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Kampf um das reine Evangelium

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Der inhaltsreiche Sammelband beginnt mit einer sehr eindringenden Untersuchung von K. H. Schelkle (Tübingen) über Form und Theologie der Kindheitsgeschichte Jesu. Diese trägt sowohl bei Matth, wie bei Luk. „einen deutlich alttesta-mentlich-jüdischen Charakter“ (14) und stammt nicht erst aus dem späteren hellenistischen Christentum, wie man besonders bei Luk. immer wieder behauptet hat Christus ist der neue Moses, der wahre König David, der neue Adam usw. Das wird an Hand eindrucksvoller Parallelen aus dem A. T. aufgezeigt. Daß bei der Frage der Magier nach dem neugeborenen König nicht nur Hero-des, sondern „ganz Jerusalem“ (Mt 2, 2) mit ihm erschrak, ist zunächst und in erster Linie wohl doch darauf zurückzuführen, daß alle einen Krieg zwischen dem Haus des Herodes und dem jungen Nationalkönig fürchteten und nicht schon wegen des „späteren Unglaubens... besonders Jerusalems“ (27).

A. Wurzinger (Graz) untersucht die eschatoiogischen Reden Jesu, die bereits bei den Synoptikern die ausgeprägte literarische Form der Apo-kalyptik ausweisen. Natürlich sind diese Reden auch bei Mk 13 schon „Komposition“ des Evangelisten (40), bei der w4r es freilich „oft mit Jesus-logien zu tun haben“. Eine genaue Trennung zwischen beiden ist allerdings nicht immer durchzuführen.

Bei Matth, und Luk ist die escha-:ologische Spannung schon wesent-ich schwächer als bei Markus (S. 67 ivird man die „Gleichnisse Jesu“ von loach. Jeremias wohl nach der Auf-age von 1962 zitieren müssen und licht 1947).

H. Schliers (Bonn) Beitrag: „Joh 6 md das johanneische Verständnis ler Eucharistie“ setzt zunächst voraus, daß das 4. Evang. in seiner heutigen Gestalt nicht die Konstruktion ;ines Redaktors darstellt, sondern laß es „den Aufriß zeigt, den ihm ier Evangelist geben wollte“ (72), der Ereilich sein Werk „im unfertigen Stadium hinterließ“ (ebda). Ferner

ist Joh 6 kein Einschuib der „Gemeinde“ wie Bultmann, Bornkamm u. a. behaupten, sondern es gehört zu den „konstitutiven Offenbarungen“ (74) über die Doxa des menschgewordenen Logos. Bei der immer wieder erörterten Frage, warum Joh wohl die Verheißung, nicht aber die Einsetzung der Eucharistie berichtet (vgl. S. 91, Anm. 7) wäre doch zu bedenken, daß Joh auch sonst Ereignisse, die schon von den Synoptikern berichtet wurden, wie z. B. die Einkerkerung des Täufers, nicht nochmals ausführlich erzählt, obwohl er sie bestimmt kennt (vgl. 2, 24). Warum also zum fünftenmal etwas berichten, das vor Jahrzehnten schon alle Synoptiker und 1 Kor 11 mitgeteilt haben?

Nach K. Schubert (Wien) war „Das Verhör Jesu vor dem Hohen Rat“ kein Prozeß im strengen Sinn des Wortes, sondern eben nur ein „Verhör“, in welchem geprüft werden sollte, ob man Jesus der römischen Behörde ausliefern kann. Trotz aller Bedenken der Formgeschichte (Lietz-mann, Bultmann, Winter usw.) ist der Prozeßbericht bei Markus „im großen und ganzen... getreu referiert“ (122).

R. Haardt (Wien) gibt einen sehr sachkundigen Überblick über das komplizierte und seit Reitzenstein immer wieder untersuchte Thema „Gnosis und Neues Testament“, wobei er auch die jüngst in Nag Ham-madi aufgefundenen koptischen Texte auswertet. Ob und wie weit sich manche Paulusbriefe mit gnostischen Irrlehren auseinandersetzen beziehungsweise von ihnen Ausdrücke oder Gedanken übernehmen, ist nach wie vor umstritten. S. 154 wird mitgeteilt, daß noch Goethe mit der gnostischen Sekte der Hypsistarier sehr stark sympathisierte, die aber (nach Bornkamm) schon im KoUosserbrief vom Apostel bekämpft wird...

J. Gnilkas (Münster) Beitrag: „Der historische Jesus als der gegenwärtige Christus im Johannesevangelium“ unterstreicht die jetzt auch vom Konzil anerkannte Tatsache, daß besonders das 4. Evang. nicht bloß die bruta facta der Heils-geschichte darstellen will, sondern sie im Lichte des Osterereignisses auch deutet.

Leo Scheffczyk (München) zeigt in

einer erschütternden Studie über das antike und moderne Kerygma die verhängnisvolle Entwicklung auf: Harnack u. a. haben noch die „Hel-lenisierung“ des Christentums als einen „Abfallprozeß“ vom reinen Evangelium beklagt, und heute — verlangen manche evangelische Theologen (D. Bonhöffer, P. Tillich, J. Robinson) nicht mehr und nicht weniger als: man solle bei der Predigt auf das Wort „Gott“ überhaupt verzichten und dafür von der „Tiefe im Menschen“ sprechen (191). Aus der Theologie wird so unversehens eine reine Anthropologie. Wo aber bleibt hier das „reine Evangelium“?

Der groß angelegte Vortrag des (leider auf einer Orientreise im August 1965 allzu früh verstorbenen) Herausgebers über: Christologie als Eschatölogie konnte nur nach einer Tonbandaufnahme gedruckt werden und zeigt noch ein letztes Mal den schweren Verlust, den die Bibelwissenschaft durch J. Sihts Tod erlitten hat. Theologisch interessierte Leser werden dem Verlag für die Herausgabe dieser Vorträge sicher dankbar sein.

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