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Salus ex j'udaeis

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The Bridge. A Yearbook of Judaeo-Christian Studies. Band I und II. Herausgegeben von John M. Oesterreicher. Pantheon Books, New York. 349 und 357 Seiten

In den zwanziger Jahren gab es in einigen europäischen Ländern eine katholische Vereinigung „Amici Israel“, die sich für ein besseres Verständnis der ganzen jüdischen Problematik einsetzen wollte. Schon in den ersten Anfängen versuchten viele Mitglieder eine Revision der Karfreitagsliturgie zu erreichen, indem sie beim Gebet „pro perfidis Judaeis“ die Wiedereinführung des „Oremus“ und „Flectamus genua“ befürworteten. Dieser Start und andere ähnliche Vorstöße waren damals vielleicht zu voreilig, doch daß und wie sich inzwischen das Klima geändert hat, zeigt der sehr ausgeglichene Beitrag von Kathryn Sullivan RSCJ. im 1. Band dieses Jahrbuches, in dem auf die ursprüngliche liturgische Wortbedeutung dieser „perfidia“ — als Unglaube und nicht als „perfide" Tücke — hingewiesen und . die tatsächlich bereits durchgeführte Revision der , umstrittenen liturgischen Rubrik begrüßt wird. Der genannte Aufsatz ist ein'Beispiel für die in Oesterreich fast unbekannte Arbeit, die nun schon seit Jahren in den Vereinigten Staaten katholischerseits für ein besseres Verständnis zwischen Christentum und Judentum geleistet wird. Der „spiritus rector" ist ein emigrierter Priester, der keineswegs überflüssigerweise Oesterreicher heißt und der nach der Veröffentlichung seines äußerst wertvollen Werkes Walls Are Crumbling der eigentliche Leiter des „Institute of Judaeo-Christian Studies" sowie der Herausgeber dieses Jahrbuches ist, von dem jetzt zwei Bände erschienen sind.

Ebenso wie man den jungen Luther am besten aus der katholischen, spätscholastischen Theologie verstehen kann, so ist auch das Judentum — mutatis mufandis — der angewiesene .Ausgangspunkt für das Verständnis des Christentums. Diesem Thema, insbesondere dem heilsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament, zwischen Synagoga und Ecclesia, Gesetz und Gnade, Verheißung und Erfüllung, sind in diesem Jahrbuch mehrere grundsätzliche Aufsätze gewidmet. Während die Frau des bekannten Philosophen, Raissa M a r i- t a i n, die Figur des Abraham eher philosophisch als geschichtlich-exegetisch im Zusammenhang mit dem „Wachstum des sittlichen Bewußtseins“ skizziert, zeigt sich im Aufsatz von, B. M. Ahern das Faktum und die Idee des Auszugs aus Aegypten als wesentlich für das heilsgeschichtliche Denken sowohl im Alten wie im Neuen Testament. Der berühmte Ausspruch des hl. Augustinus: „Novum in Vetere latet, Vetus in Novo patet“ kehrt in verschiedenen Variationen wieder, denn beide bilden „movements of one great symphony", in der aber die „in jüdische Klangfarbe vollkommen eingetauchte" Stimme des Matthäus besonders hörbar ist, wie die Studie „According to Matthew" überzeugend darlegt.

Gegenseitiges Verständnis und Annäherung sind jedoch nicht möglich . ohne Kenntnis des typischjüdischen Denkens und vor allem der echten jüdischen Spiritualität. Diesem Zweck dienen verschiedene Aufsätze, z. B. über das in seinem Grundcharakter schwer zu bezeichnende Bibelbuch Ecclesiastes: „Kohelet: The Veiled God“ (Bertram Hessler OFM.) über die verschiedenen Bedeutungen der Begriffe „Hebräer, Israelit und Jude" im Neuen Testament (R. Kugelmann OP.), die alt- testamentliche Mentalität und Denkart im Gegensatz zur griechischen (Q. Lauer SJ.), die jüdischen Begräbnisgebräuche (M. Taddea de Sion), über den Geist des Gebets in jüdischer Sicht nach den Erläuterungen des Professors für jüdische Ethik und Mystik, Abr. Joshua Heschel (Edw. A. S y n a n) und besonders über die „Segnungen im jüdischen Gebetsbuch" (Mary Ruth Bede), aus denen klar hervorgeht, daß die christlichen Gebete, ja sogar

die Eucharistiefeier am stärksten von der jüdischen „Berakah" beeinflußt sind.

Den wertvollsten und aktuellsten Beitrag für das religionsgeschichtliche Verständnis der jüdischchristlichen Beziehungen hat der Herausgeber John Oesterreicher selbst beigesteuert in seinem Beitrag: „Die Gemeinde von Qumran", worüber wir nur kurz berichten können. Während der Verfasser einerseits die oberflächlichen, von Dupont-Sommer und anderen Publizisten vorgetragenen Schlußfolgerungen über die Handschriften vom Toten Meer mit triftigen — leider meistens in Fußnoten verzeichneten — Argumenten abweist, verzeichnet er anderseits viele Aehnlichkeiten zwischen dieser Gemeinde und der christlichen Verkündigung, aber das Endergebnis dieser genauen Untersuchung bleibt trotzdem, daß „tausende Aehnlichkeiten noch keine Identität“ bedeuten und daß die christliche Botschaft in ihrem Wesen einmalig ist: „Der Lehrer der Gerechtigkeit und Christus stehen nicht auf einer Linie. Qumran ist nicht die Wiege der Kirche."

