung für dein Volk". Christus, der "dem Fleisch nach getötet, dem Geist nach lebendig gemacht" wurde (1 Petr 3,18), hat uns das Leben geschenkt. Das Leben ist die Verbindung des Menschen zu Gott.

Mit diesen Geschenken - Leben und Auferstehung - angemessen umzugehen, das ist Sinn und Ziel aller Gemeinschaft, seit Christus hier war, wie Paulus schreibt: "Er stiftete Frieden und Versöhnung durch das Kreuz ... Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes" (Eph 2,15-20).

So wird die Bedeutung der Auferstehung Christi nicht im apologetischen Versuch ausgeschöpft, die historischen Gegebenheiten zu beweisen. Was hätte es für einen Sinn, wenn ein solches Ereignis nicht in direkter Beziehung zur Existenz eines jeden von uns steht? Die Auferstehung Christi hat eine existentielle Dimension und steht in direkter Beziehung zum Menschen: Sie zeigt den Anfang der neuen Schöpfung und der neuen Welt, die Gott der Menschheit anbietet. Und dieser neuen Welt ist der Geruch des Todes, die Todesangst und die Feindschaft des Menschen seinen Mitmenschen gegenüber fremd; diese neue Welt ist ein Leben der Liebe, der Wärme und der Hoffnung, ein neues, ein verklärtes Leben.

Die Auferstehung hat also einen Sinn - weniger als geschichtliches Ereignis, mehr als ein göttlicher Ruf an jeden Menschen. Und wenn Gott das Leben als Gabe anbietet, ist es nicht "Torheit", wenn der Mensch trotzdem den Tod bevorzugt? Wenn Gott durch die Auferstehung Christi die zerstörte Welt wiederherstellt und jedem Menschen die Möglichkeit gibt aufzuerstehen, sich aufzurichten, welches Argument rechtfertigt dann unser Verbleiben in der Verzweiflung und im Reich des Todes?

Ostern bedeutet praktisch für uns Christen die Erfüllung des Planes Gottes, sein Geschöpf nicht dem Schicksal, das heißt: der Selbstvernichtung zu überlassen, sondern dem Menschen nahe zu sein und ihn ununterbrochen zu begleiten; Gott bietet uns einen Weg, eine Brücke, einen Übergang an, allerdings ohne die von ihm geschenkte Freiheit beeinträchtigen zu wollen, denn sie ist oberstes Gebot: "Wer will, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Mk 8,34), um aus der Knechtschaft dieser Welt durch das Rote Meer des Lebens in die Freiheit zu gelangen. Die Auferstehung Christi ist eine Botschaft der Hoffnung und des Lebens, die die Toten zu "Entschlafenen" verklärt und "die Lebenden, die noch übrig sind", zu solchen Menschen, die "nicht wie die anderen sind, die keine Hoffnung haben" (vgl. 1 Thess 4,14-15).

Wahrhaft auferstanden Unsere Hoffnung ist, daß wir eine Hoffnung haben. Diese Osterbotschaft und keine andere soll die Kirche an die Menschen jeder Zeit richten, um ihnen nicht mit Strafe zu drohen, sondern die unendliche Menschenliebe Gottes zu vermitteln und sie aus der Angst des Todes zu befreien. Trotz des todbringenden Vorgehens oder Verhaltens des Menschen, ruft Gott uns alle immer wieder zur Welt der Auferstehung und somit zum Leben auf, weil er will, "daß alle Menschen gerettet werden" (1 Tim 2,4).

Als Kirche und Menschen dürfen wir nie vergessen, "daß Gott die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab und ihn nicht in die Welt gesandt hat, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird" (Joh 3,16-17). Johannes Chrysostomos schreibt in seiner "Katechetischen Rede zum Ostersonntag": "Alle genießt den Reichtum der Milde. Niemand weine wegen seiner Armut, denn es erschien das gemeinsame Königreich. Niemand beklage Verfehlungen, denn die Verzeihung ist aus dem Grab aufgegangen. Niemand fürchte den Tod, denn der Tod unseres Erlösers hat uns alle befreit." Nur jeder, der daran glaubt, kann auf die heilsbringende Botschaft: "Christus ist auferstanden", überzeugend antworten: "Er ist wahrhaft auferstanden!"

Der Autor ist griechisch-orthodoxer Metropolit von Austria.

BUCHTIPS Orthodoxie (im Doppelpack) Beinahe zeitgleich legen die beiden prominentesten Orthodoxen Österreichs je ein Buch über ihre Kirche vor. Das eine, von Metropolit Michael Staikos verfaßt, bereitet unter dem Titel "Auferstehung" Tradition und Spiritualität der Ostkirche für westliche Augen auf: Glaube, Liturgie, Ikonen, Menschen- und Gottesbild, dazu Fragen nach der Spannung zwischen Tradition und Reform sowie eine engagierte Kritik am westlichen Bild der Orthodoxie. Das andere Buch, "Die orthodoxe Kirche", hat der in Graz lehrende orthodoxe Theologe Grigorios Larentzakis geschrieben. Larentzakis ist um eine umfassende, aber gut zu lesende Darstellung der Ostkirche bemüht - historische Entwicklung, Theologie, Heilige, Glaubensinhalte, Liturgie und Ökumene sind die Themen. Beide Neuerscheinungen bieten Grundlegendes über den Glauben des christlichen Ostens - kompetent, informativ, lesenswert.

Auferstehung. Von erlebterorthodoxer Spiritualität. VonMichael Staikos. Ibera-Verlag, Wien 2000. 220 Seiten, geb., öS 267,-/e 19,40 Die orthodoxe Kirche. Ihr Leben und ihr Glaube. Von Grigorios Larentzakis. Verlag Styria, Graz 2000. 228 Seiten, geb., öS 321,-/e 23,33

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