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Sache Jesu geht weiter

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Mit dem Glauben an die Auferstehung hatten schon die ersten Christen Probleme. Nur Paulus hat damals echte Reflexionen über dieses Ereignis und seine Bedeutung angestellt.

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Mit dem Glauben an die Auferstehung hatten schon die ersten Christen Probleme. Nur Paulus hat damals echte Reflexionen über dieses Ereignis und seine Bedeutung angestellt.

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Als kürzeste Form des Evangeliums hat Paulus bei seiner Mission in Korinth einen Satz zitiert, den es wohl schon wenige Jahre nach Jesu Tod gegeben hat: „Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf” (1 Kor 15,3-5). Es gibt Christen, seitdem Menschen nach Jesu Tod ihre Erfahrungen in den Satz, Gott hat Jesus von den Toten auferweckt, gekleidet haben. Was haben sie damit verstanden, wie konnten sie damals verstanden werden?

Die Israeliten haben im Lauf der von uns erfaßbaren Geschichte verschiedene Gedanken über ein Weiterleben des Menschen im Tode gehabt. Darunter können auch in älterer Zeit Vorstellungen über das bleibende Lebendigwerden Toter gewesen sein. Sicher gibt es diese Vorstellung erst, seit es im 2. Jahrhundert (Makkabä-erzeit) zu Martyrien mancher Juden kam. Auch wenn jemand in seiner Treue Gott gegenüber sein Leben verliert, Gott kann — und wird—ihn neuerlich lebendigwerden lassen, auferstehen lassen.

Nur Teile des Judentums damals haben diese Glaubensüberzeugung geteilt (Pharisäer!). Das Judentum ist keine Religion religiöser Spekulation, sondern der Treue gegenüber dem erkannten Willen Gottes („Gesetz”). Daher gehen auch unter jenen Juden, die damit rechnen, daß Gott die Toten auferwecken werde, die Vorstellungen darüber weit auseinander. Man denkt an eine gesteigerte leibliche Wirklichkeit, etwa in der Art eines Schlaraffenlandes, daneben erwartet man eine Vergeistigung jener neuen Existenz aus dem Tode heraus.

Soweit es uns die Evangelien berichten, hat Jesus die Glaubensüberzeugung etwa der Pharisäer bezüglich der Auferstehung geteilt. Die Toten werden auferstehen, aber ihr Sein wird sein „wie die Engel” (vgl. Mk 12,25 Par.). Jesus soll nicht nur mit seinem Tod gerechnet haben, sondern auch mit seiner Auferwek-kung am dritten Tag (vgl. Mk 8,31, Par. u. ö.).

In jener erwähnten Glaubensformel und im Anschluß daran (1 Kor 15,6-8) berichtet Paulus von verschiedenen Menschen der christlichen Urzeit, denen Jesus nach seinem Tod auf erweckt erschienen sei. Paulus selber zählt sich dazu. Uber solche Erscheinungen berichten alle vier Evangelien. Bei den Berichten vor den Elf („Zwölf”) fällt auf, daß sie eher recht allgemein gehalten sind. Die Jünger sind ihres Meisters beraubt, in Furcht, er erscheint ihnen, sie zweifeln, gelegentlich auch vermischt mit Freude, er gibt sich zu erkennen, gelegentlich unterstützt durch drastische Zeichen; er grüßt sie, gibt ihnen Macht und Sendung.

Man merkt an all diesen Berichten, wie Christen sich Rechenschaft darüber geben, daß der Ursprung christlicher und kirchlicher Begabung aus der Erscheinung kommt, die Christen des Anfangs, vor allem aus dem alten Jüngerkreis, widerfahren ist. Darüber hinaus wird aber sowohl bei Paulus als auch in den Evangelien davon geredet, daß Jesus auch Menschen darüber hinaus erschienen sei, Maria aus Magdala (Joh 20,11—18), zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus (Lk 24,13-35), dem Herrenbruder Jakobus (1 Kor 15,7), mehr als fünfhundert Brüdern zugleich (1 Kor 15,6), schließlich auch Paulus (1 Kor 15,8 u. ö.).

Der einzige von ihnen allen, dem wir Reflexionen über jenes Ereignis und seine Bedeutung verdanken, ist Paulus. In Korinth haben Christen gesagt, es gibt keine Auferstehung der Toten (1 Kor 15,12). Paulus dazu: „Wenn Tote nicht auf erweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos... sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen” (1 Kor 15,16-19).

Offenbar haben jene Christen, wie alle Christen, den Bekenntnissatz, nach dem Jesus von den Toten auf erweckt worden ist, angenommen und bejaht. Sie haben sich aber offensichtlich an den Vorstellungen gestoßen, die mit dem Begriff Auferstehung verbunden sind. Übrigens hat weder die Sprache der Juden noch das Griechisch einen eigenen Ausdruck für „Auferstehung” (sondern nur Aufstehen, Aufwecken usw.). Jene Christen haben wohl so wie die späteren Gnostiker nur damit gerechnet, daß Gott einen einmal gewesenen Menschen zu einer neuen Wirklichkeit neu schaffen werde. Oder daß die Auferstehung ein anderer Ausdruck für Unsterblichkeit (dasselbe oder ähnliches) bedeute.