Neben diesen heils- und religionsgeschichtlichen Zusammenhängen (wobei z. B. ganz neue Lösungsversuche für die Datierung des ersten Abendmahls zur Sprache kommen) gibt es noch andere, meist geistesgeschichtliche und kulturelle Beziehungen, die John Oesterreicher in seinem obenerwähnten Werk teilweise behandelt hat und die nun in diesem Jahrbuch i. B. auf bildende Künstler — Michelangelo als Schöpfer der Prophetengestalten, Chagall als Maler des Gekreuzigten und Jacob Epstein — ausgedehnt werden. Es wäre eine dankbare Aufgabe, in diesem Geiste auch den literarischen Beitrag großer jüdischer Schriftsteller in den nächsten Bänden zu behandeln.

Trotz der messianischen Hoffnung haben die Juden sich als Volk nicht bekehrt, weil Christus für sie noch immer ein „Aergernis“ ist. Hier tritt das „Mysterium Israel" in Erscheinung, dem mehrere Studien gewidmet sind. H. Duesburg OSB. erklärt in „The Trial of the Messiah", daß Juden und Christen in ihrem Kampf um Christus „trotzdem in Ihm vereinigt sind". Auch Joseph Klausners Buch „The Messianic Idea in Israel" findet mit den nötigen Vorbehalten eine eingehende Besprechung, besonders die tragische Figur der scharfen Denkerin Simone Weil, die als typische Vertreterin des modernen negativistischen Lebensgefühls eine Mittelstellung zwischen Judentum und Christentum einnahm und somit weder zum Glauben ihrer Väter noch zu völliger Hingabe an Christus und Seine Kirche heimfand. Daß Israel jedoch nicht endgültig — auch nicht als Volk — verloren ist, lehrt das schöne, aber schwierige 11. Kapitel des Römerbriefes, das in einer vorzüglichen Studie von Charles J o u r n e t behandelt wird.

Nicht nur Christus steht als geheimnisvolles „Aergernis“ zwischen beiden Welten, sondern auch andere, menschliche Hindernisse, Mißverständnisse und sogar Verbrechen, die wir unter dem Begriff Antisemitismus zusammenfassen. Das alles muß entweder direkt oder in seinen Nachwirkungen beseitigt werden — mit sehr viel Geduld und nur in echter christlicher Liebe. Daß dies möglich ist, zeigt die objektive, ruhig-verständnisvolle und vom christlichen Erbarmen inspirierte Art, in der folgende Themen zur Sprache kommen: Der Dreyfus-Prozeß, das Märchen vom jüdischen Ritualmord, das noch bei Chaucer auftaucht, die Figur des Shylock und die Selbstgefälligkeit vieler Christen, der Fall der Finaly Kinder, die Enttäuschung über die Tatsache, daß auf der 2. Generalversammlung des Weltkirchen-

rates in Evanston (Illinois 1954) der Vorschlag, auch Israel in die Resolution „Christus, die Hoffnung der Welt“ miteinzubeziehen oder darin zu erwähnen, verworfen wurde, die Protokolle von Zion, die als Kommunisten pauschal verfolgten Khazaren in den Vereinigten Staaten, die Judenverfolgungen in der Sowjetunion, von denen es heißt, daß es „kein Land gibt, in dem die Situation der Juden mehr gefährdet ist", und vor allem die vom Nationalsozialismus betriebenen Massenmorde, denen mehr als 6 Millionen Juden, d. s. 73,4 Prozent des Gesamtbestandes — — zum Opfer gefallen sind

Was wir bis jetzt aufgezeigt haben, scheint viel, aber es ist noch zu wenig, um den reichen Inhalt dieser Veröffentlichung erraten zu lassen, denn wie in jedem Jahrbuch findet man auch hier Uebersich- ten, Glossen und vor allem sehr ausführliche Rezensionen, in denen zwar nur wenige, aber sehr wich

tige Neuerscheinungen — z. B. Martin B u b e r s „Two Types of Faith” — sachkundig besprochen werden. Die jüdisch-christlichen Studien, deren Forschungsgebiet fast unabsehbar ist, haben in vielen Ländern einen sehr starken Anklang gefunden. Nachdem „Walls Are Crumbling" bereits ins Holländische übersetzt wurde, fand das vorliegende Jahrbuch vor allem in den Vereinigten Staaten einen solchen Widerhall, daß der erste Band in zweiter Auflage erscheinen konnte. Es ist nicht anzunehmen, daß man von dem Herausgeber, diesem österreichischen Priester und „verus Israelita in quo dolus non est“ sagen müßte: „Nemo propheta in patria sua“ — nicht wegen der menschlichen Enttäuschung, sondern weil alle wahren Christen — auch in diesem Lande—, bevor noch die Fülle der Zeit gekommen ist und das gesamte Israel das Heil erlangt, nach der Mahnung des heiligen Paulus mitarbeiten und mitbeten müssen, um wenigstens „einige aus ihnen zu retten“ (Röm. 11,14).

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