Das läßt Paulus ganz und gar nicht gelten. Der Gestorbene wird auferweckt, sein Leib wird verwandelt. Auf Jesus angewendet: „Der Letzte Adam wurde lebendigmachender Geist” (1 Kor 15,45). Solche Verwandlung aber soll auch den anderen Toten am Ende zuteil werden (1 Kor 15,52).

Gerade weil Paulus auf dieser Verwandlung des gestorbenen Leibes so hartnäckig besteht (es ist umstritten, ob er es immer so hartnäckig getan hat, vgl. 2 Kor 5,1—5), obwohl er auch ein BeiChristus-Sein ohne Auferstehung bzw. vor der Auferstehung kennt (Phil 1,23), ist es verwunderlich, daß er nicht so wie alle vier Evangelien von der Auffindung des leeren Grabes Jesu berichtet.

Genug Exegeten haben daraus geschlossen, daß er von jenen Traditionen (noch) gar nichts gewußt habe. Weiterhin dann, daß jene Texte der Evangelien in Wirklichkeit theologische

Schlußfolgerung, nicht historische Erinnerung beinhalten: Wenn Jesus tatsächlich auferweckt worden ist, dann bedeutet das doch nach dem vorher kurz erwähnten jüdischen Denken das Lebendigwerden eines Verstorbenen, eines Leichnams; dann aber kann man auch nirgends mehr einen Leichnam des Auferweckten vorweisen, auch nicht in der Grabeshöhle Jesu.

So einleuchtend das sein mag, es stößt sich daran, daß man annehmen müßte, Juden jener Zeit, sowohl die Anhänger Jesu als auch seine Gegner, hätten sich gegenüber dem Begräbnisort Jesu gleichgültig verhalten, obwohl wenige Wochen nach dem Tod Jesu von seinen Jüngern, Juden unter Juden, fest verkündet wurde, daß dieser Jesus von den Toten auferweckt worden ist. „Detektivgeschichten” über ein „natürliches” Verschwinden des Leichnams Jesu entbehren freilich jeder historischen Seriosität. Es ist aber auch zu fragen, ob es wirklich eine Erhöhungsvorstellung getrennt von Auf er stehungsüber-zeugung gegeben hat.

Entgegen einer weitverbreiteten Meinung war für jene Christen, denen wir die Berichte über das leere Grab Jesu verdanken, das leere Grab Jesu kein „Beweis”

Heinrich Fries, einer der bedeutendsten katholischen Theologen der Gegenwart, hat ein neues Buch mit dem Titel ,J?undamental-theologie” geschrieben, das im April bei Styria erscheint (Subskriptionspreis bis 30. Juni 1985 öS 420,-/'später öS 490,—). Dieses epochale Werk und die Erweiterung des Blattes nimmt die FURCHE zum Anlaß einem oft geäußerten Wunsch nachzukommen: Beiträge zur Vertiefung des Glaubens und des religiösen Wissens. Pater Alois Kraxner CSsR nimmt sich in der neuen Spalte „Glauben und Wissen”, am neuen Fries-Buch orientiert, dieses Anliegens an. für die Auferstehung. Maria aus Magdala habe gemeint, der Gärtner habe Jesus weggetragen (Joh 20,15). Engel müssen sagen, warum der Leichnam nicht mehr im Grabe ist. Auch die Erscheinungen des Auferstandenen haben nach den Zeugnissen des Neuen Testaments nicht zum Glauben an Jesus geführt. Die Emmausjünger halten ihn für einen Wanderer, ihre Augen sind „gehalten” (vgl. Lk 24,16). Die Gnade des Erkennens mußte auch den Jüngern gegeben werden (vgl. Lk 24,31).

Ähnlich wie die Menschen damals fragen auch Menschen heute, wenn ihnen von der Auferstehung Jesu geredet wird. Begreiflich, daß man immer wieder versucht, das damit Gesagte „verstehbar” umzudeuten. Es sei z. B. Symbol für das Weiterleben und die Bedeutung Jesu (F. Schleiermacher u. a.), Jesus sei in die Verkündigung (Kerygma) „auferstanden” (R. Bultmann), Auferstehung bedeute, daß „die Sache Jesu” weitergehe (W. Marxsen).

Solches meint die neutesta-mentliche Auferstehungsbotschaf t auch. Sie meint mehr: Jesus geht weiter! Uber die erwähnte Antwort des Paulus hinaus können wir wohl nichts Zutreffenderes mehr sagen und wissen: Lebenspendender Geist ist Jesus geworden.

Der Autor ist ordentlicher Professor für Neutestamentliche Bibelwissenschaft an der Universität Salzburg.

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